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"Dem Kind stabile Verhältnisse bieten"

Die 45-jährige Anne ist Single und überlegt ein Kind aus dem Ausland zu adoptieren. Angela Rawald ist Sozialarbeiterin und arbeitet beim Verein "Eltern für Kinder" in Berlin, der ausländische Kinder vermittelt.

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BRIGITTE-woman.de: Anne zweifelt, ob sie als Single die Verantwortung für ein Kind aus dem Ausland übernehmen sollte. Was raten Sie ihr?

Angela Rawald: Ich verstehe die Lebenssituation von Anne. In unserem Verein denken wir jedoch nicht zuerst an die Wünsche der Eltern. Wir versuchen für Kinder eine passende Familie zu finden. Adoptierte Kinder aus dem Ausland brauchen besonders viel Aufmerksamkeit und stabile Familienverhältnisse. Deshalb vermittelt unser Verein nur an Paare, nicht an alleinstehende Frauen.

BRIGITTE-woman.de: Warum glauben Sie, dass Singles diese Aufgabe weniger gut erfüllen könnten?

Angela Rawald: Zwei Eltern sind doppelt stark. Wer ein Kind aus dem Ausland adoptieren will, muss besonders belastbar sein - für viele Jahre. Diese Kinder bringen schon ein Päckchen mit, wenn sie nach Deutschland kommen. Als Paar kann man sich gegenseitig unterstützen. Das ist zwar heute keine Garantie mehr, aber für uns eine bessere Ausgangsbasis.

BRIGITTE-woman.de: Was haben diese Kinder schon erlebt?

Angela Rawald: Alle Kinder haben Trennungs- und Verlusterfahrungen gemacht. Sie mussten vertraute Menschen und ihre Umgebung verlassen. Das hinterlässt natürlich seelische Verletzungen. Hinzu kommt, dass viele Kinder nach der Trennung mehrere Jahre im Kinderheim gelebt haben. Dort können sie nicht so versorgt werden, wie sie es in der Situation eigentlich bräuchten.

BRIGITTE-woman.de: Worauf müssen sich Eltern einstellen, wenn das Kind in ihre Familie kommt?

Angela Rawald: Die Kinder sind in Deutschland nicht gleich "geheilt". Das ist ein langer Prozess. Aber wir helfen den Eltern dabei.

BRIGITTE-woman.de: Können Sie ein Beispiel nennen?

Angela Rawald: Vielen Eltern freuen sich beispielsweise, wenn die Kinder vom ersten Moment an sehr anhänglich sind und sie umarmen. Dann stellen sie jedoch fest, dass die Kinder andere fremde Personen genauso herzlich umarmen. Was die Eltern zunächst irritiert, hat eine einfache Erklärung. Die Kinder haben im Heim gelernt, zu allen nett zu sein, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie müssen nun lernen, zwischen den Eltern als festen Bezugspersonen und anderen Personen zu unterscheiden. Probleme treten häufig auch in der Pubertät auf. Diese Zeit ist für Jugendliche ohnehin schwierig. Für Adoptierte kommen dann aber noch Fragen wie diese hinzu "Warum wurde ich weggegeben?".

BRIGITTE-woman.de: In unserem Fall ist Anne 45 Jahre alt. Wenn sie sich später mit einem neuen Partner dazu entschließt, ein Kind zu adoptieren - wäre das Alter dann ein Problem?

Angela Rawald: Bei unserem Verein wäre das so. Wir folgen den Empfehlungen der Landesjugendämter. Bewerber nehmen wir bis 45 Jahre an. Generell sollten zwischen Kind und Eltern nicht mehr als 40 Jahre Abstand liegen.

Interview: Bianka Echtermeyer Foto: Angela Rawald

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