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Die neue Lust auf einen Gentleman

Nachdem wir den Männern bewiesen haben, dass wir stark sind, wird es Zeit für Abwechslung: Wir wollen hofiert werden – von einem Gentleman.

Es ist hoffnungslos altmodisch, aber es ist wahr: Ich will neuerdings hofiert werden! Ein Mann, der mit mir zusammen sein will, soll mir den Hof machen. Ich will Blumen. Ich will Schmuck. Ich will die altbewährten Zeichen, eine begehrte Frau zu sein. Kitsch? Ja, sicher, aber schöner Kitsch. Ich will einfach anders behandelt werden als früher.

Ich will Romantik wie im "American Song Book" von Rod Stewart, da schmachtet er im Smoking: "It has to be you..." Vielleicht ist so viel Schmachten jetzt einfach mal dran für mich. Warum? Weil ich immer in Vorleistung gegangen bin, weil ich mir nie zu schade war für den "ersten Schritt". Weil ich so verdammt emanzipiert war, dass ich gar nicht auf die Idee kam, mich zum Tanz auffordern zu lassen. Im Gegenteil, ein Mann, der ganz klassisch auf mich zukam, um mich warb, mich verwöhnen wollte, erschien mir eher lächerlich. Geborgenheit, Zuwendung, Zärtlichkeit, Romantik, diese Worte haben für mich inzwischen einen neuen Klang bekommen. Sie gehören in mein Sehnsuchts-Repertoire an vorderster Stelle.

Einmal von einem Gentleman mitgenommen werden...

Immer stieg der Mann in mein Auto ein, wenn wir ins Theater fuhren. Immer suchte ich die Urlaubsadressen heraus und buchte die Hotels. Na ja, nicht immer, aber gefühlt: wie immer. Ich habe es satt, die Führung zu übernehmen. Und wie verlockend dagegen: mitgenommen werden. Nicht nur von dem, den ich liebe, auch von anderen wohlmeinenden Männern. Einfach, weil es mal was Neues wäre. Und weil alte Wünsche offen sind. Unerkannte alte Wünsche. Geborgenheit zum Beispiel. Die habe ich kategorisch abgewiesen, weil sie mir ziemlich unbekannt war. Was ich heute unter Geborgenheit verstehe, wäre mir einstmals wie Einengung vorgekommen.

Einmal in meinem Leben gab es Umstände, die dazu führten, dass ich für kurze Zeit über die Kreditkarte eines Mannes verfügte. Es war die Hölle. Ich konnte mir kaum etwas leisten. Nicht weil das Konto nicht gedeckt gewesen wäre, sondern weil ich die Karte lieber verschluckt hätte, als sie einzusetzen. Finanzielle Fürsorge eines Mannes - war das nicht fast schon Prostitution?

Oh, mein Gott, wie streng wir damals waren. Streng und abweisend gegen unsere eigene Weichheit und Bedürftigkeit. Das hatte sicher seinen Sinn. Nur so konnten wir die starken, tapferen Alleskönnerinnen werden, die wir nun sind. Berufstätig, unabhängig, stolz und weltgewandt. Es gab auch damals Frauen, die sich den Umweg über die eigene Entwicklung sparten und sich gleich der Fürsorge eines Mannes anheimstellten. Ich sehe sie nun reihenweise gescheitert durch die jetzigen Zeiten stolpern. Kein Job, wenig Unterhalt, absolut desolates Selbstwertgefühl. Nein, da ist es schon besser, damals etwas härter gewesen zu sein. Gegen die Männer und gegen sich selbst.

Aber jetzt - jetzt ist alles anders. Wir müssen uns nichts mehr beweisen. Stark, das sind wir nebenbei. Das ist unsere geringste Sorge. Jetzt können wir in Ruhe schwach sein. Ja, wirklich, das dürfen wir. Männer lieben es, wenn sie uns helfen können, hört man immer wieder. Wenn wir trotzdem stark und eigenständig bleiben, lieben sie es, den Gentleman zu geben. Sie brauchen nur einen dezenten kleinen Fingerzeig, dass es gestattet ist. Schließlich haben wir sie einstmals rüde vom Kneipeneingang weggeschubst, wenn sie uns die Tür aufhalten wollten. Kann ich schon alleine, haben wir bei jeder Gelegenheit gefaucht, wie ein dreijähriges Kind, das aufs Fahrrad ohne Stützräder steigen will.

Jetzt können wir zwar immer noch alles alleine, aber es muss nicht mehr sein. Ich werde gern chauffiert. Ich habe es gern, wenn er im Restaurant bezahlt. Ich würde auch eine Damenkarte ohne Preise nicht mehr gänzlich verurteilen. Ich liebe es, mit Blumen empfangen zu werden. Und kleine Geschenke bringen mich zum Jauchzen. Mut zum Altmodischen. Mut zum Frausein.

Bin ich etwa jetzt, mit über 50, endlich eine richtige Frau geworden? Dumme Frage: Was ist eine richtige Frau? Eine wie im Dreißiger-Jahre-Film, die sich nicht allein in die Öffentlichkeit traut? Die Angst vorm Küssen hat? Und Sex als Klebstoff einsetzt, um geheiratet zu werden? Das alles hatten wir in den Sechzigern ja abgeschafft. Und gleich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Kavaliersallüren waren schwere Delikte. Und Männer wurden Partner auf Augenhöhe, aber damit als Liebhaber tief verunsichert.

Heute ist Zeit für eine zweite sexuelle Revolution, für eine neue Frauenbewegung: Mut zur Weiblichkeit. Wir müssen nicht gleich in Ohmnacht fallen, damit er uns auffangen kann. Aber uns ein bisschen anlehnen, das sollte schon drin sein.

Das Leben mit Männern war beileibe kein Zuckerschlecken. Erst Zungenkuss, dann Fellatio - klar, man war modern und aufgeklärt, aber geschmeckt hat es trotzdem nicht immer. Später dann Schwangerschaft und endlose Diskussionen, wer nachts aufsteht, wenn das Baby zum fünften Mal schreit. Wenn man Glück hatte, war er treu, während der eigene Bauch sich als unbekanntes Universum erwies. Reden konnte man bald besser mit der Freundin, und es hieß: So sind Männer. Immer mehr Dinge kamen auf die So-sind-Männer-Liste. So viele, dass wir sie in Wahrheit schon gar nicht mehr brauchten. Ernährer waren sie nicht, Liebhaber kaum. Romantische Verehrer nur so lange, wie wir sie nicht näher ranließen. Das ganz normale Spiel.

Ein Gentleman muss lieb und schön sein. Und uns guttun.

Jetzt, nach der Paarungszeit, ist die Zeit, die Rollen wieder klassisch zu verteilen. Emanzipation und familiäres Alltagsgeschäft liegen hinter uns. Ein Mann für heute muss nur lieb und schön sein. Uns guttun. Und sich ohne Scheu unserer tiefer liegenden Bedürfnisse annehmen.

Deswegen können wir auch nur die Besten und Klügsten gebrauchen. Denn oberflächliche Komplimente langweilen nicht nur, sie beleidigen auch unseren guten Geschmack und unsere Intelligenz. Sie müssen schon, genau wie die Geschenke, sehr individuell zugeschnitten sein. Wer mir Gold schenkt, ist selbst schuld. Ich trage nur Silber. Oder Weißgold. Oder Platin. Das kann man ja sehen! Und wer, wie neulich geschehen, behauptet, er sehne sich nach meinen schönen blauen Augen, hat auch Pech - ich habe grüne. Und Sehnsucht nach Augen, egal welcher Farbe, lasse ich sowieso nicht gern gelten. Zu abgenudelt, das Thema.

Ein Mann, der mich erfolgreich umwerben will, muss mehr bieten. Old-School-Sitten - schon mal fantastisch. Neulich blieb ich doch tatsächlich so lange im Wageninneren sitzen, bis der mich fahrende Typ um das Auto herumgekommen war, um die Tür zu öffnen. Hatte ich im Film gesehen, war aber eine echte Geduldsprobe, denn ich musste ziemlich lange warten, bis er kapierte, dass nicht die Tür klemmte und ich auch nicht unterm Sitz hing, um nach meinem runtergefallenen Mobiltelefon zu suchen. Auf der Rückfahrt hatte ich schon nicht mehr die Nerven, vor der Beifahrertür stehen zu bleiben und keine Hand zu heben, bis er den Griff betätigte, um sie für mich zu öffnen. Aber im Restaurant hat er mir den Stuhl vom Tisch weggerückt und zierlich unter dem Hintern platziert, während ich mich artig niedersinken ließ. Ein äußerst erotischer Moment!

Ein Gentleman braucht etwas Zeit, ein bisschen Geld und viel guten Geschmack.

Ja, was noch könnte ich mir wünschen, wenn ich hofiert werden will? Nicht schlecht wäre ein Kennerblick auf meine neue Lederhose, nebst der Bemerkung, dass ich mich aber wirklich immer sehr stilvoll kleide. Dazu echtes Interesse für meine derzeitige Arbeit. Echte Bewunderung für meine gelungenen Kinder. Glaubhafte Bemerkungen über mein Jünger-Aussehen nicht zu vergessen. Überraschung mit großzügigem Zeitbudget. Treffliche Idee für eine Kurzreise, der geistreiche Tipp für eine Ausstellung, ein besonderes Theaterstück.

Der werbende Mann braucht also etwas Zeit, ein bisschen Geld und viel guten Geschmack. Das sind die Liebesbeweise der Gegenwart, nachdem sie jahrzehntelang verpönt waren. Jetzt kommen sie wieder gut an, weil sie uns eben nicht ins Frauen-Joch zwingen sollen, in die bescheidene zweite Reihe, in die Ja-Sager- und Erfüllungs-Gehilfinnen-Rolle. Geschenke können uns nicht mehr zur Hausarbeitssklavin machen. Aufmerksamkeit ist nicht mehr die Währung, in der Männer für Gefügigkeit bezahlen. Nein, der verwöhnende Mann von heute ist wahrer Luxus. Den wir uns mit viel einstigem Verzicht auf Weiblichkeits-Getue verdient haben.

Man trägt ja auch wieder Dekolleté. Und lässt viel tiefer blicken als zu unserer Jugendzeit. Logische Konsequenz: Die betont weibliche Frau lässt jede Härte fahren. Der dazugehörige Mann bekommt seinen Platz zurück. Als Eroberer, als Verführer, als Retter - zumindest theoretisch sollte er irgendwie bereit sein, uns aus allerlei misslichen Lebenslagen zu befreien. Kann sein, ich übertreibe und hielte es gar nicht aus, wenn ich mit männlicher Fürsorge derart überhäuft würde.

Dieses Programm hat aber dennoch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Es hält alle untauglichen Typen, die bisher so mein Leben gekreuzt haben, fern. Denen ich eine Krankenversicherung organisieren musste, die mit 40 leider keinen Führerschein besaßen, die seit neun Jahren keine Steuererklärung gemacht hatten, die Messer und Gabel nicht richtig halten konnten, die Abend für Abend maulig von der Arbeit kamen und sich ohne Dankeschön von mir bewirten ließen. Die Liste ist unvollständig, aber die Richtung stimmt.

Ab jetzt geht es anderslang, Männer. Jetzt dürft ihr wieder zeigen, was ein richtiger Mann ist. Wenn ihr vorher ein zweitägiges Benimm-Seminar besuchen müsst - bitte schön, ich muss es ja nicht wissen! Ich bin eine Frau, ich kann gar nicht alles wissen! Und ein kleiner Tipp noch: Ich liebe Cosmea und Jungfer im Grünen - ganz altmodische Blumen!

Buchtipp

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Von Vera Sandberg erscheint im Oktober das BRIGITTE-Buch "Frauen nach der Paarungszeit - Warum wir jetzt so viel wollen und Männer so wenig bieten" (288 Seiten, 16,99 Euro, Diana Verlag)

Text: Vera Sandberg Fotos: Corbis

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