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Schwestern Labèque: Wir reißen die Grenzen der klassischen Musik ein

Die Schwestern Labèque wollen beim Schumann-Festival in Düsseldorf "die Grenzen der klassischen Musik einreißen" - im Interview mit BRIGITTE-Redakteurin Simone Rickert erzählen die Pianistinnen, wie sie das anstellen werden.
Katia Labèque (62) und ihre Schwester Marielle (60) treten mit den bedeutendsten Orchestern und Dirigenten der Welt auf.
Katia Labèque (62) und ihre Schwester Marielle (60) treten mit den bedeutendsten Orchestern und Dirigenten der Welt auf.
© Brigitte Lacombe

Man könnte die schönen Pianistinnen glatt für Zwillinge halten, wenn sie sich an zwei Flügeln gegenüber sitzen. Die Schwestern touren durch die ganze Welt, und wollen frischen Wind in den Klassik-Betrieb bringen. Beim Schumann-Festival spielen sie Schumann (natürlich) und – getreu dem Festival-Motto "Romantisiere Dich!" – dazu noch Debussy und Ravel. Katia hat zudem ihre Band "B for Bang" im Schlepptau, mit der sie ein Pop-Programm auf die Bühne bringt. BRIGITTE-woman.de hat mit ihr über die Kraft der ständigen Erneuerung in der klassischen Musik gesprochen – und woher das Geld dafür kommen soll.

BRIGITTE-woman.de: Sie sind ständig in der Weltgeschichte unterwegs? Wo sind Sie eigentlich zu Hause? Katia Labèque: Wir wohnen beide in Rom. Eine grandiose Stadt. Und die Leute! Wir bauen grade ein neues Aufnahmestudio mitten im Zentrum, man muss eine Million Leute um Erlaubnis fragen. Aber jetzt sind wir fast fertig. Zwei Räume gibt’s schon. Da konnten wir immerhin schon für Düsseldorf proben.

BRIGITTE-woman.de: Sie haben eine Stiftung gegründet, die jungen Künstlern die Startphase erleichtert, ein eigenes Platten-Label und nun ein Studio. Müssen Sie alles selber machen? Katia Labèque: Als wir 2007 mit dem Label angefangen haben, merkten wir, dass es viel angenehmer ist, auch in den eigenen Räumen aufnehmen zu können. Das Studio wird auch ein Platz für alle Künstler sein, die wir mit unserer Stiftung fördern. Dort können sie sich treffen, austauschen und gemeinsam proben.

BRIGITTE-woman.de: Ihr Duo-Programm beim Schumann-Festival lassen Sie mit einem modernen Video untermalen. Katia Labèque: Tal Rosner war der erste Künstler, dem wir mit unserer Stiftung geholfen haben. Er war sehr jung und kam grade aus Israel. Wir haben Tal damals beauftragt, ein Video zu Strawinsky und Debussy zu machen. Es war sein erster bezahlter Job. Daraus wurde in 18 Monaten Arbeit eine DVD, mit der er seine Arbeit dann auch Museen und anderen Künstlern zeigen konnte. Jetzt hat er schon siebzehn Ausstellungen weltweit, inklusive der Eröffnung der neuen Concert Hall von Frank Gehry in Miami. Er ist ein großartiger Künstler.

Katia Labèque
Katia Labèque
© Brigitte Lacombe

BRIGITTE-woman.de: Kann man davon eigentlich leben? Katia Labèque: Video-Kunstwerke zu machen ist sehr sehr teuer. Wir haben es ihm ermöglicht, dass er sich am Anfang seiner Karriere nicht irgendeinen öden Nebenjob suchen musste. Wir würden ihn gerne weiter unterstützen, aber wir haben für die Stiftung keinen Sponsor. Wir machen alles selbst, Stück für Stück, soviel wir können. Inzwischen unterstützen wir mehrere Künstler und Komponisten. Die Einnahmen aus unseren Konzerten helfen der Stiftung natürlich auch.

BRIGITTE-woman.de: Konzerte und Auftragswerke bringen also das Geld in die Kasse? Katia Labèque: Ja sicher. Darum bin ich so glücklich, dass Düsseldorf ihn diesmal direkt mit dem Schumann-Projekt beauftragt hat. Das Festival hat einen tollen Sponsor. Ich wünschte wir hätten Schwarzkopf auch als Sponsor für unsere Stiftung! Erstens liebe ich die Produkte wirklich, meine Schwester und ich benutzen nur die Schwarzkopf-Colorationen für unsere Haare! Wir wäre die perfekten Botschafter für die Marke (lacht). Das Geld würden wir direkt in die Stiftung geben – das wäre so toll!

BRIGITTE-woman.de: Und wie sieht das Programm beim Festival aus? Katia Labèque: Ich hab keine Idee, wie das Schumann-Video aussehen wird. Wir sehen uns erst kurz vor Düsseldorf, morgens proben wir mit dem Orchester, abends mit Tal. Für mich wird’s auch eine Überraschung, aber ich vertraue ihm grenzenlos! Und für das Konzert "Help! Beatles & Schumann" habe ich mit meiner Band wochenlang an der musikalischen Umsetzung gearbeitet. Es ist nicht ganz ohne, Schumann-Liedern einen elektronischen Sound zu verpassen. Gitarre, Baß, Drums. Jede Nacht bis 4 Uhr morgens. Die Beatles-Songs haben wir dagegen schon oft gespielt. Marielle macht da übrigens nicht mit, sie ist nicht in der Band.

BRIGITTE-woman.de: Aber wie passen denn die Beatles mit Schumann zusammen? Katia Labèque: Es ist interessant, wie viel klassische Melodien gut in Pop-Songs verwandelt werden können. Die Pop-Gruppe Radiohead hat zum Beispiel ganz viel von Schumann übernommen. Leonard Bernstein war ein bekennender Beatles-Fan und hat Schumann-Melodien bei "Got to get you into my Life" entdeckt. Ich finde es nur fair, einem der größten Komponisten aller Zeiten Tribut zu zollen. Zu sehen, dass seine Musik für die Ewigkeit ist, Jahrhunderte durchwandert. Ich finde, es ist ein Zeichen von Größe bei einem Komponisten, wenn seine Musik alle möglichen Arten der Interpretation überlebt. Das ist bei Schumann der Fall.

Marielle Làbeque
Marielle Làbeque
© Umberto Nicoletti

BRIGITTE-woman.de: Die Beatles haben Schumann vermutlich nicht mit Absicht gecovert. Aber Sie trauen sich, Schumann zu modernisieren? Katia Labèque: Im ersten Moment dachte ich: nein, an dem kann ich mich nicht vergreifen. Dann habe ich mich doch rangewagt. Die traurigen Lieder haben mich am meisten inspiriert. Die ganze Band hat zusammen daran gearbeitet. Mit David und Raphaël mache ich alles zusammen, wir sind Co-Leader, ohne sie ginge gar nichts. Es ist nur Zufall, dass mein Name bekannter ist. Die Musik ist so wundervoll, ich bin schon ganz aufgeregt!

BRIGITTE-woman.de: Wie ist eigentlich die Stimmung bei so einem Klassik-Festival? Katia Labèque: Wir waren schon mal beim Schumann-Festival, das ganze Programm dreht sich um Schumann. Uns gefällt die Kreativität, dass das Team dort die üblichen Grenzen einreißen will. Ein Großteil des Publikums kommt aus der Klassik-Welt. Aber allmählich entwickelt sich ein neues Publikum, weil das Festival ständig moderne Projekte aufs Programm nimmt. Ich glaube, das ist die Zukunft aller kreativen Künste. Und sobald man neue Ideen und Projekte starten möchte, braucht man die Hilfe von Sponsoren.

BRIGITTE-woman.de: Ist es mit einem Sponsor im Rücken einfacher, ein Programm anzubieten, das sich abseits des Klassik-Mainstream bewegt? Katia Labèque: Sicherlich. Ich bin Schwarzkopf total dankbar. Und in Zukunft wird Kultur-Sponsoring noch viel wichtiger werden, die Regierungen kürzen ihre ganze Kultur-Förderung immer weiter. Wenn wir keine Sponsoren haben, ist es schwierig, dem Publikum eine neue Art von Konzerten näher zu bringen. Ich liebe "Rhapsody in Blue" und Mozart-Konzerte, aber für mich muss Musik auch experimentell sein und wir müssen mit jungen kreativen Musikern neue Projekte erschaffen. In meiner Band bringen alle neue Ideen ein, jeder denkt ein bisschen anders – das ist der Kern musikalischer Entwicklung!

Text: Simone Rickert Foto: Brigitte Lacombe, Umberto Nicoletti

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