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Was lässt Ihr Herz springen?

Herzklopfen ist was für Schulmädchen? Herzklopfen ist was für frisch Verliebte? Ach was! Schließlich sind es nicht nur die Männer, die unsere Herzen schneller schlagen lassen.

Das teure Bild kaufen

4.000 Euro für ein Kunstwerk!

Ich sitze in unserem bayerischen Wohnzimmer, einen Kunstkatalog auf den Knien. Ich mache das gern, in Katalogen schmökern, träumen: ein alter Stich. Eine moderne Grafi k. Eine romantische Bergkette. Ich blättere um. Und höre Trommeln: Da dum. Da dum. Vor mir tanzt ein Swasi-Krieger. Ich sehe die Farben. Die Hitze. Die Bewegung. Und sehe so viel mehr als den Tänzer. Mein Mann ist in Swasiland aufgewachsen, dort haben wir uns kennen gelernt, immer wieder sind wir dorthin gefahren. Und dieser Künstler hat all meine Gefühle in ein Bild gebannt.

"Sollen wir? Sollen wir das Bild kaufen?", frage ich meinen Mann. Wir entscheiden: ja. Einen Abend lang jubelt mein Herz. Am nächsten Morgen sagt mein Kopf: nein. 4000 Euro soll es kosten. 4000 Euro für ein Kunstwerk. Für das Geld könnten wir mit unseren zwei Kindern nach Afrika fl iegen, einmal wieder seine Familie besuchen. Ich lege den Katalog beiseite. Ein paar Tage später gehe ich dann doch in die Ausstellung. Und bleibe Ewigkeiten dort. Mein Swasi-Tänzer ist wunderschön.

Herzklopfen: Siegt die Vernunft?

Sollen wir doch? Wie so oft siegt die Vernunft. Dann ist die Ausstellung beendet. "Niemand hat es gekauft", sagt die Kuratorin, die ich auf das Bild anspreche. Ich rufe meinen Mann an: "Das Bild ist noch da, es ist noch da!" Mein Herz schlägt wie die Trommeln in Swasiland, wild und heftig. Wir rufen den Besitzer an, machen ihm ein Angebot – ein bisschen niedriger, aber immer noch ein hoher Betrag. Egal. Jetzt ist es unser Bild.

Für eine Zeitung schreiben

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Meine Bewerbung ist ein Stück von mir.

Wenn ich das Praktikum bekomme, dann ändert sich mein Leben: Weil ich mich ohne Druck ausprobieren kann – schlicht, um zu lernen und eine neue Erfahrung zu machen. Ich wähle die Nummer der Zeitung, an die ich meine Bewerbung geschickt habe, vor Wochen schon. Die Zusagen müssten längst raus sein. Also kann es nur...

Der Mann am anderen Ende der Leitung sagt: "Alle Zu- und Absagen sind längst draußen. Da sind Sie wohl zwischen die Stühle gerutscht." Mein Traum - entgleitet. Ich soll warten, sagt er, er prüfe das. Ich höre ihn kaum. Warte. Mit Bangen im Bauch. Weil meine Bewerbung ein Stück von mir ist. Meine Kurzgeschichten - das bin ich. Und jetzt?

Herzklopfen: Ich will springen, hüpfen, tanzen.

Zwischen die Stühle gerutscht. Ich schaue aus dem Fenster, auf den Schulhof, der an meine Wohnung grenzt, die Sonne scheint, Kinder spielen, rufen, lachen. "Die ,taz' will Sie", sagt er. Schreiben. Endlich schreiben. Zwei Monate lang. Ich will springen, hüpfen, tanzen. Ich gehe ins Eiscafé, gönne mir Kühle für mein flatterndes Herz.

Einen neuen Job anfangen

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Ich will nicht mit zu hohen Erwartungen kommen.

Es gibt Orte, an die passt man nicht. Das ist wie in einer Partnerschaft, in der sich zwar beide Mühe geben, aber es klappt einfach nicht. So erging es mir in einer Pfarrei, also habe ich nach den vereinbarten drei Jahren gekündigt. Dann, ein Anruf: Ob ich zu einem Vorstellungsgespräch ins Ansverus- Haus kommen möchte? Das Ansverus-Haus ist ein Haus der Stille vor den Toren Hamburgs. Ich kenne das Haus, mag es gern. Und doch fahre ich fast emotionslos dorthin. Mit dem Herzen bin ich nicht dabei. Ich will nicht mit zu hohen Erwartungen kommen.

Ich will nicht enttäuscht werden. Und ich habe Angst zu scheitern – wieder zu scheitern. Das Bewerbungsgespräch ist angenehm, tief und konstruktiv. Und doch: Zuversicht und Euphorie bleiben aus. Auch, als wir gemeinsam durch das Haus gehen. Es ist schön. Aber in meinem Inneren spüre ich nichts. Irgendwann stehen wir in der Krypta: An der Wand ein schlichtes Kreuz, davor ein Altar, der Boden aus Schiefer, die Wände gewaschener Beton. Ich spüre mein Herz. Und weiß: Hier gehöre ich hin.

Ansverus-Haus

Herzklopfen: Hier gehöre ich hin.

Ich will nicht enttäuscht werden. Und ich habe Angst zu scheitern – wieder zu scheitern. Das Bewerbungsgespräch ist angenehm, tief und konstruktiv. Und doch: Zuversicht und Euphorie bleiben aus. Auch, als wir gemeinsam durch das Haus gehen. Es ist schön. Aber in meinem Inneren spüre ich nichts. Irgendwann stehen wir in der Krypta: An der Wand ein schlichtes Kreuz, davor ein Altar, der Boden aus Schiefer, die Wände gewaschener Beton. Ich spüre mein Herz. Und weiß: Hier gehöre ich hin.

Ansverus-Haus

Ballett tanzen

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Meine Eltern haben das nie erlaubt.

Freude. Unsicherheit. Aufregung. Angst. In mir hüpfen die Gefühle wild und wirr durcheinander. Weil ich gleich etwas machen werde, was ich mir schon als kleines Mädchen so sehr gewünscht habe. Weil ich nicht weiß, ob es ein Traum bleiben wird und ich zu lange gewartet habe. Schon als Zwölfjährige habe ich Walzer getanzt, rechtsrum, linksrum. Aber nie Ballett. Das hatten meine Eltern nicht erlaubt.

Erst mit 58 folge ich den anderen an die Stange. Stehe in angespannter Erwartung. Lausche den Anweisungen der Lehrerin. Beobachte. Dann bewege ich mein Bein, den Fuß, vorsichtig, ganz vorsichtig. Meine Güte macht das Spaß! Ich nehme tatsächlich an einer Ballettstunde teil! Und weiß: Das ist meins.

Herzklopfen: Ich bewege den Fuß ganz vorsichtig.

Einen Ferrari kaufen

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Rot und schnittig - das ist er.

22 000 Euro. Das ist mein Budget. Mehr darf er nicht kosten. Und wenn jemand mehr bietet? Ich will ihn haben. Ich träume schon so lange von einem Ferrari Dino 208 GT, rot und schnittig, klassisch und schön. Und viel zu teuer. Zumindest bis heute. Denn den Kleinen da vorn auf der Bühne könnte ich mir leisten – wenn mir niemand in die Quere kommt.

Ich liebe schnelle Autos. Diese Freiheit, wenn man darin sitzt. Und die überraschten Mienen, wenn ich aussteige, klein, zierlich, nicht mehr ganz jung. Jetzt sitze ich hier, in der ersten Reihe, ein weißes Schild mit schwarzen Ziffern in der Hand. Ich fühle mich wie auf der Achterbahn, rauf- und runterhüpft mein Herz. Wie schnell das geht! 15 000, 16 000, 17 000. 18. "18 zum Ersten, zum Zweiten, zum . . . " Schild hoch. "19 zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten." – "Er gehört Ihnen", sagt der Auktionator.

Herzklopfen: Wie auf der Achterbahn

Das Grab der Mutter besuchen

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An meine Mutter kann ich mich nicht erinnern.

An meine Mutter kann ich mich nicht erinnern. Sie starb 1943, als ich drei Jahre alt war. Aber ich wusste, dass sie auf dem Deutschen Friedhof in Dzierzoniów begraben liegt, dem früheren Reichenbach. Und doch hat es 64 Jahre gedauert, bis ich zu ihr gefahren bin. Wir sind zu dritt: mein Mann, Marleen – eine polnisch sprechende Studentin von dem Verein Heimatreise* – und ich. Wir stehen vor dem Friedhof, drücken die schwere Eisenklinke – doch das Tor geht nicht auf. Aufgeben? Dafür bin ich zu weit gereist. Und dafür habe ich zu lange auf diesen Moment gewartet. Langsam umrunden wir den Friedhof.

Auf der Rückseite ist ein Teil der Mauer eingestürzt und gibt den Blick frei auf alte Grabsteine, Birken, Sträucher und Gebüsch. Der Friedhof sieht aus wie eine Parklandschaft, verfallen zwar, aber auch in großer Würde gealtert. Vorsichtig klettern wir über die Mauersteine. "Dürfen wir das überhaupt?", denke ich. Aber mein Verlangen ist so groß, dass nichts anderes zählt. Gleich nach dem Mauerdurchlass trennen wir uns. Ich gehe allein die Grabreihen ab, ganz ruhig, ganz langsam. Ich versuche, die Grabinschriften zu entziffern, zupfe hier und da ein bisschen Efeu. Dann bleibe ich stehen. In mir: eine tiefe Wärme. So nah wie in diesem Moment war ich meiner Mutter noch nie. "Ich bin da", sage ich. "Ich habe es geschafft." Ihr Grab muss ich gar nicht mehr finden.

Herzklopfen: So nah wie nie

Heimatreise ist ein Projekt der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder: Polnisch sprechende Studenten begleiten Deutsche zu ihren Wurzeln in Polen. weiterlesen

Text: Madelen Ottenschläger Illustrationen: Caroline Ronnefeldt

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