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Sich versöhnen! Klappt das?

Mann und Frau mit gebrochenem Herz aus Papier vor den Gesichtern
© wavebreakmedia / Shutterstock
Sich versöhnen nach einer Trennung? Das gelingt nicht vielen. Zwei Paare erzählen, wie sie die Liebe wiederfanden.

Sie hatten das Gerümpel entsorgt, die Wände getüncht, jeden Holzsparren der Tenne einzeln abgewischt. Und dann stieg die Party mit 200 Gästen... Karla Nielsson*, 43, und Piet Thomas*, 49, stehen in der Scheune ihres Resthofs in Dithmarschen und erzählen von ihrer Hochzeit. Wie es dazu kam, dass sie nach acht Jahren Beziehung doch noch heirateten, obwohl sie schon zweimal dachten, ihre Liebe endgültig verloren zu haben. Ihnen ist gelungen, was für viele ein verlockender Gedanke ist. Karla Nielsson und Piet Thomas haben sich zusammengerauft und suchen mit demselben Partner noch einmal das Glück. Sie sind damit in guter Gesellschaft: Immerhin 10 bis 25 Prozent aller getrennten Paare - je nach Studie - wagen die Neuauflage der Gefühle, fand der Chemnitzer Soziologe Oliver Arranz Becker heraus. Skeptiker befürchten, dass solche "aufgewärmten" Beziehungen an denselben wunden Punkten scheitern könnten. Befürworter reizt gerade das Bekannte: nicht noch einmal bei null anfangen müssen, auf Bewährtes zurückgreifen, auf vertrautem Terrain weiterwachsen... Dass unsere Zeit spürbar härter und leistungsorientierter geworden ist und sich unsere Lebenssituationen und Werte schneller ändern als je zuvor, weckt die Sehnsucht nach Fixpunkten, die Halt und Vertrauen versprechen. Selbst wenn das Prickeln des Beginns fehlt, kann es eben auch schön sein, zu wissen, auf wen man sich einlässt, welche Marotten, Ängste und Empfindlichkeiten einen erwarten. Und welche Schokoladenseiten.

Sich versöhnen steht hoch im Kurs

Etliche Promis stehen bei so einem Liebescomeback Modell: Angefangen bei Liz Taylor und Richard Burton, die sich küssten und schlugen und gleich zweimal heirateten, über Beau Leonardo DiCaprio und Model Bar Rafaeli bis hin zu Kate Middleton und Prinz William, dem Liebespaar des Jahres. Piet Thomas schenkt dampfenden Tee in die Becher. Wir sind in die kleine gemütliche Küche umgezogen, draußen regnet es in Strömen, die Kühe starren über den Zaun. Karla Nielsson fröstelt und zieht sich eine bunte Strickjacke über. Im Nebenzimmer stehen Gitarren, ein Kontrabass, ein Akkordeon und viele Notenständer. Piet Thomas unterrichtet Musik, sie spielt seit Jahren in ihrer Band Latinovo Akkordeon und Klavier. Das ist eine ihrer stabilen Verbindungslinien. "Wenn es gut zwischen uns läuft, ist es groovy, wenn nicht, muss am Rhythmus etwas geändert werden", erklärt Karla Nielsson. Und jetzt? Alles "groovy", sagt Piet Thomas. Ihre Liebesgeschichte begann nach einem Abend im April 2002, in einem Musikclub in Heide. Karla Nielsson hatte auf der Bühne gestanden und Piet Thomas im Publikum. Plötzlich war er da, dieser magische Moment, in dem es Pling machte. Am nächsten Tag klingelte sein Telefon. Sie würde einen Ausflug nach St. Peter-Ording machen, ob er mitkäme...

Nach dem stürmischen Anfang mit Sonne, Sand und Wind in den Haaren kamen sie einander Schritt für Schritt näher, besuchten sich, wann immer Zeit war. Sie fuhr nach Friedrichstadt, er besuchte sie in Heide. Beide waren schon seit Jahren alleinerziehend, Piet lebte mit seiner Tochter, Karla mit ihrem Sohn und ihrer Tochter. Beide hatten sich von ihren Partnern getrennt, als die Kinder klein waren. "Drei Jahre waren wir im siebten Himmel", erzählt Piet Thomas, "dann stürzte Karla in eine Krise." Nachdem nahe Verwandte beim Tsunami in Thailand umgekommen waren, verschwand sie ein Jahr hinter einer Mauer aus Traurigkeit. Die Traurigkeit vertrieb die Schmetterlinge, sie setzte ihnen zu. Piet war unfähig, damit umzugehen, und ging seiner Freundin immer öfter aus dem Weg. Bis er sie panisch mied. Karla fühlte sich allein, sie entfernte sich innerlich. Stück für Stück löste sich ihre Liebe auf. Und plötzlich tauchte da ein anderer Mann auf, in den sie sich verliebte... Sie brach den Kontakt zu Piet ab.

Sich versöhnen? Plötzlich war das Herzklopfen wieder da

Die Trennung war ein Schock für ihn, er merkte, dass er Karla wirklich wollte. "In mir waren nur noch Sehnsucht und Schmerz", erinnert er sich. Doch es gab kein Zurück. Für Karla Nielsson hatte schon eine neue Zeit begonnen. Sie begann eine Familientherapie in Hamburg und verarbeitete dabei auch die Trennung. Es verging ein Jahr. Irgendwann, sagt sie, "hatte ich ein Leben, in dem es keine Berührungspunkte mehr zu Piet gab, ein Leben, in dem eine Beziehung mit ihm unvorstellbar war". Bis zu dem Tag, an dem sie sich auf einem Flohmarkt in Wilster trafen. Wildes Herzklopfen, ein Blick in die Augen und ein verlegener Smalltalk... Jetzt war alles wieder vorstellbar. Sie verknallten sich noch mal, und alles schien wieder "groovy." Das war im Herbst 2007. Wenig später wurde Karla Nielsson schwanger. Ein Wunschkind. Da war sie 41. Sie hatte eine Fehlgeburt. Und bloß fünf Monate später die zweite. Das Gefühl, eine Versagerin zu sein, ließ sie wieder in ihre Trauer abtauchen. Unbeteiligt wie ein Zuschauer stand ihr Partner daneben, verweigerte ihr in all seiner Hilflosigkeit erneut die Unterstützung und floh ein zweites Mal vor ihrer alles bestimmenden Traurigkeit - direkt in eine Affäre. Jetzt brach Karla zusammen, verzweifelt vermisste sie ihn, wünschte ihn schmerzlich zurück in ihr Leben. Ihr Scheitern hatte zu dem Zeitpunkt schon eine gewisse Routine.

Dass ausgerechnet ein Gaskocher sie nach einem Dreivierteljahr wieder zusammenbrachte, finden beide heute selbst sehr komisch. Karla hatte sich gerade wieder berappelt, da bat sie ihren Ex per SMS, ihr ihren alten Campingkocher zurückzubringen. Piet Thomas erzählt unter Lachen, wie er sich leise angeschlichen hätte, um den "blöden Kocher" mit schlotternden Knien in ihre Garage zu legen, er sei erleichtert gewesen, sagt er, dass sie nicht da gewesen sei... Auf dem Weg nach Hause schrieb er ihr per SMS: Es geht mir miserabel ohne dich. Ein Anruf folgte, dann noch einer. Viele Verletzungen machen vorsichtig. Diesmal waren es Mäuseschritte aufeinander zu. Aber die Liebe zueinander war stärker. Irgendwann trafen sie sich am Symbol-Ort St. Peter wieder, redeten, flirteten und turtelten in der Sonne, waren, zum dritten Mal, frisch verknallt. Karla sah zu, wie "er einen richtig fiesen Sonnenbrand" kriegte, sagte aber nichts. Über diese kleine hämische Erinnerung müssen sie heute lachen, lauthals. Während des Spaziergangs an der Nordsee hätten sie alles auf eine Waagschale legen können. Sie ließen es. Piets Herz war zum ersten Mal weit geöffnet. "Ohne das Risiko, verletzt zu werden", sagt er im Rückblick, "kriegst du in der Liebe nun mal keine großen Gefühle." Dass jeder erst für sich wachsen, sich selbst besser kennen lernen musste, damit ein Zusammenwachsen möglich wurde, diese Erkenntnis war nicht immer schmerzfrei. Aber ihre zwei Trennungen sind heute ihre kostbarsten Steinchen auf dem gemeinsamen Weg - erst durch das Stolpern merkten sie, "dass jeder seine Verletzlichkeiten und Ängste, dass jeder seine Geschichte mitbringt und dadurch auch Fehler begeht", sagt Karla Nielsson. Piet Thomas nickt. Und dann sieht er Karla in die Augen und fragt: "Letztlich sind wir doch mit allen Kapriolen nur vor uns selbst weggelaufen, oder?"

Auch die eigenen Fehler bewusst machen

Damit sollte nun endgültig Schluss sein: Als sie im letzten Herbst in einem kleinen Hotel nahe der tschechischen Grenze mit einem Rotwein auf dem Bett lagen, bekam Karla den Heiratsantrag. Sie sagte Ja. Sofort. "Wer sich entschließt, wieder zusammenzukommen, hat meistens vorher aufgeräumt und begriffen, was schlecht gelaufen ist", sagt der Hamburger Paartherapeut Hartwig Hansen. "Wird man dann wieder ein Liebespaar, ist das Gefühl zueinander intensiver, reflektierter, reifer und bewusster." Wichtig sei aber, dass beide die Krise als Herausforderung sähen, eigene Fehler zu überdenken, erst dann könne die Beziehung an einer Trennung wachsen. In langen Beziehungen käme niemand umhin, irgendwann "selbst in den Spiegel zu gucken, um sich seiner eigenen Defizite und Wünsche bewusst zu werden, die er in die Beziehung trägt". Das haben Annabelle und Michael Schumann* in den letzten 25 Jahren immer wieder getan - auch mithilfe von Paartherapeuten. Kuschelharmonie und Langweile gibt es bei ihnen nicht. Und so ist ihre schon lange Liebesgeschichte bis heute auch eine Geschichte der Leidenschaften. "Seit wir uns kennen, rasen wir wie Magnetpüppchen aufeinander zu und müssen uns dann mit einem Ruck wieder voneinander lösen", erklärte Annabelle Schumann, 53, schon am Telefon. "Das kostet viel Energie, aber lauwarm geht bei uns eben nicht." In ihrem sonnigen, modern eingerichteten Loft in Berlin Mitte stehen Gebäck und Pralinen und ein üppiger Strauß roter Rosen auf dem Glastisch. Annabelle Schumann sitzt auf der Sofakante, wach und aufrecht, die blonden langen Haare offen über der Schulter, und er, der erfolgreiche Anwalt in dunklen Jeans und Sakko, hat sich lässig ins Polster sinken lassen.

Damals, als er sie im Getümmel einer Bar entdeckte, stand für ihn fest: "Die oder keine." Er grinst. "Und wenn ich etwas will, dann krieg ich das auch." Er umgarnte sie, bis sie ihm gehörte. Und dann begann das, was Annabelle Schumann das "Feuerwerk unserer Liebe" nennt: Sie waren zweieinhalb Jahre im Liebestaumel. Damals stand Michael noch am Anfang seiner Karriere. Er baute gerade seine Sozietät auf, als seine Frau schwanger wurde. Noch war alles im Fluss. Bis die typische Babyfalle zuklappte: Mit der Geburt ihrer Zwillingsmädchen Sina und Carlotta begannen die Herausforderungen. Dass Annabelle und die beiden Kinder nach der Geburt noch zusätzlich eine lebensbedrohliche Infektion bekamen, spitzte die Situation weiter zu. "Sie lebte nur noch mit Blick auf die Kinder", sagt Michael Schumann vorwurfsvoll, "und ich war ausgeschlossen und eifersüchtig." Um Aufmerksamkeit von seiner Frau zu bekommen, provozierte er sie. Der Stress wurde immer unerträglicher. Annabelle, von der Situation komplett überfordert, griff zu der für sie einzigen Lösung: Sie verlangte eine räumliche Trennung - vorübergehend, zum Luftholen. Michael blockte ab. Eine Trennung auf Zeit? Undenkbar! "Das", sagt er, "war für mich der Anfang vom Ende." Er schlug vor, die Wohnung zu teilen, eine Art Mauer zu errichten. Die Fronten verhärteten sich, sie forderte weiter seinen Auszug. Er weigerte sich, bis sie ihn mithilfe der Polizei aus der Wohnung, "entfernen" ließ. "Die haben mich quasi rausgetragen, das war der größte Schmerz." Erst schlief er in der Kanzlei, später bei einem Freund.

Wer mit Kindern lebt, weiß, dass sie Anlass für Beziehungskrisen sein können. "Kern aller Konflikte sind neue Belastungen, die flexibel und anders verteilt werden müssen", erklärt Soziologe Arranz Becker, der an der TU Chemnitz Experte für "Paarstabilität" ist. Nur rund die Hälfte aller Paare, so sein ernüchterndes Fazit, sei in der Lage, mit der Geburt eines Kindes auch "Erwartungen aneinander zu formulieren, aufgetauchte Probleme zu lösen, Absprachen und Vereinbarungen flexibel zu gestalten". Das gelang den Schumanns zu dem Zeitpunkt nicht. Sie kapitulierte, drängte ihn zur Scheidung. Dieser Tag ist so nah wie gestern, auch wenn er tatsächlich 19 Jahre zurückliegt: Michael Schumann verschränkt die Arme vor der Brust und erklärt mit Nachdruck, er hätte nur durch ein Ziel überlebt: "Ich wollte meine Familie zurück." Er schrieb Briefe, er umwarb Annabelle mit Kleinigkeiten, schenkte ihr einen Plüsch-Igel. "Man muss dranbleiben, immer", sagt er. Besonders an den Zwillingen, die er alle zwei Wochen zu sich holte. Annabelle reagierte nicht darauf. Sie durchlebte die Trennung in einer Mischung aus Erleichterung und Tränen. Ihr Gewissen quälte sie, weil "ich natürlich wusste, dass so ein Aus vor allem den Kindern zusetzt". Aber schon längst drehte sich ihre Welt ohne Michael weiter.

Etwa acht Monate nach der Scheidung flog sie mit den Mädchen zu ihrem Bruder nach Vietnam und blieb drei Monate. Als Michael die drei am Airport Frankfurt abholte, passierte das Wunder: Carlotta, damals zweieinhalbjährig, kam durch die Automatiktür, reckte beide Ärmchen hoch und flog in die Arme ihres Vaters. Die Kleine war in Saigon von einer Schaukel gefallen und hatte dabei beide Ärmchen gebrochen. Und plötzlich, hier am Flughafen, wussten sie, was sie zu Hause nicht mehr gespürt hatten: "Wir gehören doch zusammen." Diese Schlüsselszene rührt Michael Schumann noch immer, er wischt sich die Tränen von der Wange. Verlegene Stille. Auch Annabelle Schumanns Stimme zittert, als sie sagt, erst da sei ihr klar geworden, dass er ein toller Vater sei. Sie schliefen wieder miteinander. Waren noch mal frisch verknallt. Fühlten sich federleicht und überglücklich, wieder eine Familie zu sein. Und weil in der alten Wohnung die schlechten Erinnerungen wohnten, zogen die Schumanns in ein schönes Haus mit Garten. Die Zwillinge sind heute 21, die eine ist in Buenos Aires, die andere studiert in Wien. Für Annabelle Schumann steht jetzt, 19 Jahre nach dieser Trennung, fest: "Ich werde niemals wieder so weitreichende Entscheidungen in einer Krise treffen, ruhigere Zeiten sind dafür besser." Nur, ungeschehen lässt sich der Bruch nicht machen: Noch immer haben sie nicht wieder geheiratet. "Vielleicht tun wir das mit 80?", witzelt Michael Schumann. Verheiratet oder nicht, ihre Leidenschaft hält sie eng beieinander. "Ich will mit 80 noch mit dir ins Bett hüpfen", sagt er und lässt seine Hand hörbar auf ihren Oberschenkel sausen. Annabelle Schumann lacht und meint: "Vielleicht nicht hüpfen, wegen meines Knies. Aber das Herz will es bestimmt."

Zum Weiterlesen:

  • Hartwig Hansen: "Die Liebe wieder finden - Schlüsselszenen aus der Paartherapie", 14,95 Euro, Balance
  • Hartwig Hansen: "Respekt - der Schlüssel zur Partnerschaft", 14,95 Euro, Klett Cotta Leben!
Text: Dorrit Riege Ein Artikel aus der BRIGITTE WOMAN, Heft 06/2011

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