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Der melancholische Ermittler

Uwe Kockisch spielt einen Mann, den die Frauen mögen: Commissario Brunetti, Donna Leons Krimi-Held aus Venedig. Und man merkt: Auch Uwe Kockisch mag diesen Commissario.

In Interviews fühlt er sich nicht besonders wohl. Andere könnten das besser, sagt Uwe Kockisch im leicht berlinernden Tonfall, amüsant sein und Geschichten erzählen. So viel Zurückhaltung hätte man nicht erwartet von diesem Mann, der in Jeans und Lederjacke zum Gespräch erscheint. Seit 2003 gibt er in den Verfilmungen der Krimi-Bestseller von Donna Leon den Commissario. Zuvor spielte er 20 Jahre lang am Maxim-Gorki-Theater und an der Schaubühne in Berlin, ermittelte als Kommissar Zappek im Ersten und erhielt kürzlich den Grimme-Preis als Hauptdarsteller in Dominik Grafs "Eine Stadt wird erpresst". Trotzdem steht Kockisch, 1944 in Cottbus geboren, nicht gern im Mittelpunkt.

Wenn er aber über Guido Brunetti redet, seinen Commissario, fallen ihm doch Geschichten ein. Zum Beispiel von weiblichen Fans, die ihm Liebesbriefe schicken: "Viele halten mich ja wirklich für Brunetti. Die Frauen, die mir schreiben, sind sehr angetan von diesem Commissario, von seiner Art, mit den Dingen umzugehen. Ich übrigens auch."

Brunetti beeindruckt mich.

Brunetti, Krimi-Held der amerikanischen Autorin Donna Leon, ist ein auf angenehme Art altmodischer Ermittler. Stets tadellos gekleidet flaniert er durch die engen Gassen Venedigs, sinniert über das Gute im Menschen und verzweifelt an der korrupten Gesellschaft. "Er sagt seine Meinung, aber er bewertet andere nicht. Er will die Menschen dazu bringen, durch ihren eigenen Antrieb etwas zu ändern. Das beeindruckt mich", sagt Kockisch.

Der Schauspieler feilt an seinem Brunetti, seit er Joachim Król vor sechs Jahren in der Rolle ablöste. Er spielt ihn zurückgenommen, verzichtet auf große Gesten. Manchmal hadert er auch mit ihm. "Was in den Romanen so ausführlich erzählt wird, können wir einfach nicht in 90 Minuten fürs Fernsehen wiedergeben. Die Filme sind eine Art dramaturgische Verdichtung. Aber ich versuche immer, den Brunetti zu finden, den Donna Leon in ihren Büchern geschaffen hat", erklärt er. Die Verfilmungen sind klamaukiger als die literarischen Vorlagen, Fernseh-Unterhaltung für die ganze Familie eben. Damit tat sich Kockisch anfangs schwer: "Eine Zeit lange habe ich aufgehört, die Romane vorher zu lesen. Weil ich viele Details nicht in den Drehbüchern wiedergefunden habe. Inzwischen sehe ich das etwas gelassener und lese die Geschichten wieder - auch, um mich vor dem Dreh wieder auf Venedig zu freuen."

Donna Leon beschreibt die Stadt, in der sie seit Jahren lebt, in ihren Romanen bis ins kleinste Detail. Inzwischen gibt es sogar Stadtführungen auf den Spuren ihres berühmten Commissarios. Drei Monate im Jahr dreht Kockisch dort, den Rest des Jahres lebt er mit seiner Partnerin in Madrid, ganz in der Nähe des Retiro-Parks. Dort fühle er sich wohler als in Berlin, und Venedig wäre ihm auf Dauer zu anstrengend: "Du kannst nicht ständig so viel Schönheit ertragen, da würdest du blöd werden."

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Richtig aufregen kann er sich über respektlose Touristen. Neulich habe er eine Gruppe Amerikaner zurückgepfiffen, die in kurzen Hosen eine Kathedrale in Venedig besichtigen wollten. Kockisch gibt diese kleine Anekdote nicht wieder, er spielt sie. Ruft laut "Stopp, so kommen Sie hier nicht rein!" und "Das kann ja wohl nicht wahr sein!". Er ist kein großer Erzähler, er ist ein Schauspieler.

Deswegen ärgert ihn auch die häufig gestellte Frage, ob es nicht merkwürdig sei, als Deutscher einen Italiener darzustellen: "Das ist mein Beruf. Als Schauspieler mache ich andere Personen lebendig, egal ob das eine historische Figur wie Richard der Dritte ist, der Oberon aus dem Sommernachtstraum oder eben ein italienischer Polizist."

Und den spielt er mit Leidenschaft. Zwar spricht Kockisch kaum Italienisch, doch ein bisschen Commissario steckt auch in ihm. Als sein Handy klingelt, entschuldigt er sich, geht ran und sagt: "Du, es geht gerade nicht, ich bin im Interview." Und dann kurz und knapp und sehr italienisch: "Ciao."

Text: Julia Müller Fotos: ARD Degeto/Martin Menke

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