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Was wollen uns die Politiker sagen?

Zur Bundestagswahl sind die Straßen wieder gesäumt von Wahlplakaten. Aber was wollen die Politiker mit ihren Bildern und Sprüchen eigentlich vermitteln? Veronika Langguth, Expertin für Körpersprache, hat sich die Wahlplakate genauer angesehen.

Angela Merkel

Was wollen uns die Politiker sagen?
© CDU/ Andreas Herzau by Katinka Krieger Rep.

Das Plakat strahlt beruhigende Zuversicht aus. Das entspricht dem Führungsstil der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihr Gesicht ist nach links ins Bild gerichtet und damit in Richtung Vergangenes. Sie scheint sich gemütlich über eine Balkonbrüstung zu lehnen. Gleichzeitig könnte sie aber auch sofort wieder in Aktion treten: Ihren Blick wendet sie nach rechts oben mit zuversichtlichem Augenaufschlag, das steht für Zukünftiges. Der blaue Hintergrund unterstreicht diesen Eindruck, er wirkt beruhigend und signalsiert Offenheit.

Die Aussage des Wahlplakats und die deutsche Flagge im Hintergrund rufen das Wir-Gefühl der Fußball-WM 2006 in Erinnerung. Außerdem erinnert der Spruch stark an Barack Obamas "Yes we can". Es fragt sich nur: Wer ist hier mit "Wir" gemeint? Die CDU? Die deutschen Wähler?

Das Lächeln von Frau Merkel wirkt konventionell. Auch ihre Augen lächeln kaum mit. Außerdem ist ihr Gesicht so bearbeitet worden, dass sie in ihrem kuscheligen, weißen Pullover fast mädchenhaft zart, nahezu harmlos und unschuldig wirkt. Offenbar ist das so gewollt. Das Bild ist für diesen Slogan zu zahm, zumal Frau Merkel nicht authentisch wirkt. Schade, denn sie kann bei Fernsehauftritten mit ihrer Gestik durchaus ihre Durchsetzungsfähigkeit zum Audruck bringen. Ein leuchtend roter Blazer, eine überzeugende Gestik und Mimik würden glaubwürdiger ankommen.

Wolfgang Schäuble

Was wollen uns die Politiker sagen?
© CDU/Laurence Chaperon

Hier wird der bekannte Slogan gut ergänzt: "...für Sicherheit (warm in Deutschland-Gold) und Freiheit (in offenem Fensterblick-Weiß)". Wolfgang Schäuble sitzt in einem Flieger oder Zugabteil, der Blick durchs Fenster ist angedeutet. Das passt zum Begriff der Freiheit, die Blautöne suggerieren Sicherheit. Auch Schäuble strahlt Kompetenz und Sicherheit aus, denn er informiert sich aktuell. So können die Bürger darauf vertrauen, dass er immer und überall für das Volk die richtige Entscheidung trifft, scheint das Plakat zu sagen. Der Innenminister wirkt bedächtig und vertieft mit nachdenklicher Gestik. Der deutlich sichtbare Ehering signalisiert Treue, das Rot der Krawatte und die Zeitung die nötige Tatkraft. Das wirkt insgesamt sehr glaubwürdig.

Frank-Walter Steinmeier und Ulla Schmidt

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Das Rot der Partei dient auf diesen Plakaten als Hintergrund, ihr Name wirkt zukunftsweisend: Er ist leicht schräg nach rechts oben platziert und in einen stabilen Block gepackt, der zum jeweiligen Protagonisten hinweist. Das wird verstärkt durch die eindeutige, wohl kaum Widerspruch weckende Aussage. Beide Politiker, wird hier suggeriert, werden anpacken.

Nur: Wo und wie packen sie denn was an und in welche Richtung hin? Es fehlt die passende Körpersprache: Beide sind nach links gewandt, also in die Vergangenheit, und schauen den Betrachter ohne weitere Gestik lediglich frontal und freundlich an.

Dabei kommt Frank-Walter Steinmeier grundsätzlich sympathisch und authentisch rüber. Er lächelt - auch mit den Augen – zuversichtlich und Vertrauen erweckend. Das anthrazitfarbene Jackett, das weiße Hemd und der gestreifte Schlips strahlen konventionelle Zuverlässigkeit aus.

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Ulla Schmidt fügt sich mit dem rosa Blazer und dem schwarzen, kaum sichtbaren Shirt farblich gut ins Bild ein. Der dezente und außergewöhnliche Schmuck betont ihre individuelle Persönlichkeit. Ihr Lächeln scheint zu sagen: "Ich glaube an mich, ganz egal, was passiert." Allerdings wirkt es nicht ganz echt, da ihre Augen nicht mitlächeln. Aber da man das nicht anders von ihr kennt, wirkt es wiederum authentisch.

Fazit: Die Aufforderung, am 27. September SPD zu wählen, ist gut gemacht und einprägsam. Text und Bild stimmen aber nicht überein. Bei beiden Protagonisten würde zum Anpack-Slogan eher eine nach rechts gerichtete Körperhaltung mit aussagekräftiger Gestik und entschlossener Mimik passen. Auf diesem Plakat sind leider viele gute Elemente verschenkt – es wirkt durch diese Unstimmigkeiten nicht wirklich glaubwürdig.

Guido Westerwelle

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Bei diesem Plakat wiederholt sich sehr geschickt die Deutschlandfahne im Sloganfeld. Mit "Deutschland" sind wir alle gemeint, vertreten durch lächelnde Anhänger verschiedener Altersstufen. Alle lächeln, so muss auch der Betrachtende mitlächeln.

Und natürlich lächelt auch Guido Westerwelle strahlend und direkt den Betrachter an. Er ist zuversichtlich nach rechts gewandt, also in die Zukunft, und fällt durch seine Körpergröße auf. Er nimmt ein Bad in der Menge im Oberhemd bekleidet und zeigt so, dass er sich stellt und (an-)fassbar ist. Die Dame im Vordergrund scheint ihn geradezu anzuhimmeln. Die blau gestreifte Krawatte unterstreicht konservative Kompetenz. Die Streifen wiederholen sich in der Bluse der Dame rechts im Bild. Sie schaut als Einzige außer dem Bundesvorsitzenden die Wähler auffordernd an, so als würde sie sagen: "Du gehörst doch auch zu uns und glaubst an ihn, oder?" Zudem signalisiert die ins Haar geschobene Brille Unterstützung. Sehr stimmig gewählt sind die vorwiegend blauen, pastellfarbenen und zum Slogan passenden Farben. Das Plakat suggeriert: Der selbst- und siegesbewusste Alleskönner genießt die volle Unterstützung des Volkes. Jede weitere Gestik wäre überflüssig. Absolut positiv, gelungen und glaubwürdig.

Cornelia Pieper

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Das strahlende und selbstbewusste Lächeln von Cornelia Pieper ist zwar glaubwürdig, aber insgesamt wirkt das Plakat zu bunt und dadurch billig. Der dezente Halsreif mit der kleinen Perle sieht kostbar aus, das kann symbolisch für bessere Bildung stehen. Doch die Farbe des Lippenstifts ist viel zu knallig und beißt sich mit dem Rot der Deutschlandfahne. Hätte man für den Blazer ein dunkleres, stimmiges Blau gewählt, käme mehr Ruhe ins Plakat. Der Slogan "Bessere Bildung..." ist zwar passend, aber der Schriftzug "Bessere" ist zu dicht am Haar von Frau Pieper platziert und wirkt so hineingequetscht. Auch der Slogan in gelber Schrift auf gelbem Hintergrund geht unter. Mehr Ruhe und Kompetenz würde das Plakat ausstrahlen, wenn wie in dem Westerwelle-Plakat unten ein Feld mit dem erweiterten Slogan und der wiederholt auftauchenden Deutschlandfahne platziert wäre. Ein gut gewählter Slogan, eine authentische Ausstrahlung der Protagonistin – aber alles andere leider schlecht umgesetzt.

Claudia Roth und Cem Özdemir

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Diese Plakate sind nicht nur gleich gestaltet, sondern haben auch denselben gut gemachten und zum Ausdruck der Portraits passenden Slogan. Sie vermitteln dadurch einen hohen Wiedererkennungs- wert. Beide Protagonisten wirken glaubwürdig, denn sie schauen den Betrachter frontal an und die Augen lächeln hier mit. Bei beiden wirken die Augen ausdrucksstark durch die großen Pupillen (wissenschaftlich erwiesen: sympathisch bis sexy) und die Beleuchtung wirkt positiv durch einen Lichtfunken im oberen rechten Viertel der Augen.

Das Lächeln von Cem Özdemir ist leicht verschmitzt, aber dennoch entschieden. Das Blau seines Hemdes signalisiert Vertrauenswürdigkeit, die dunkle Anzugsjacke Korrektheit.

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Frau Roths Lächeln ist dagegen strahlend, ihre Augen und die Stellung ihrer Augenbrauen drücken außerdem Durchsetzungsfähigkeit aus. Mit dem goldenen Halsschmuck zeigt sie Stil, der lilafarbene Blazer aus robustem Stoff wirkt aktuell und das Material steht für Alltagsnormalität. So werden hier geschickt unterschiedliche Wählerschichten angesprochen.

Das angenehme Hintergrundgrün passt natürlich zur Parteifarbe, und der - fast wie ein Heiligenschein wirkende - Lichtschein hinter den beiden Darstellern unterstreicht die Eindeutigkeit des Slogans sowie die visuelle Direktheit der beiden. Sehr gut gemacht und absolut glaubwürdig.

Gregor Gysi und Oskar Lafontaine

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Auch diese beiden Plakate sind ähnlich gestaltet: das Rot der Linken als Hintergrund, der Name der Partei zukunftsweisend schräg von links nach rechts platziert. Die individuellen Aussagen stehen hier geschickterweise oben. Beide Protagonisten unterstreichen in einer gedachten Diskussion ihre jeweilige Aussage durch die zukunftsgerichtete Blickrichtung, den sprechenden Mund und die individuelle Gestik. Gregor Gysi ist der Temperamentvollere mit engagierter und gleichzeitig freundlicher, nahezu begeisternder Mimik. Er gestikluiert mit der Linken, der "Gefühls"-Hand. Auch der offene blaue Button-Down-Hemdkragen unterstreicht Vertrauenswürdigkeit. Das passt zum Inhalt der rechts platzierten Worte, die wie ein Aufruf wirken. Der dunkelblaue Anzug und die hervorblitzende goldene Uhr zeigen als Gegengewicht seine Anpassung an Konventionen.

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Oskar Lafontaine wirkt dagegen eher wie der Nachdenkliche. Die rechte Hand - "Intellekt"-Hand - macht eine erklärende und entschiedene Geste. Sein Augenausdruck ist mitfühlend-auffordernd, was durch seine von links nach rechts gewandte Haltung verstärkt wird. Die leicht schräge Kopf- und Körperhaltung ist typisch für ihn. Der dunkelblaue Anzug, das hellblaue Hemd und der mit Rauten gemusterte Schlips drücken Korrektheit und Verlässlichkeit aus. Seine ernste, aber nicht unfreundliche Mimik erlaubt besonders durch den Augenausdruck und den nur leicht geöffneten Mund kaum einen Widerspruch seines unsichtbaren Gegenübers.

Der Hinweis auf die – in der Formulierung geschickt gewählte - Internetseite unter den Zitaten soll die Wähler nachhaltig intellektuell, weil argumentativ ansprechen. Insgesamt sehr überzeugend.

Veronika Langguth ist Expertin für Körpersprache.

Text: Veronika Langguth Wahlplakate: CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke

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