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Der Ex an meiner Seite

Eigentlich ist die Beziehung schon lange vorbei und doch bleibt der Ex-Partner ein Teil des Lebens. Drei Frauen berichten über den Ex an ihrer Seite.

Antonia Gebert* hat Weihnachtsgeschenke für zwei Männer gekauft. Hemd und Pullover für ihren Ex-Ehemann. Jeans und CDs für ihren Lebensgefährten. Die Scheidung hat nichts daran geändert, dass Michael einen festen Platz in Antonias Plänen hat. Auch Ralf, der vor drei Monaten mit Sack und Pack zu ihr gezogen ist, hat Michael nicht ganz aus ihrem Kopf verdrängt. Dabei hat Antonia ihren untreuen Mann schon vor drei Jahren rausgeschmissen aus dem gemeinsamen Haus. Damals war sie krank geworden von dem Schock, wie lange seine Affäre mit der Kollegin schon ging. Es gibt sogar ein Kind mit der anderen, ein Mädchen von 14 Jahren.

Die Wogen haben sich geglättet. Antonia hat verstanden, dass zu Ehedramen immer zwei gehören, dass auch sie ihren Part gespielt hat. Ihre Wut auf Michael ist inzwischen etwas kleiner geworden. Aber Vertrauen fand sie nicht mehr. Sie wusste nie, ob es stimmt, was er sagt. Seit es sie nichts mehr angeht, woher er kommt und wohin er geht, sieht sie Michael, wie er ist: wankelmütig, lieb, schwach - und ein Teil ihres Lebens. Seit drei Jahrzehnten. Sie spürt Mitgefühl. Verbundenheit über die Trennung hinaus. Ihre Art, sich die verlorene Würde zurückzuholen.

Geschenke für den Ex-Partner

"Damit nicht mein ganzes Leben ungültig ist", sagt Antonia Gebert und packt die Geschenke für ihren Ex-Mann liebevoll ein. Es scheint, als ob das Taxameter immer weiterläuft, obwohl die Fahrt längst beendet ist. "Diese unauflöslichen Fäden zeigen, dass eine Beziehung unglaublich wichtig war. Vielleicht war sie die erste und einzige überhaupt", sagt der Hamburger Psychologe Oskar Holzberg. "Wenn man in der Jugend zusammenkommt, gibt einem der Partner oft erst den Platz in der Welt. Wie eine tiefe Wurzel bleibt dieses Gefühl auch nach einer Trennung erhalten." Bis dass der Tod euch scheidet - auch über die Ehe hinaus? Das gibt es gar nicht so selten. Wo kein Rosenkrieg alles platt gemacht hat, bestehen manche Ehen auf veränderte Weise fort. Etwas wie Freundschaft, Kameradschaft, Wahlverwandtschaft kann entstehen. Liebe, Partnerschaft, Zusammenleben - darum geht es dann nicht mehr, zu viel ist geschehen, zu viel ist kaputt, zu viele verschlossene Räume mit weggeschobenen Kränkungen, Verletzungen und Schmerzen darin. Manche sind nie wiedergutzumachen.

Aber sie haben nicht alles zerstört, was mal war. Etwas bleibt: der tiefe, breite Strom an Gemeinsamkeiten aus vielen Jahren. Antonia Gebert hat ihre ganze Jugend mit Michael verbracht. Ralf hat sie nie mit 17 geküsst, er ist nicht der Vater ihrer Kinder. Darum ist es gut, wenn nach Enttäuschung, Wut und Trauer einer den anderen wiedererkennt - als den Gefährten anderer Zeiten, als Vater oder Mutter der gemeinsamen Kinder. "Mit Michael habe ich ganz viel zum ersten Mal erlebt, wir haben so viele Gemeinsamkeiten und Erinnerungen", sagt Antonia Gebert. Das bleibt bedeutsam für sie.

*Name von der Redaktion geändert

Ähnlich empfindet Regina Andrees. Sie sitzt am Krankenbett ihres Ex-Mannes. Ihr gegenüber auf der anderen Bettseite kauert seine Freundin Mascha. Er ist nicht ansprechbar. Die beiden Frauen eint die Angst um diesen Mann. Doch Regina nimmt die andere kaum wahr, sie ist innerlich Hannes' Frau geblieben. Mascha - Regina Andrees kennt nicht einmal den Nachnamen der jungen Frau - hat ihren Platz nicht eingenommen. Darum geht sie jetzt. Sie brauche ihren Schlaf, sagt Mascha. Regina wacht die ganze Nacht. Sie ist 25 Jahre älter. Sie hatte diesen Mann 25 Jahre länger. Sie schaut in sein wachsweißes Gesicht, auf die Schläuche, die in seinem Körper stecken. Und sie weiß: Diesen Mann wird sie niemals im Stich lassen. Als ihr Sohn anrief: "Mama, Papa hatte einen Schlaganfall, er liegt im Krankenhaus in der Türkei", ist sie losgerast, direkt zum Flugplatz. Hannes war im Urlaub mit seiner Freundin, das wusste Regina. Aber würde die sich auch um alles kümmern können? Seine Behandlung überwachen, mit den Ärzten sprechen, später dann seine Rückkehr organisieren?

"Eine Scheidung kann die Verantwortung füreinander nicht beenden."

Plötzlich zählte nicht mehr, dass Hannes sie verlassen hat. Er war verliebt in eine Studentin gewesen. Die hat ihn abblitzen lassen, aber er wollte nicht zurück in den Ehetrott. Er zog weiter in die Clubs der Jungen, war fasziniert von ihrer Musik, ihren Cocktails, ihrer Erotik. Und dann hatte Hannes Mascha gefunden, und sie fand den Mann mit den Silberschläfen süß und sein Interesse schmeichelhaft. Regina fiel aus allen Wolken. Sie blieb zurück im gemeinsamen Haus, leitete weiter die gemeinsame Firma. Er bat sie, die Scheidung einzureichen. Es war so unwirklich, so unerwartet, so unerklärlich, dass es für Regina keine restlose Trennung gab. Ein echtes, klärendes Gespräch kam nie zustande. Immer noch telefoniert sie regelmäßig mit Hannes - vielleicht in der vagen Hoffnung, doch noch etwas besser zu verstehen, was geschehen ist.

Sie besucht ihre Schwägerin, ihre Schwiegermutter. Beide schimpfen auf Hannes und trösten: "Er wird keine Bessere finden als dich." Das sind Salben auf ihre Wunden. Inzwischen sind sie vernarbt. Übrig ist: Wir gehören zusammen, auch wenn wir nicht zusammen sind. "Eine Scheidung kann die Verantwortung füreinander nicht beenden", sagt Regina Andrees, "ein Leben lang nicht." Sie organisiert die Reha-Maßnahmen und denkt: "Dasselbe würde er auch für mich tun." Als Hannes endlich erwacht, sagt er zufrieden: "Gina! Da bist du ja." Da weiß sie, dass sein Kopf wieder in Ordnung kommt. Er hat nur für einen Moment vergessen, dass er geschieden ist und dass eigentlich Mascha an seinem Krankenbett sitzen müsste.

Es gibt noch Fäden zwischen den Ex-Partnern

Ein Gerichtsurteil zertrennt eben nicht alle Fäden, die Menschen während eines halben Lebens miteinander verwoben haben. "Ich werde immer für dich da sein", das hatten sich Regina und Hannes als Studenten versprochen. Und jetzt, Jahrzehnte später, wird es wahr, dieses "immer". Aber Reginas heimlicher Sieg wirkt zugleich wie eine Fessel: Sie kommt nicht wirklich frei. Unbewusst klammert sie sich an ihr altes Leben, fühlt sich als Ehefrau, nicht als Ex. Sie hat einige zaghafte Internet-Bekanntschaften gemacht, keine hat etwas gebracht. "Die waren alle nichts", wehrt Regina Andrees Fragen der Freundinnen ab. Der Maßstab ist und bleibt Hannes. Oskar Holzberg sagt: "Wenn etwas Neues keine Chance hat, zeigt sich oft, dass die Trennung nicht wirklich bewältigt wurde. Das kann blockieren, kann Entwicklung verhindern." Keine klare Trennung - keine klare neue Beziehung.

Alte Anhänglichkeit kann auch neuen Schmerz auslösen. Irene Sander verflucht die ungebrochene Verantwortlichkeit ihres Mannes für seine erste Frau, von der er schon seit Jahren getrennt lebt. Irene sagt, sie sei nicht eifersüchtig, dazu sehe sie keinen Grund. Aber mit Richards Ex-Frau Renate und ihrer kleinen Tochter aus wiederum gescheiterter Ehe zusammenzusitzen - das war nicht ihre Vorstellung vom ersten Ostersonntag im gemeinsamen neuen Haus. "Ich habe sie doch mal geliebt", stöhnt Richard als Erklärung, warum er seiner Ex nichts abschlagen kann. "Sie tut mir leid." Und die wiederum kennt seine weichen Stellen: "Wir sind so allein, kann ich bei euch im Garten Ostereier für Marie verstecken?" Das hat sie ins Telefon gehaucht und auch ein wenig geschluchzt. Irene trägt lustlos ihre Käsesahnetorte auf. Für sie ist das Fest gelaufen. Sie räumt das Geschirr ab, während Richard und Renate mit Marie spielen: Mutter, Vater, Kind. Verkehrte Welt, denkt Irene, das muss geklärt werden.

"Häufig fühlen Männer noch lange Verantwortung gegenüber ihrer Ex-Frau, besonders, wenn sie sie als hilfsbedürftig empfinden", sagt Oskar Holzberg. "Oder es sind unerfüllte Sehnsüchte aus der gemeinsamen Zeit übrig geblieben. Das muss die neue Partnerin nicht akzeptieren. Die neue, aktuelle Beziehung hat Vorrang." Erst wenn unklare Verstrickungen wirklich aufgelöst sind, wird sich ein neuer Partner nicht bedroht fühlen durch Kontakte mit seinem Vorgänger.

Antonia Gebert hat entschieden, ihrem Ex-Mann einen Platz in ihrem Leben zu lassen. Geburtstag, Weihnachten mit den Kindern, Familienfeiern - da sind sie beide selbstverständlich dabei. Und sie nimmt Anteil an Dingen, die für Michael wichtig sind. Eine Reise, Erfolg im Job - das interessiert sie nach wie vor. Von den beiden Männern erwartet sie Souveränität: "Sie werden sich dran gewöhnen, dass sie sich ab und zu begegnen", sagt sie. Und Ralf hofft, dass es nicht allzu viel zu bedeuten hat, dass Antonia zum Hochzeitstag rote Rosen geschickt bekam. 30 - eine für jedes Jahr, das sie mit Michael gelebt hat. "Wir sind nicht mehr 17", sagt Ralf. "Wir hatten alle schon ein anderes Leben."

Text: Vera Sandberg Foto: Corbis

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