Anzeige

Was ist, wenn ich die Trennung bereue?

Was ist, wenn ich die Trennung bereue?
© Images by Lisa/shutterstock
Sie wollte die Trennung, sie hat sie durchgezogen. Doch als der Ex mit einer Neuen wieder glücklich ist, fängt sie an die Trennung zu bereuen.

Darf ich dir meine Freundin vorstellen? Wir wollen heiraten!" Anja Friedrichs (Name geändert) war nicht auf dieses stechende Gefühl gefasst, das ihr bei diesen Worten ihres Ex-Mannes Ralph quer durchs Herz schoss. Neben ihm in der Hamburger Kunsthalle stand eine Frau, etwas jünger, aber nicht unbedingt attraktiver als sie, und lächelte verliebt. Etwas kochte in Anja Friedrichs hoch, etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Eifersucht? Verletzte Eitelkeit? Neid? "Gratuliere", sagte sie und wollte nur noch weg. "Ich war entsetzt, wie sehr mich das Ganze erschütterte. Wie sehr ich meinem Ex sein neues Glück nicht gönnte. Dabei hatten wir uns auf meinen Wunsch getrennt. Was war los mit mir?"

Etwas ganz Normales. Denn eine Trennung, auch eine gewollte, ist emotional ambivalentes Gebiet, aber sie ist leichter auszuhalten, "wenn es ein Gleichgewicht des Schreckens gibt", sagt die Hamburger Psychologin Heide Gerdts. "Wenn also auf beiden Seiten gleich gelitten wird. Und umgekehrt ist das Kränkungspotenzial natürlich dann am höchsten, wenn man die Alleinlast an der Trennung zu tragen glaubt." Wie Anja Friedrichs nach der unerwarteten Begegnung in der Kunsthalle, als sie sich weidwund nach Hause schlich und der freundliche Anruf von Ralph ein paar Stunden später ihre Stimmung restlos im Keller versenkte.

Die Beziehung wurde langweilig

"Ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass du mich damals vom Hof gejagt hast", sagte er, "ohne dich hätte ich die Kurve nie gekriegt. Aber du warst ja schon immer schlauer als ich." Und dann lud er sie zur Hochzeit ein. Das war das Allerschlimmste, sagt Anja Friedrichs, dieses Gefühl, als habe sie aus grenzenloser Dummheit die Liebe ihres Lebens voreilig in die Wüste geschickt. Erschwerend kam hinzu, dass sie noch immer Single war und befürchtete, es auch zu bleiben. "Mir war, als hätte ich einen Lottozettel zerrissen, auf dem sechs Richtige standen." Bittere Reue, Selbstvorwürfe, all diese kleinen jämmerlichen Gefühle, die gerade deswegen so hartnäckig sind. Wie weggeblasen war die Erinnerung an die Riesenerleichterung vor zwei Jahren, an ihren ersten Abend endlich allein zu Haus! Es war ein unschöner Abschied gewesen, einer, der sich in die Länge gezogen hatte, weil Ralph einfach nicht einsehen wollte, dass es aus war mit der Liebe. Jedenfalls mit Anjas Liebe zu Ralph.

Ein schleichender Prozess, bei dem Alltag, Gewöhnung und Langeweile bewirkt hatten, "dass ich zu jeder Minute meines Lebens sagen konnte, was als Nächstes passiert", sagt die 49-jährige Physiotherapeutin, "nach der Arbeit ein leichtes Essen, Fernsehen bis zu den ,Tagesthemen', im Schnitt zweimal im Monat Sex."

Wie oft hatte sie sich über sein Phlegma geärgert, sein dahingemurmeltes "wird schon". Die letzte Steuernachzahlung hatte sie 867 Euro Säumniszuschlag gekostet, weil er vergessen hatte, das Geld zu überweisen. Der Riesenwasserschaden, weil er in der Badewanne eingeschlafen war. Dieses ewig Unpünktliche und Nachlässige, das sie, die Überpünktliche und Zuverlässige, schließlich kaum noch ertragen konnte. Immer häufiger sprach sie von Trennung, lange hatte er sich gesträubt. "Ich lieb dich immer noch, daran ändert auch eine Scheidung nichts", waren seine Abschiedsworte.

Danach sahen sie sich nur noch sporadisch. Gemeinsame Kinder gab es nicht, das vereinfachte das Leben. "Eigentlich spielte er keine Rolle mehr", sagt Anja Friedrichs. Und verstand deshalb nicht, warum sie sein neues Glück so umtrieb. Sie auf einmal so unzufrieden machte. "Warum nehme ich es ihm übel, dass es ihm ohne mich ganz offensichtlich besser geht als mit mir?", fragte sie sich. "Das ist so kleinlich, das passt gar nicht zu mir."

© Brigitte

BRIGITTE-Dossier "Gehen oder Bleiben?"

Wie gehen wir mit Beziehungskrisen um? Wann ist eine Trennung sinnvoll? Warum trennen sich Frauen anders als Männer?Diese und weitere Fragen beantworten wir in unserem Dossier "Gehen oder Bleiben?". Hier findest du hilfreiche Informationen rund um das Thema Beziehungen in der Krise. 

Unser kostenpflichtiges PDF kannst du zu Hause auf dem Laptop oder unterwegs auf dem Smartphone lesen und direkt starten.

Jetzt entdecken

Die Trennung hatte gute Gründe

Ja, sie sind kleinlich, aber auch sehr menschlich, diese gemischten Gefühle, mit denen wir zu kämpfen haben, wenn der Mann, den wir nicht mehr wollten, sein Glück woanders findet. Es ist dieser "Ich will den Pullover nicht mehr, aber eine andere soll ihn auch nicht tragen"-Nadelstich, wenn er mit unserer Nachfolgerin plötzlich zu dem Mann wird, den wir ganz toll finden und unbedingt zurückhaben wollen. Weil eine ungerechte Göttin aus dem Kratzepulli, den wir ohne Bedauern ausgemistet haben, einen superschönen Kaschmirpullover gemacht hat. Leider einen, der jetzt einer anderen so gut steht. "Man nennt dies eine illusionäre Verkennung", sagt Heide Gerdts, "man hat etwas losgelassen, was wahrscheinlich unwiederbringlich ist. Es jetzt zurückzuwollen heißt verkennen, dass es ja nur deshalb weg ist, weil man es nicht mehr wollte." Leichter gesagt als gefühlt. Denn nie erscheint der Ex strahlender und attraktiver, als wenn eine andere ihn begehrt. Wenn er nichts mehr von uns will. Unerreichbar ist.

"In dieser Phase der Selbstgeißelung ist es wichtig, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass diese Trennung gute Gründe hatte hatte", sagt Gerdts, "sie war in den allermeisten Fällen notwendig und wichtig. Also muss das Negative, das zu ihr geführt hat, immer wieder herangeholt werden. Bildhaft und sinnlich. All das, worüber man sich geärgert hat und woran man verzweifelt ist."

Sich trennen heißt trauern. Um den Verlust und das Scheitern

Anja Friedrichs hat es versucht. Aber es dauerte, bis sich vor ihrem inneren Auge nicht immer wieder der neue, innen und außen optimierte Ralph vor den alten Schnarcher auf dem Sofa schob. Sie sich nicht ständig mit Bildern marterte, in denen er und seine neue Liebe all das taten, wozu er sich mit ihr nicht hatte aufraffen können: Wochenendtrips nach Paris und London, spontane Kinobesuche, richtig guten Sex.

"Ich musste mir klarmachen, dass der Ralph, den ich auf einmal wieder so toll fand, durch eine andere, nicht durch mich, so geworden war. Mit mir wäre er der Alte geblieben. Das waren Minderwertigkeitsgefühle der unangenehmsten Art, die ich da bewältigen musste."

Eine schwere Trauerarbeit. Heide Gerdts: "Die zentrale Frage ist ja: Wie gehe ich mit Neid und Kränkung um? Um aus diesem Loch wieder herauszufinden, muss man einen Kummer zulassen, den man als sehr schamhaft besetzt erlebt. Man muss den Verlust betrauern, das Scheitern, die verpassten Chancen. Und man muss sich selbst verzeihen, unter Umständen Weichen falsch gestellt zu haben. Nur so ist man wieder frei für etwas Neues." Die schlimmsten Fehler, wusste schon der Schriftsteller Jean Paul vor gut 200 Jahren, werden gemacht in der Absicht, begangene Fehler wiedergutzumachen. Anja ist nicht zu Ralphs Hochzeit erschienen. Aber sie hat den Jungverheirateten eine Glückwunschkarte geschickt.

Text: Evelyn Holst

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel