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Neuer Partner: Er wird immer mehr wie mein Ex

Neuer Partner: Er wird immer mehr wie mein Ex
© mimagephotography/shutterstock
Sie wollte diesen Mann. Unbedingt. Bis sie feststellt, dass ihr vieles von dem, was ihr neuer Partner sagt, tut und unterlässt, verdächtig bekannt vorkommt.

Als Hannes die Treppe runterkam, hatte er ein Tablett in der Hand. Ein Becher mit Kaffee stand darauf und ein kleiner Teller mit den Mandelkeksen, die ich so mag. "Mach mal Pause, mein Herz", sagte er lächelnd und schob mit dem Fuß einen der Kartons beiseite, die ich seit zwei Stunden mit all dem Mist füllte, der seit Jahren unsere Kellerregale verstopfte. Wie lieb von ihm, das war mein erster Gedanke. Ich sah diesen Mann an, wie er da stand in seinem makellos weißen Hemd, während ich staubig und verschwitzt zwischen Kisten hockte, ich sah sein Gesicht mit diesem beflissenen Blick, und mein zweiter Gedanke traf mich blitzartig: Genau diese Szene hast du schon mal erlebt. Nur dass ich damals 20 Jahre jünger war und knietief im verstopften Abwasserschacht eines Reihenhaus-Kellers stand, den es leer zu schippen galt. Auf dem Tablett stand ein Glas gut gekühlter Riesling, und der es mir hinhielt, im unbefleckten Oberhemd, war mein damaliger Ehemann.

Neuer Partner, alte Macken

Kein Mensch wühlt gern im Dreck. Auch meine Freundinnen haben Partner, die sich lieber locker machen als schmutzig. Christoph, mein Ex, hatte es im Kreuz, Hannes beruft sich auf seinen Tennisarm, beide gehören zur Gattung Mann, Ähnlichkeiten sind deshalb nicht auszuschließen. All das ging mir durch den Kopf, als ich später über dieses Déjà-vu nachdachte. Trotzdem war es mehr als eine zufällige Parallele, mehr als eine komische Situation, die ich später als launige Anekdote unters Volk bringen würde. Die dazugehörige Erkenntnis war einfach zu befremdlich: Hannes, die große Liebe meines Lebens, wurde immer mehr wie Christoph, mein Ex.

Ich ließ die Auseinandersetzungen der letzten Monate Revue passieren. Versuchte mich zu erinnern, was genau es war, das mich Hannes gegenüber zunehmend hysterisch machte. Mir fiel der Wochenendeinkauf ein, das Auto voller Lebensmittel. Und Hannes, der im Wohnzimmer vom Sofa aufspringt, als ich mit schweren Tüten reinkomme. Der ruft: "Ich mach das schon, Liebes" und dann nichts als eine Großpackung Klopapier aus dem Kofferraum fischt, bevor er sich loben lässt und wieder hinter der "FAZ" verschwindet. Mir fiel das Willie-Nelson-Konzert ein, das ich auf keinen Fall verpassen wollte. Hannes' vollmundige Ankündigung, sich um die Karten zu kümmern, und wie wir vor der Glotze saßen an dem Abend des Konzerts, weil leider: zu lange gewartet mit dem Ticket-Kauf. Ich dachte an die vielen Tage mit viel Arbeit auf dem Schreibtisch und wie Hannes an meinem Büro vorbeischleicht und scheinbar beiläufig fragt, was wir heute essen. An den Frust, die Wut, die in solchen Momenten in mir hochsteigt, weil er doch sehen muss, dass ich mich nicht darum kümmern kann.

Neuer Partner: Er wird immer mehr wie mein Ex
© Yvonnes_photos/Photocase

Gefühle wie alte Bekannte, zu denen ich eigentlich den Kontakt abgebrochen hatte. Nur: Der Mann, der mich so aus der Fassung bringt, ist keine Altlast. Er ist der, dessentwegen ich aus einer langjährigen Ehe ausgebrochen bin. Eine schmerzvolle Scheidung auf mich genommen habe. Mit dem ich den Neuanfang wagen wollte, einen Alltag voller Liebe und Lebendigkeit. Ich habe Christoph verlassen, weil ich es leid war, für alles Unangenehme zuständig zu sein. Mich um alles Schöne selbst bemühen zu müssen. Jemanden an meiner Seite zu haben, der, wenn ich bereits am Limit bin, noch eine Schippe draufpackt. Und jetzt, zehn Jahre später, geht das wieder los. Willkommen daheim.

Als ich Hannes kennen lernte, war Christoph schon seit drei Jahren Rentner. Und wie bei so vielen Paaren war das Ende seiner Berufstätigkeit ein Härtetest für unsere eh schon bröselige Ehe. Christoph ging kaum vor die Tür, wanderte mit seiner - jawoll - "FAZ" vom Sofa auf die Terrasse und wieder zurück, er wusste wenig mit sich anzufangen, das Übliche. Es gab keinen Schonraum, keine Puffer, kein Entkommen, denn als selbständige Buchhalterin arbeite ich überwiegend von zu Hause. Ich wachte morgens beklommen auf, und über den Tag, während meine Augen auf Zahlenreihen klebten, wuchsen meine Ohren auf Radarschirm-Größe. Jedes Geräusch, das Christoph machte, überprüfte ich auf seinen Aufforderungscharakter. Die Kühlschranktür hieß: Jetzt hat er Hunger. Das Falten der Zeitung: Jetzt will er über amerikanische Außenpolitik sprechen. Die Terrassentür: Jetzt soll ich mit ihm den Garten begehen. Jede seiner Lebensäußerungen: ein Pulsbeschleuniger.

Ich war leichte Beute, keine Frage. Drei Monate sollte ich in einer Spedition als Vertretung in der Buchhaltung arbeiten, und schon nach einem Monat war klar, dass Hannes, der Besitzer der Firma, Interesse an mir hatte. Zuerst konnte ich es nicht glauben, dann war ich elektrisiert. Da war dieser zupackende, kluge Mann, und er meinte es ernst. Hannes ließ wirklich nichts aus, um mich zu erobern. Ob ich Zeit hätte, fragte er mich einmal um die Mittagszeit, ich solle mitkommen, er wolle mir jemanden zeigen, der fast so schöne, sanfte Augen hätte wie ich. Und dann fuhr er mit mir in den Zoo. Die Augen, die er meinte, gehörten einer kleinen Giraffe. Ein halbes Jahr dauerte es, bis Christoph uns auf die Schliche kam, ich war zu aufgeregt, zu strahlend, als dass es ihm hätte entgehen können. Sechs schreckliche Monate später bin ich zu Hause ausgezogen. Ich war unfassbar verliebt und habe mich geschämt wie nie zuvor in meinem Leben. Einen 15 Jahre älteren Mann zu verlassen, einen, der Rentner ist - dafür hatte niemand Verständnis, nicht mal ich selbst.

Liegt es an mir, dass sich jetzt ein Beziehungsmuster wiederholt, dessen ich so überdrüssig war? An meinem Drang, immer alles selbst in die Hand zu nehmen, und an meiner Unfähigkeit, einfach mal sitzen zu bleiben und den anderen machen zu lassen - in seinem Tempo, auf seine Weise? Oder ist es schlicht das Alter? Ein ganz normaler Veränderungsprozess, der die beiden Männer schleichend einander ähnlich werden lässt? Auch Hannes ist älter als ich, elf Jahre, auch er hat mittlerweile aufgehört zu arbeiten. Er wischt jetzt mit Vorliebe die Küche, noch eine Neigung, die er mit Christoph teilt. Seine Haare, die mal blond und lockig waren, sind weiß. Schon vor zehn Jahren wurden die beiden Männer manchmal für Brüder gehalten, ich sei in Begleitung meines Schwagers gesehen worden, hieß es, jetzt haben sie sich auch farblich angeglichen.

Mag schon sein, dass mein neuer Partner meinem Ex immer ähnlicher wird. Aber der hatte auch ein paar sehr liebenswerte Seiten

Es war mein jüngster Sohn, der mich kürzlich nach einem Besuch darauf aufmerksam machte, dass die Abendessen bei uns dem gleichen Muster folgen wie die früher zu Hause: Mutter und Söhne sitzen am Tisch, plaudern und lachen. Daneben ein älterer Mann, stumm. Die Erklärung ist ebenso schlicht wie ernüchternd: Schwerhörigkeit. Bei Christoph fing sie mit 60 an, bei Hannes fünf Jahre später. Manchmal muss ich fast darüber lachen, wie die Szenen sich gleichen. Das Verstummen. Die Monologe. Gehalten von einem Mann, der nicht in die Verlegenheit kommen will, die Sätze anderer verstehen zu müssen. Dem Mann, dessen erotische Ausstrahlung meine Knie zum Zittern brachte. Der mit seinen Fragen meine Seele aus ihren geheimsten Winkeln lockte. Jetzt sitzt er da. Schweigt. Doziert.

Und ich? Tue, was ich schon immer getan habe bei Beziehungsfrust. Stürze mich in die Arbeit, schmore in meinem eigenen Saft, koche zwischendurch über, brülle rum, verziehe mich wieder in mein Büro. Meistens dauert es ein, zwei Stunden, dann höre ich Schritte auf dem Flur, und Hannes steckt seinen Kopf durch die Tür. Auf dem eine Stoffgiraffe sitzt. "Schau ihr in die Augen, Kleines", sagt er, und dann muss ich lachen, und mein Blick wird sanft. Mag schon sein, dass er meinem Ex immer ähnlicher wird. Aber der hatte auch ein paar sehr liebenswerte Seiten.

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