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La Inge

Aus der apolitischen deutschen Fotografin Inge Schoenthal wurde die couragierte linke Verlegerin Inge Feltrinelli, die einen der größten Verlage Italiens aufgebaut hat.

Das Foto ist weltberühmt. Es zeigt einen Schriftsteller, einen gigantischen Schwertfisch und eine junge hübsche Frau. Der Schriftsteller ist Ernest Hemingway, die Frau Inge Feltrinelli, die das Bild mit Selbstauslöser geschossen hatte. Das war 1953 und Inge – damals hieß sie Schoenthal – gerade 22 Jahre alt. Zwei Wochen durfte sie in Hemingways Finca auf Kuba bleiben. Das Entree hatte ihr der Verleger Heinrich Maria Ledig-Rowohlt verschafft, den die engagierte Fotografin in Hamburg kennen gelernt hatte.

Überhaupt war "Inge fotoreporter" (so der Titel eines Fotobandes) frei von Berührungsängsten: Simone de Beauvoir, Henry Miller, Greta Garbo, John F. Kennedy, Gary Cooper, Pablo Picasso – die Größten des 20. Jahrhunderts lichtete die 1930 in Essen geborene Tochter eines Juden ab, der in der Nazizeit ins sichere Ausland emigriert war.

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Heute ist die umtriebige Signora, die gern hohe Absätze und knallig-bunte Farben trägt, selbst ein beliebtes Fotomotiv. Die populärste Verlegerin Italiens hat einen großen Verlag aufgebaut, der auch wichtige deutschsprachige Autoren unter Vertrag hatte: Günter Grass, Max Frisch oder Uwe Johnson. Zum Unternehmen gehört eine Reihe von Buchhandlungen, die über das ganze Land verstreut sind. Feltrinelli kennt in Italien jeder. Auch vor ungewöhnlichen Werbe-Coups schreckt "La Inge", die ebenso viel Mut wie Grandezza hat, nicht zurück. "Was kostet mehr? Ein Kilo Hummer oder ein Kilo Moravia? Ein Kilo Shakespeare oder ein Kilo Spargel?" Mit diesem Slogan wollte die Verlegerin einmal im verkaufsschwachen Juli kiloweise Bücher in ihren Läden verkaufen. Der Coup gelang.

Die Italiener, normalerweise eher Lese-Muffel, griffen zu. Ihre Karriere als Verlegerin begann auf einem Fest. Wiederum war es Ledig-Rowohlt, der Schicksalsgott spielte: Er stellte Inge einen Gast aus Mailand vor, sehr links, sehr reich – Giangiacomo Feltrinelli, erfolgreicher Verleger von Boris Pasternak ("Doktor Schiwago") und Giuseppe Tomasi di Lampedusa ("Der Leopard"). Die Deutsche und der Italiener verliebten sich Knall auf Fall und heirateten 1959 – es war die dritte Ehe des Verlegers. Für sie war die Heirat wie ein Filmschnitt: Aus Inge Schoenthal, Fotografin, wurde Inge Feltrinelli, Verlegerin. "Ich war absolut apolitisch. Nur für meine eigene kleine Fotoreporter-Karriere habe ich mich interessiert", gestand Inge Feltrinelli viel später. "Giangiacomo hat mich aufgeweckt aus meinem Ego-Trip." Mit viel Charme und Geduld kümmerte sie sich fortan um die manchmal ziemlich exzentrischen Autoren.

Eine couragierte und engagierte Verlegerin: Inge Feltrinelli

Für Henry Miller etwa, der zu Besuch in der Feltrinelli-Villa am Ufer des Gardasees war, musste sie unbedingt einen Tischtennis-Tisch herbeizaubern – mal eben so, noch kurz vor dem Abendessen. Doch die schönen Jahre des Verleger-Duos dauern nicht lange: Giangiacomo schließt sich der extremen Linken an und geht in den Untergrund. 1972 kommt er in der Nähe eines Hochspannungsmastes ums Leben – unter bis heute ungeklärten Umständen.

Inge Feltrinelli wird jetzt auch offiziell Chefin des Verlags und stürzt sich in die Arbeit. Sie muss Mitarbeiter entlassen – "für einen linken Verlag ein Skandal" –, aber sie schafft die Kurve: Das Unternehmen expandiert, auch dank der Buchhandlungen. Und dank Carlo, dem Sohn, der – in der Welt der Bücher groß geworden – erfolgreich mitmischt. Heute führt er die Geschäfte, ruhig, zurückhaltend, "sehr unmondän", so Inge Feltrinelli. Für die notwendigen Medien-Auftritte hat er ja seine berühmte Mutter.

Text: Angelika Schmidt-Biesalski<br/><br/>Fotos: Getty Images

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