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Aufrecht durchs Leben

Ein erhobenes Haupt, ein aufrechter Gang und entspannte Schultern - das ist die richtige Körperhaltung für eine positive Ausstrahlung. Und: Verspannungen verschwinden.

Ich bin ein Schildkrötentyp, das ist sofort klar. Ich habe zwar keinen dicken Panzer, was im Alltag manchmal sicher nicht schlecht wäre. Doch mein Kopf ist, ähnlich wie bei den urtümlichen Reptilien, vorgeschoben, der Nacken kurz und geknickt. Und je länger ich vor meinem Computer sitze, desto höher ziehen sich meine Schultern in Richtung Ohren, als wollte der Kopf ganz dazwischen verschwinden, sich unter einen imaginären Schutzschild zurückziehen. Auch ohne Bildschirm bin ich sofort als Schreibtischhockerin entlarvt, als jemand, der ab und zu wirklich nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht.

"Look@yourself" heißt das Seminar. Und das machen wir, zehn Frauen unterschiedlichen Alters, an diesem Samstagvormittag in Zürich. Uns gegenseitig genau betrachten, ohne Häme oder erhobenen Zeigefinger, möglichst wertfrei und tolerant. Komisches Gefühl, die neugierigen Augen fremder Menschen über den eigenen Körper wandern zu sehen. Kein flüchtiger Blick, sondern intensives, exaktes Studieren und Taxieren. Ob Rundrücken, Hohlkreuz oder O-Beine, alles wird registriert. Und dann werden auch noch Fotos gemacht, im Profil. Profil ist nicht gerade meine starke Seite.

Körperhaltung ist ein Zusammenspiel von Innen und Außen

Es geht um Körperhaltung und darum, dass wir oft Schmerzen haben, wenn sie schlecht ist. Und es geht um Körpersprache, um Ausstrahlung, um das, was wir in den berühmten sieben Sekunden, die für den ersten Eindruck zählen, über uns verraten. Um Inneres und Äußeres und wie sie sich gegenseitig beeinflussen, um die magischen Kräfte in diesem Zusammenspiel.

"Aussehen und Ausstrahlung sind ganz direkt mit der Haltung gekoppelt. Eine anatomisch richtige Haltung lässt uns sofort attraktiver und jünger erscheinen", sagt Claudia Larsen, während sie auf den Auslöser ihrer Kamera drückt. Das weiß die 46-jährige Fotografin und Multimedia-Künstlerin nicht nur durch den Blick durch die Linse. Seit langem beschäftigt sie sich zusammen mit ihrem Mann, dem Arzt Dr. Christian Larsen, 52, mit Anatomie, körperlichem Ausdruck, Authentizität und Ästhetik.

Spiraldynamik heißt das Konzept, das der Bewegungsforscher maßgeblich mitentwickelt hat, eine anatomisch begründete 3-D-Gebrauchsanweisung für den Körper. Wer sie beherrscht, so Larsen, verhindert vorzeitige Abnutzung und Schmerzen. Leider sind die meisten Menschen damit ebenso wenig vertraut wie mit der Gebrauchsanweisung ihres DVD-Spielers.

Kaum jemandem ist bewusst, dass alle Bewegungen in unserem Körper spiralförmig verlaufen, nie nur geradlinig vor- und rückwärts, sondern immer auch mit einer Drehung einhergehen. Und dass Voraussetzung für jede Bewegungskoordination ein dreidimensionales dynamisches Gleichgewicht ist, das bereits durch geringe Abweichungen gestört wird. Sind nur drei der 200 Muskelpaare, die unsere Bewegungen steuern, durch falsche Haltung "aus dem Takt", läuft das ganze System nicht mehr rund. Schon kleinste Fehlbelastungen führen dazu, dass einige Muskeln ständig angespannt sind, verspannt, schmerzen, andere selten benutzt werden, sich verkürzen, den Bewegungsradius einschränken. Und die persönliche Ausstrahlung schwächen.

Schnell wird klar, warum mein Nacken so oft verspannt ist, Rücken und Kopf nach stundenlangem Sitzen in immer gleicher Position schmerzen. Es erklärt auch die flache Kurve, die Uschi Bautzmann von Kieser-Training in Hamburg-Eimsbüttel mir nach einem Test meiner tiefen Halsmuskulatur in die Hand drückte: "Beim Strecken ist der Messwert gerade noch in Ordnung", so die Physiotherapeutin. "Aber beim Beugen ist die Muskulatur so kraftlos wie die einer 70-Jährigen." Das ist hart! Im Fachjargon heißt das schlicht Muskelschwäche und Dysbalance.

Extra-Training für die wirbelsäulennahen Muskeln

Um die auszugleichen, müssen die tiefen, wirbelsäulennahen Muskeln gezielt trainiert werden. Vor allem aber muss ich lernen, mich anatomisch richtig zu bewegen, bei allem, was ich tue, sagt Christian Larsen: "Die Arbeit am Computer darf keine Entschuldigung für krumme Schultern sein. Es ist vielmehr eine Herausforderung, dabei täglich mehrere Stunden nebenbei an der Koordination der Schultern zu arbeiten."

Also: "Work@yourself". So heißt das Konzept der Larsens. Eingeschliffene ungesunde Bewegungsmuster erkennen und in anatomisch richtige, gesunde umprogrammieren. Im Nacken- und Schulterbereich gar nicht so schwer. Fehlhaltungen sind hier gut sicht- und korrigierbar. Und sobald der Nacken nicht mehr gestaucht ist, Sauerstoff, Blut und Nerveninformationen wieder ungehindert fließen können, profitiert der ganze Körper.

Deshalb gilt als Basishaltung: Wirbelsäule verlängern, Brust öffnen, Bauch entspannen, Kopf aufrichten, der Nacken ist lang und offen, Kinn und Hals bilden einen rechten Winkel, Ohren und Scheitel sind lotrecht über dem Rumpf, Scheitel nach oben, Kinn nach unten, die Schultergelenke nach hinten rollen und in die Breite - nicht zusammen! - ziehen, die Schulterblätter ruhen entspannt und breit am Rücken, die Schlüsselbeine stehen horizontal und in einer Linie zum Boden. Das ist die anatomisch richtige und gesündeste Körperhaltung. Und die sieht auch am besten aus! Perfekt aufgerichtet, entspannt, elegant, stolz, die Gesichtshaut auf natürliche Weise gestrafft. Wieder klickt die Kamera, wieder im Profil. Unterschiede werden sichtbar.

"Schön ist, wer Haltung bewahrt", sagt Claudia Larsen. "Ein erhobenes Haupt, ein aufrechter Gang und entspannte Schultern - diese drei Dinge sind die Schlüssel für eine positive Ausstrahlung." Und natürlich hat sie auch etwas mit Offenheit und Selbstbewusstsein zu tun. Stimmen innen und außen nicht überein, werden die Widersprüche in unserer Haltung sichtbar. Auch wenn wir es versuchen, unser Körper weigert sich, uns und anderen etwas vorzumachen, er lügt nie, ist authentisch.

Doch statt traurig die Schultern hängen zu lassen und unter einer imaginären Last zusammenzubrechen, können wir die Herausforderungen des Lebens bewusst annehmen, uns aufrichten, durchatmen und kraftvoll zupacken. "Wer sich schön findet, ist auch schön", sagt Personal Trainerin Regina Först. "Die starke Ausstrahlung, nach der man sich sehnt, kommt dann ganz von allein."

Die Korrektur von Fehlhaltungen schenkt neues Selbstbewusstsein

Körperhaltung und Psyche beeinflussen sich wechselseitig. Die Haltung, die wir uns selbst und dem Leben gegenüber einnehmen, spiegelt sich auch in unseren Bewegungen, unserer Standfestigkeit, unserer Aufrichtung wider. Es lohnt sich also, alte Bewegungsmuster zu verändern, neue in den Alltag zu integrieren, beim Haareföhnen, am Schreibtisch, beim Autofahren. Die Korrektur von Fehlhaltungen kann uns eine bisher nicht gekannte Aufrichtigkeit schenken. Neues Selbstbewusstsein, größere Freiräume, einen nie für möglich gehaltenen Bewegungsradius. "Wenn wir die angeborene Bewegungsintelligenz, die in unserem Körper steckt, erleben, werden wir lebendiger", sagt Christian Larsen. "Und durch die Strahlkraft von innen entsteht Schönheit."

Wir glauben es ihm. Der neue Blick auf unseren Körper, den das Seminar uns eröffnet hat, zeigt seine Wirkung. Schon jetzt. Wir sind gewachsen an diesem Tag, ein kleines Stückchen wenigstens. Haben zumindest eine Idee davon bekommen, wie es sich anfühlt, sich entspannt und harmonisch zu bewegen. Noch etwas steif, aber bewusst aufrecht machen wir uns auf den Heimweg. Die Schildkröte hebt den Kopf in den Wind und macht den Nacken lang.

Zum Weiterlesen und -sehen: Christian Larsen und Bea Miescher: "Aufrechter Nacken" und "Starke Schultern", Trias, je 64 Seiten mit DVD, 29,95 Euro Christian und Claudia Larsen: "Körperhaltungen analysieren und verbessern: Look@yourself - work@yourself", Trias, 144 Seiten, 24,95 Euro Christian und Claudia Larsen: "Attraktiver aussehen durch richtige Körperhaltung", Trias, 128 Seiten, 17,95 Euro Infos und Adressen von ausgebildeten Spiraldynamik-Therapeuten unter www.spiraldynamik.com

Schön ist, wer Haltung bewahrt: fünf Übungen

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Schulter entspannen: Im Sitzen ein Theraband (gibt es in Sportgeschäften, Infos: www.thera-band.de) von links unten diagonal über Bauch und Brust über die rechte Schulter ziehen und beide Enden mit dem Gesäß so fixieren, dass das Band gleichmäßig straff gespannt ist. Mit dem Einatmen das Schulterblatt gegen den Zug des Bandes wie auf einer Spiralbahn nach vornoben- innen Richtung Nase bewegen. Mit dem Ausatmen sinkt das Schulterblatt langsam nach hinten-unten-außen. Der Brustkorb bleibt dabei aufgerichtet, die Schultern nicht zusammenziehen. Die linke Seite gegengleich üben, täglich jeweils fünf Minuten. Die Schultern gewinnen so ihre natürliche Breite zurück und lernen, bewusst loszulassen.

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Beweglichkeit gewinnen: In eine Handfläche eine liegende Acht zeichnen. Aufgerichtet und gerade auf einen Hocker setzen, der Nacken ist lang. Die Hand so vors Gesicht halten, dass die Nasenspitze auf den Mittelpunkt der Acht zeigt. Dann den Kopf so bewegen, dass die Nasenspitze, beginnend nach links unten, die Acht nachzeichnet. Wer diese fließende Bewegung drei bis fünf Minuten täglich übt, mobilisiert die Kopfgelenke in alle Richtungen und lockert die tiefen Nackenmuskeln. Mit der Zeit kann man die Übung überall zwischendurch machen - auch ohne die aufgemalte Acht in der Handfläche.

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Hals kräftigen: In Rückenlage, die Beine angewinkelt aufgestellt, das Becken leicht einrollen, so dass das Kreuz gut aufliegt. Einatmen und den Nacken langsam nach unten senken, bis er lang und entspannt ist. Scheitel in Verlängerung der Wirbelsäule hinausschieben. Mit dem Ausatmen den Kopf einige Zentimeter anheben, dabei das Kinn Richtung Brustbein sinken lassen. Kopf wieder ablegen und beim nächsten Einatmen den Nacken wieder bewusst verlängern. Täglich 10 bis 20 Wiederholungen, am besten schon morgens vor dem Aufstehen. Das kräftigt und aktiviert die tiefe Halsmuskulatur.

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Schulter befreien: Bequem und aufgerichtet hinstellen, die linke Hand fasst von vorn oben an die Ecke des rechten Schulterblattes. Mit dem rechten Arm rechts neben dem Körper eine Acht in die Luft malen. Dabei vorn innen beginnen. Die Bewegung findet nur im Schultergelenk statt, das Schulterblatt bleibt unter den Fingerspitzen ruhig. Die linke Schulter gegengleich üben. Drei Minuten täglich pro Seite fördern die Beweglichkeit.

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Nacken öffnen: Auf den Rücken legen, die Beine angewinkelt aufstellen. Der Nacken ist hohl, das Kinn leicht Richtung Decke gestreckt. Mit dem Einatmen bewusst die Nackenmuskulatur entspannen, das Kinn sinkt nach unten, der Kopf bewegt sich in einer kleinen Nickbewegung. Die Drehachsen verlaufen dabei durch den Kopf von einem Ohr zum anderen. Beim Einatmen Kinn zur Decke, beim Ausatmen geht der Kopf in die entspannte Position zurück. Diese sanfte Schaukelbewegung, täglich zwei bis fünf Minuten, entspannt die tiefe Nackenmuskulatur und beugt Spannungskopfschmerzen vor.

hier: alle Übungen als PDF

Text: Monika Murphy-Witt Illustrationen: Silja Götz

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