Ihre Traumwelt sind die Sagen der griechischen Mythologie. Dort lebt sie unter starken, klugen Frauen und vergisst, wer sie ist: eine magere 15-Jährige. Schwarz. Im Mississippi-Delta, wo sie lebt, bedeutet das: arm und chancenlos. Die Geschichte der Ich-Erzählerin Esch verlangt den Lesern viel ab. Esch lebt mit ihrem Vater und den drei Brüdern in einer baufälligen Hütte. Dem jüngsten ersetzt sie die Mutter, die bei seiner Geburt gestorben ist. Sie selbst sucht Liebe bei den älteren Jungen. Manchmal, während sie wie unbeteiligt eine der flüchtigen Begegnungen erlebt, fragt sie sich, wie ihre Heldinnen jetzt handeln würden. Etwa Medea, die ihre Söhne tötet, als ihr Mann sie verstoßen hat. Esch spürt Anzeichen einer Schwangerschaft. Der Roman schildert die zwölf Tage, an denen der "Jahrhundertsturm" Katrina sich zusammenzog und über den Südosten der USA hinwegraste. Jesmyn Ward zeigt Esch und ihre Brüder wie unter einem Vergrößerungsglas. Wie sie versuchen, ihre Behausung sturmfest zu machen und Vorräte zu besorgen - auch für die Hündin der Familie und ihre neu geborenen Welpen. Wie sie sich in wachsender Angst aneinanderklammern. Daraus entsteht der Funke Hoffnung, der vor dem Verzweifeln rettet. (Ü: Ulrike Becker, 320 S., 21,95 Euro, Kunstmann)Christine Tsolodimos