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Fotos: Verschwunden in Argentinien

Argentinien ist Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Welche Wunden die Militärdiktatur in diesem Land hinterlassen hat, zeigt ein bewegender Fotoband.

Für viele argentinische Autoren, die sich derzeit auf der Frankfurter Buchmesse präsentieren, sind die Militärdiktatur und ihre Folgen das große literarische Thema. Von 1976 bis 1983 regierte eine Militärjunta um General Jorge Rafael Videla das südamerikanische Land. 30.000 Menschen sind in dieser Zeit verschwunden. Militär und Polizei verfolgten Studenten, Intellektuelle und Oppositionelle. Sie wurden entführt, gefoltert, ermordert. Die Opfer verscharrte man in Massengräbern. Teilweise wurden sie betäubt aus Flugzeugen über dem Río de la Plata abgeworfen. Viele Angehörigen wissen bis heute nicht, wie ihre Verschwundenen ums Leben kamen.

Welche Leere entsteht, wenn Menschen so unvermittelt aus ihrem Leben gerissen werden, zeigt das Fotoprojekt des Argentiniers Gustavo Germano. Er suchte in Familienalben von Verschwundenen aus seiner Heimatregion Entre Ríos nach alten Fotos und stellte sie rund 30 Jahre später nach. Seine Bilder machen auf ebenso einfache wie eindringliche Weise bewusst, wie der Terror der Militärdiktatur Familien und Freundschaften zerstörte. So wie bei Laura Cecilia Méndez Oliva.

Verschwundene: Leticia Margarita Oliva und Orlando René Méndez

Die letzte Erinnerung, die Laura Cecilia Méndez an ihre Mutter Leticia hat, liegt fast 30 Jahre zurück. Es ist der 27. Dezember 1978. Ein bewaffnetes Kommando stürmt ihr Haus, Leticia Margarita Oliva wird zusammengeschlagen und fortgeschafft. Ihre Tochter Laura ist damals knapp drei Jahre alt. An ihren Vater Orlando kann sie sich überhaupt nicht erinnern. Er war Mitglied der "Peronistischen Bewegung Montonero", einer Stadtguerilla, die gegen die Militärdiktatur General Videlas kämpfte. Am 21. Oktober 1976 wurde er zusammen mit Laura entführt. Schon auf dem Weg in das berüchtigte Geheimgefängnis "Escuela de Mecánica de la Armada" in Buenos Aires stirbt er. Laura, damals elf Monate alt, landet in einer Kinderkrippe. Tage später findet ihre Mutter das Kind und zieht mit ihr fort: in eine andere Stadt, in die vermeintliche Sicherheit.

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Verschwunden: Raúl María Caire

Am 24. Februar 1973 heiraten Raúl und Luisa. Weil sich Raúl in der linken Peronistischen Jugend engagiert, gerät er ins Visier der paramilitärischen Gruppierung "Alianza Anticomunista Argentina". Ein Jahr nach seiner Hochzeit platzieren Attentäter eine Bombe unter seinem Auto. Er überlebt und taucht unter, seine Frau und die kleinen Söhne Ariel und Adrián folgen ihm in die Stadt Resistencia. Am 2. November 1976 wird die Familie entführt. Nach zehn Tagen Folter wird Raúl María Caire am 13. Dezember im so genannten "Massaker von Margarita Belén" zusammen mit 21 weiteren Oppositionellen von Militärs ermordet. Seine Frau Luisa und die Kinder kommen nach zweieinhalb Monaten frei.

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Verschwunden: Omar Darió Amestoy

Die Brüder Omar und Mario sind mit ihren Familien zum Angeln und Grillen gefahren, als das Foto entsteht. Sie stammen aus einer Familie von Textilhändlern. Omar hat Jura studiert, arbeitet in der Kfz-Zulassungsstelle von Nogoyá und engagiert sich für sozial schwache Familien. Omar, seine Frau María del Carmen Fettolini und seine beiden Kinder, die fünfjährige María Eugenia und der dreijährige Fernando, sterben beim "Massaker der Straße Juan B. Justo" in San Nicolás de los Arroyos. Verübt wird es von Einheiten des argentinischen Militärs, der Bundespolizei und der Polizei von Buenos Aires.

Das Buch

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Verschwunden das Fotoprojekt ausencias von Gustavo Germano mit Texten zur Diktatur in Argentinien 1976 - 1983

Münchner Frühling Verlag 128 Seiten, Klappenbroschur 28,90 Euro

Text: Julia Müller Fotos: Gustavo Germano/privat

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