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Keine Lust auf Sex? Daran kann es liegen!

Keine Lust auf Sex? Dafür gibt es viele Gründe. Doch nachlassende Lust auf Sex lässt sich neu entfachen. Ein interview mit Ulrike Brandenburg - ehemalige Sexualwissenschaftlerin.

BRIGITTE-woman.de: Ab 40 verändert sich allmählich die Hormonproduktion in unserem Körper. Welchen Einfluss hat das auf unsere Sexualität?

Dr. Ulrike Brandenburg: Jede Frau erlebt diese Veränderungen anders. Viele haben Hitzewallungen, manche leiden unter Stimmungsschwankungen. Andere klagen über eine trockene Scheide und Schmerzen bei der Liebe, weil die Innenhaut dünner und verletzlicher wird. Manche Frauen sprechen über eine nachlassende Libido, andere aber auch über wachsende Lust und so guten Sex wie seit Jahren nicht mehr. Das ist individuell sehr verschieden. Und hängt eng damit zusammen, wie eine Frau bis dahin gelebt hat, welche Einstellung sie zu ihrem Körper hat und wie die Partner miteinander umgehen. In jedem Fall haben Lust und Leidenschaft nicht automatisch eine Altersgrenze.

BRIGITTE-woman.de: Was kann Frauen die Lust auf Sex verderben?

Dr. Ulrike Brandenburg: Frauen, denen in den Wechseljahren heftige Beschwerden wie starke Hitzewallungen und depressive Verstimmungen zu schaffen machen, haben natürlich oft weniger Lust auf Sex. Unabhängig vom Klimakterium können Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Probleme mit der Schilddrüse oder Rheuma das sexuelle Erleben beeinträchtigen. Starke Auswirkungen auf die Sexualität haben auch manche Krebsbehandlungen, insbesondere die Chemotherapie. Darüber wird viel zu wenig gesprochen.

BRIGITTE-woman.de: Und wie ist es bei Männern? Warum haben Sie keine Lust auf Sex?

Dr. Ulrike Brandenburg: Manche leiden unter Erektionsstörungen und ziehen sich aus Scham völlig zurück. Ursachen dafür können beispielsweise Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch der normale Alterungsprozess sein. Ein solcher Zusammenhang sollte immer von einem Arzt abgeklärt werden.

BRIGITTE-woman.de: Ist auch Sorge um die Gesundheit im Spiel?

Dr. Ulrike Brandenburg: Ja, nach einem Herzinfarkt haben Betroffene oft – unnötigerweise – große Angst, dass Sex zu einem erneuten Infarkt führen könnte, und sind deshalb übervorsichtig. Den Arzt zu fragen, trauen sie sich aber aus Scham nicht. Auch Prostatakrebs kann die Sexualität beeinträchtigen. Viele Männer haben nach einer radikalen Prostataoperation Potenzprobleme. Chronische Schmerzen sind ebenfalls immer Lustkiller, und Depressionen nehmen nicht nur die Lust am Leben, sondern auch am Sex. Doch gegen die meisten dieser Probleme lässt sich etwas tun.

Wichtig ist, offen über die Probleme zu reden.

BRIGITTE-woman.de: Zum Beispiel?

Dr. Ulrike Brandenburg: Chronische Schmerzen lindert eine spezielle Schmerztherapie. Manchmal helfen bei gesundheitlich bedingter Lustlosigkeit Medikamente. So lassen sich zum Beispiel heftige Wechseljahrsbeschwerden durch pflanzliche Präparate oder eine vorübergehende Hormonersatztherapie mildern. Viele Paare profitieren –wenn der Mann Erektionsprobleme hat – von Potenzmitteln. Das muss im Einzelfall besprochen werden. Wichtig ist, offen über die Probleme zu reden, mit dem Partner oder der Partnerin ebenso wie mit dem behandelnden Arzt. Neben medikamentösen Möglichkeiten ist die Sexualtherapie eine wichtige Option, die vielen Paaren helfen kann.

BRIGITTE-woman.de: Oft müssen Medikamente eingenommen werden. Können sie zusätzlich noch die Lust auf Sex mindern?

Dr. Ulrike Brandenburg: Arzneimittel haben einen großen Einfluss auf das sexuelle Empfinden, bei Frauen ebenso wie bei Männern. Psychopharmaka, vor allem Antidepressiva, aber auch Mittel gegen Bluthochdruck, Betablocker und Lipidsenker, Antirheumatika sowie Kortisonpräparate haben nicht selten unangenehme Nebenwirkungen. Sogar Mittel gegen Magen-Darm- Erkrankungen und gegen Epilepsie können manchmal Ursache von sexuellen Problemen sein.

BRIGITTE-woman.de: Medikamente dürfen nicht einfach abgesetzt werden. . .

Dr. Ulrike Brandenburg: . . . einfach so und von heute auf morgen natürlich nicht. Sind Arzneimittel schuld an der Lustlosigkeit, ist immer der Arzt gefragt. Vielleicht ist es möglich, alternativ ein anderes Präparat auszuprobieren, die Dosis zu verringern oder die Zeit der Einnahme zu verändern. Das erfordert medizinisches Gespür, um individuell die optimale Lösung zu finden.

BRIGITTE-woman.de: Und was hilft, wenn zwar die Lust da ist, der Sex selbst aber Probleme bereitet?

Dr. Ulrike Brandenburg: Das kommt natürlich auf die Beschwerden an. Scheidentrockenheit lindern Gleitgele oder– im speziellen Fall vom Frauenarzt verordnet – östrogenhaltige Scheidencremes und -zäpfchen. Bei Bewegungseinschränkungen wirkt ein warmes, entspannendes Bad vorher oft Wunder oder das Einmassieren eines durchblutungsfördernden Hautöls. Manchmal hilft es schon, andere Positionen auszuprobieren. Wer allein keine Lösung findet, sollte sich auf keinen Fall scheuen, bei seinem Arzt oder einer Sexualberatung Hilfe zu suchen. Denn eine erfüllte Sexualität ist nicht nur wichtig für eine glückliche Beziehung, sondern trägt auch zum eigenen Wohlbefinden bei.

BRIGITTE-woman.de: Viele Frauen plagt keine Lustlosigkeit, sie haben im Gegenteil in und nach den Wechseljahren mehr Lust auf Sex als früher.

Dr. Ulrike Brandenburg: Das trifft sicher vor allem auf diejenigen zu, die schon vor den Wechseljahren eine positive und aktive Beziehung zur eigenen Sexualität hatten. Aber auch andere Frauen können mit Anfang, Mitte 50 oder später noch den Spaß im Bett für sich entdecken. Diese Lebensphase bringt eine neue Freiheit und Unabhängigkeit. Viele Frauen kommen zum ersten Mal seit Langem dazu, sich intensiv um sich selbst zu kümmern. Frauen beginnen, Neues auszuprobieren, zu experimentieren, auch beim Sex. Und natürlich fühlen sich viele freier, weil sie sich keine Sorgen mehr um Verhütung machen müssen.

BRIGITTE-woman.de: Was bedeutet das für eine langjährige Partnerschaft?

Dr. Ulrike Brandenburg: Häufig muss die Beziehung neu verhandelt werden. Das ist für die Paare nicht immer leicht. Männer träumen zwar gern von der potenten Frau, aber wenn die eigene Partnerin im Bett auf einmal aktiver ist als früher, fühlen sie sich leicht überfordert. Da hilft nur: miteinander reden, reden, reden.

BRIGITTE-woman.de: Entwickelt sich mit den Jahren also eine reifere Sexualität?

Dr. Ulrike Brandenburg: Auf jeden Fall. Darunter verstehe ich eine offene, neugierige und selbstbestimmte Sexualität. Das heißt, nachdem man 35 Jahre lang gedacht hat, Sex müsse nach Schema F ablaufen, merkt man plötzlich: Ich will eigentlich etwas ganz anderes. Und oft bedeutet das, das eigene Begehren freier und entspannter auszuleben.

BRIGITTE-woman.de: Und wie lässt sich der durch den Alltag verursachten Lustlosigkeit entgegenwirken?

Dr. Ulrike Brandenburg: Vielleicht kann man bestimmte Gewohnheiten verändern: zum Beispiel Zeit für Zärtlichkeiten und Sexualität einplanen, also Sexualität inszenieren und dabei Spiel und Humor Raum geben. Sex darf auch lustig sein. Man darf dabei lachen.

Zur Person: Dr. Ulrike Brandenburg war Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, arbeitete sowohl am Universitätsklinikum Aachen als auch in eigener Praxis. Sie war erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung und anerkannte Expertin auf dem Gebiet der Sexualwissenschaft. Sie verstarb 2010 nach schwerer Krankheit.

Keine Lust auf Sex? Buchtipps:

Elizabeth Davis: Sex in jedem Lebensalter. Orlanda 2007, 250 S., 17,50 Euro Gail Sheehy: Sex und Frauen über 50. Pendo 2007, 480 S., 19,90 Euro Anneliese Schwenkhagen und Katrin Schaudig: Kompass Wechseljahre. Knaur 2007, 206 S., 19,95 Euro

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