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"Ihr entziffert mich nicht"

Jessica Schwarz spielte die Hauptrolle in einen Fernsehfilm über Romy Schneiders Leben. Die junge Schauspielerin kam dem Original dabei verblüffend nah.

Ein Taxi rast durch Paris, auf dem Rücksitz krümmt sich eine Frau vor Schmerzen. Es ist Romy Schneider, die deutsch-österreichische Schauspielerin, die in Frankreich zur Filmikone wurde und nun ins Krankenhaus eingeliefert wird - geschwächt von zu vielen Tabletten, ausgebrannt von enttäuschter Liebe und ihrer selbstzerstörerischen Suche nach einem Platz im Leben.

Thorsten C. Fischers Fernsehfilm beginnt mit Romy Schneiders dunkelster Zeit, kurz vor ihrem Tod im Mai 1982. "Romy" ist das erste Projekt, das sich dem Mythos Schneider in Spielfilmform nähert. Als bekannt wurde, dass Jessica Schwarz die Hauptrolle spielen soll, wurde viel spekuliert. Ist sie die Richtige? Kann man einer Frau, deren Bild in unseren Köpfen noch so präsent ist, überhaupt in einem Film gerecht werden? "Ihr entziffert mich nicht", soll Romy einmal gesagt haben. Diesem Satz hat sich der Regisseur verschrieben. Sein Film ist eine Annäherung, keine Erklärung. Skizzenhaft erzählt er von Romys Kindheit in Bayern, von einem kleinen Mädchen, das Vater und Mutter selten sieht. Dann ihre erste große Rolle, die Sissi, die sie im Nachkriegsdeutschland zum Star macht und ihr bald wie eine Zwangsjacke erscheint. Später, in Paris, erleben wir eine befreite Romy, die ehrgeizig an ihrer Schauspielkarriere arbeitet und sich mit Alain Delon kopfüber ins Unglück stürzt. Farbige Aufnahmen wechseln sich ab mit nachgestellten Super-8-Sequenzen in schwarz-weiß. Das irritiert, führt aber auch zu intimen Szenen, in denen man meint, die große Diva ganz privat zu erleben.

Die Sehnsucht zu leben und zu lieben

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Für Jessica Schwarz ist die Romy nach Tony Buddenbrook die zweite große, fast überlebensgroße Rolle. Der Druck auf die junge Schauspielerin war schon im Vorfeld enorm – nicht nur, weil ein Konkurrenzprojekt mit Yvonne Catterfeld in der Hauptrolle geplant war, das letztlich an der Finanzierung scheiterte. Sie wurde verglichen und beargwöhnt. "Ich bin zum Mut erzogen worden", sagt Schwarz. Deswegen konnte sie das Angebot nicht ablehnen.

Ihr kleinstes Problem sei das Rauchen gewesen, erzählt sie im Interview. Romy raucht im Film permanent, auch Jessica zündet sich im Gespräch eine Zigarette nach der anderen an. Beim Dreh habe sie bis zu sieben Schachteln rauchen müssen – da sei selbst ihr schlecht geworden.

Ihre Romy ist keine perfekte Kopie. Regisseur und Schauspielerin ging es um eine innere Nähe, nicht um Äußerlichkeiten. Alles über Romy hat Schwarz aufgesaugt, ihre Film und Interviews gesehen, in Bildbänden geblättert, sogar ihr Parfum getragen. Und immer wieder ihr Tagebuch gelesen. So ist der Schauspielerin aus dem hessischen Städtchen Michelstadt Erstaunliches gelungen: Momente, in denen sie eins scheint mit der großen Romy Schneider. Eine Szene im Film macht das besonders deutlich: Ein Kamerateam dreht in Romys Wohnung. Eigentlich geht es um ihren zweiten Mann, den Regisseur Harry Meyen. Er ist nicht da, also posiert die Schneider. Sie führt den Journalisten ihre neuesten Kleider vor, flirtet mit der Kamera, trinkt ein bisschen zu viel und fällt abrupt in sich zusammen.

Als Jessica Schwarz den fertigen Film zum ersten Mal sah, im Büro des Regisseurs, musste sie weinen: "Alles kam wieder hoch. Die ganze Kraft, die in dieser Arbeit steckt." Bei der ersten Pressevorführung in Hamburg verlässt sie den Raum, sobald der Film beginnt. Die Rolle geht ihr nahe, das merkt man. "Die Sehnsucht zu leben und zu lieben" - das sei es, was sie mit Romy Schneider gemeinsam habe, erklärt sie später.

Text: Julia Müller Fotos: SWR

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