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Getrennte Wohnungen Kann das funktionieren?

Getrennte Wohnungen: Frau in Wohnung
© Halfpoint / Shutterstock
Bitte Abstand halten: Unsere Autorin lebt und liebt glücklich in getrennten Wohnungen.
Karina Lübke

Mittlerweile sind mein Freund und ich seit drei Jahren zusammen, wohnen aber getrennt. Vielleicht sind wir gerade deswegen noch ein Paar. Wir teilen Tisch und Bett – mal bei ihm, mal bei mir. Zwischen unseren Adressen liegen zwanzig Minuten Fußweg und jede Menge Herzklopfen. Es zieht uns immer wieder sehr zueinander, zusammenziehen müssen wir deswegen nicht. Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür, wie es in dem Marianne-Rosenberg-Schlager einst hieß – aber es steht eben nicht SEIN Name an meiner Tür. In Zeiten von explodierenden Mieten, Energiekosten und Wohnraumknappheit ist das ein Luxus, das ist uns völlig bewusst. Wir sind es uns wert.

Natürlich sind ein gemeinsamer Haushalt, Kühlschrank, WLAN und geteilte Heiz- und Stromkosten praktischer und preiswerter. Doch wir fürchten beide, die emotionalen Kosten, die durchs Zusammenziehen entstehen, könnten uns noch teurer zu stehen kommen – und letztlich unser Liebesleben ruinieren, zumindest die sexuelle An- und Ausziehungskraft. Das hat kürzlich auch Gwyneth Paltrow bestätigt, seit ihrer Ehe mit Chris Martin überzeugte Botschafterin der „LAT“-Philosophie (Living Apart Together): Vier Jahre lang war sie mit Serienproduzent Brad Falchuck liiert, 2018 haben sie geheiratet, doch erst vor Kurzem sind sie zusammengezogen. Und prompt jammert Gwynnie öffentlich: "Ich habe kein Sexleben mehr!" Das Problem habe es vorher nicht gegeben.

Die Rundumversorgung des Partners ist ein Sex-Killer.

Diese negative Dynamik bleibt nicht nur Prominenten vorbehalten, weiß die Wiener Paartherapeutin Katja Beran: "Definitiv geht es mit der Entzauberung schneller, wenn man sich räumlich auf der Pelle hockt. Erotik entsteht durch eine gewisse Distanz und Unsicherheit – wie ernüchternd, wenn man den Partner 24/7 hautnah miterlebt! Und zwar alles von ihm: vom Schnarchen, seiner Unordnung über Stuhlgang-Gewohnheiten bis zu dem Ritual, sonntags mit Mama zu telefonieren." Zudem würden Frauen schnell mehr oder weniger freiwillig die Fürsorge samt Hausarbeit übernehmen, damit alle es gemütlich haben. Beran: "Die Rundumversorgung des Partners, das weiß man als Frau aus leidvoller Erfahrung, ist ein Sex-Killer. Warum also sich für die paar schönen Stunden den ganzen übrigen Mist einhandeln?"

Auf der anderen Seite steht natürlicherweise der Bindungswunsch. Vor allem junge Menschen in der heißen Phase von Heiratswut, Kinderwunsch und Hausbau haben den Drang, zusammenzuziehen. Es ist ja auch herrlich, eine Weile zumindest: So viel Wir-Gefühl, Optimismus – und so wenig Vorstellung von den Problemen, die sich daraus ergeben, jahrzehntelang in permanenter Ruf- und Griffbereitschaft des anderen zu liegen. Denn spätestens nach drei Jahren möchte man morgens als Erstes lieber einen starken Kaffee und keinen harten Penis, der sich auffordernd an einen drückt, weil man praktischerweise sowieso im gleichen Bett ist.

Ich kenne genug lang verheiratete Freundinnen, die von einem eigenen Schlafzimmer träumen, was von ihren jahrzehntelangen Beischläfern aus Verlustangst vehement abgelehnt wird – obwohl in der Wohnung Platz genug wäre. Beim Zusammenleben schwinden automatisch Rückzugsmöglichkeiten und Spielräume.

Meinem Freund bin ich zum Beziehungsglück in einem Alter begegnet, in dem jeder von uns seine Geschichte, Macken und Angewohnheiten hat – ich zudem 20 Jahre Ehe, Kinder und Familienleben. Nun genieße ich die Freiheit, in meiner eigenen Wohnung tun und lassen zu können, was immer ich will, ohne auf Ansprüche anderer reagieren zu müssen. Im Zusammenleben spüre ich als Seismografin in meinem Körper sämtliche Stimmungen und (An-)Spannungen um mich herum, leide darunter und versuche automatisch, diese aufzulösen und auszugleichen. So wurde es mir – wie vielen Mädchen – als Verpflichtung anerzogen. Wie beim Yoga und der Meditation brauche ich einen stillen Schutzraum um mich herum, um mir zu erlauben, ganz nach innen zu gehen, ungestört meinen Gedanken nachzuhängen und einfach bei mir zu Hause zu sein. Die Luft bei mir ist immer rein. Nein, ich will mich nicht mehr in Kompromissen einrichten! Ich bin auch nicht mehr so jung und idealistisch zu glauben, dass die Liebe allein schon alles (ein)richten wird.

Von pink zu taubengrau ?

Das erfuhr auch die US-Schauspielerin Lena Dunham, deren Beziehung nach sechs glücklichen Jahren am Zusammenziehen scheiterte. Dunham träumte von einem Traumhaus in "heruntergerocktem Glam", ihr Freund "fürchtete sich vor Staub". Jedes Mal, wenn sie auf seine Bitte eine pinkfarbene Wand taubengrau überstrich, sei ihr "kotzübel" geworden, berichtete Dunham. Ihr bitteres Resümee: "Liebe hält nicht alles aus."

Muss sie ja auch nicht! Man muss sich nur von der vorherrschenden Meinung lösen, falls man als Paar nicht zusammenziehen wolle, sei das "nichts Richtiges". Die meisten Leute idealisieren wahre Liebe als etwas Symbiotisches, einen Schmelztiegel zweier Persönlichkeiten, die nun ein auf ewig in den Feuern des Schicksalsbergs geschmiedetes "Wir" ergeben. Horror! "In Wahrheit ist die Möglichkeit, sich bewusst auf eigene Bedürfnisse zu konzentrieren, einen eigenen Raum zu bewahren und einzunehmen und – das ist wichtig – gleichzeitig ehrlich in Kontakt und Kommunikation mit dem Partner zu bleiben, das Ticket zu einer stabilen Beziehung. Weil sie nicht in einer Seifenblase der Symbiose schwebt", bestätigt Katja Beran. Sie betrachtet das Getrennt-zusammenleben-Modell als etwas für alters- und beziehungstechnisch Fortgeschrittene, man sollte dafür innerlich gefestigt und selbstbewusst sein: "LAT ist schön, macht aber auch viel Arbeit." Die hohe Beziehungskunst eben.

Statistisch lebt in Deutschland jedes sechste Paar aus Überzeugung in getrennten Wohnungen, wie eine Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft ergab. Auch bei uns ist keine Änderung in Sicht. Mein Liebster und ich haben für Notfälle jeweils Schlüssel für die Wohnung des anderen. Bis wir uns diese Zutritts- und Zugriffsmöglichkeit gewährten, vergingen über zwei Jahre. Dafür wissen wir jetzt, dass der andere sich in Abwesenheit nicht heimlich hineinschleicht, um Schubladen zu durchsuchen. Und dass keiner seine Bude nur behalten will, um den anderen ungestört zu betrügen. Wir respektieren und vertrauen einander, auch auf Abstand. Wenn einer die reale Anwesenheit des anderen wirklich braucht, macht der sich sofort auf den Weg.

Im gemeinsamen Alltag liegen die Nerven oft mal schneller blank

Und während das sexuelle Spannungsfeld flirrt wie eh und je, entschärft das Teilzeit-Zusammenleben viele andere Spannungsfelder: wer seine Sachen wo liegen gelassen hat, wer falsches Zeug eingekauft oder vergessen hat, wer "immer" das Licht an, die Zahnpastatube offen oder die Butter draußen gelassen hat. Und das sind ja nur die Kleinigkeiten. Wenn Kinder dazukommen, wird der gemeinsame Lebensweg oft zur Zeitreise in die Sechziger. Diese Hausfrauenrolle rückwärts will man schon einmal nicht und dann garantiert nicht noch einmal wieder.

So sehr Praktisches dabei im Vordergrund stehen mag: "Letztlich ist es ein Stück weit immer auch eine Schutzstrategie, wenn ein Paar sich für räumlichen Abstand entscheidet", erklärt der Hamburger Paarberater Eric Hegmann. Gerade in der Generation 50 plus würden Frauen in seinen Beratungen auffällig oft den Wunsch äußern, für sich sein zu wollen, während Männer sich eher ein gemeinsames Heim vorstellen können. Im Gespräch würde schnell deutlich, wieso: "Was man in der Vergangenheit als nachteilig erlebt hat, soll vermieden werden", so Hegmann. Die Frau will zum Beispiel nicht mehr ihren Partner umsorgen, der Mann nicht weiter auf sich gestellt sein, er schätzt den Servicecharakter im gemeinsamen Haushalt.

Die Schauspielerin Whoopie Goldberg, 65, hat inzwischen drei Ehen hinter sich. In einem Interview mit dem "NY Times Magazine" sagte sie gerade: "Ich bin allein viel glücklicher. Ich bin frei, mit jemandem so viel Zeit zu verbringen, wie ich mag, ohne mit ihm für immer zu leben oder zusammenleben zu müssen. Ich möchte niemanden in meinem Haus haben." Das nenne ich lebensweise.

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BRIGITTE WOMAN 12/2020

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