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Die Altersvorsorge in eine große Reise stecken?

Ute und Dietmar überlegen, sich einen neuen Reisebus zu kaufen und einfach loszufahren. Aber ist der Preis dafür zu hoch?

Uns hat es schon immer in die Ferne gezogen. Im Gegensatz zu den meisten unserer Freunde haben wir im Urlaub auf Komfort immer verzichtet. Wir haben keinen Spaß daran, in Hotelbetten aufzuwachen oder gar zwei Wochen an einem Ort bleiben zu müssen. Wir lieben Spontaneität: Mit dem Bus durch die unterschiedlichsten Länder fahren, direkt mit den Leuten in Kontakt kommen und dort anhalten, wo es uns gefällt – dieses Stückchen Freiheit nehmen wir uns einfach. Außerdem ist der Urlaub so billiger, viel Geld hatten wir nie.

Wir könnten all die Länder sehen, von denen wir immer geträumt haben.

Als unsere Kinder zur Schule gingen und wir noch arbeiteten, waren unsere Trips immer auf die Ferien beschränkt. Seit einigen Jahren sind wir Rentner, die Kinder sind schon lange aus dem Haus und wir beginnen uns zu fragen, ob wir die Reisen nicht ausgedehnter machen sollten. In den VW steigen und Richtung Osten fahren – unser großer Traum. Zwar waren wir schon in einigen Teilen Asiens, aber die Mongolei und China würden wir gerne einmal sehen.

Aber unser alter VW-Bus würde da nicht mehr mitmachen. Wir müssten einen neuen kaufen, mit entsprechender Ausstattung würde das teuer werden. Dafür müssten wir den Großteil unserer gesamten Altersvorsorge ausgeben, die wir uns in den Jahren auf die hohe Kante gelegt haben. Außerdem müssten wir die beiden 400 € Jobs aufgeben, die wir neben unserer Rente haben.

Einfach drauf losfahren und dann? Irgendwann feststellen, dass das Geld doch nicht reicht? Was, wenn einer von uns auf der Reise krank wird und Pflege benötigt? Und will man mit fast 70 nicht einfach über die Runden kommen und seine Ruhe lieber genießen? Eigentlich ein ziemlich hohes Risiko.

Eine Möglichkeit wäre natürlich, aus dem Haus auszuziehen oder es auf unbestimmte Zeit unterzuvermieten. Aber unsere Kinder würden sich bedanken, wenn sie unseren gesamten Hausrat unterstellen müssten. Und Einlagern ist eindeutig zu teuer. Wir könnten alles verkaufen, aber das würde nun wirklich die letzte Brücke abbrechen, die für uns "Zuhause" bedeutet. Dann kämen wir nach einigen Jahre zurück, unsere Altersvorsorge und unser Zuhause wären weg und wir stünden nur mit unserer Rente da. Die reicht gerade mal für die Miete, wir müssten unseren Kindern auf der Tasche liegen. Auch die Vorstellung, uns von Kindern, Enkelkindern und Freunden auf unbestimmte Zeit zu verabschieden, lässt uns nachdenklich werden.

Auf der anderen Seite, warum nicht? Warum nicht auch mal egoistisch denken, aus dem kleinbürgerlichen Leben ausbrechen? Jetzt wären wir noch fit genug und hätten vor allem auch den Mut, eine solche Reise zu wagen. Die Vorstellung, in zehn Jahren eventuell in irgendeinem Altersheim zu sitzen und an diese verpasste Chance zu denken, ist einfach grauenhaft. Was nun? Den vernünftigen Weg gehen oder doch auf Risiko setzen?

Protokoll: Anja Rohwer Foto: privat

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