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"Unverpackt": Verpackungsfrei einkaufen

"Unverpackt": Verpackungsfrei einkaufen
Marie Delaperrière verkauft in ihrem Laden "Unverpackt" ausschließlich Lebensmittel ohne Verpackung. Kein Krieg gegen Plastik - aber der Beweis, dass verpackungsfrei einkaufen funktioniert.

Ob Mehl, Gemüse, Essig oder Schnaps: Bei "Unverpackt" in der Kieler Innenstadt gibt es alles, was man braucht - und nichts, was man nicht braucht. Plastiktüten zum Beispiel. Oder Milchreis, einzeln verpackt in Kunststoff-Bechern. Der Laden setzt stattdessen auf wiederverwertbare Verpackungen für Lebensmittel, die Kunden selber mitbringen oder kaufen können.

Die Schaufenster sollen bald große Tafeln mit Rezeptvorschlägen zieren
Die Schaufenster sollen bald große Tafeln mit Rezeptvorschlägen zieren
© Veronika Zweckerl

Die Idee für das Ladenkonzept kam Marie Delaperrière (40), als sie über ihren eigenen viel zu großen Hausmüllberg nachdachte. Sie, ihr Mann und die drei Kinder (zehn, sieben und drei Jahre) machten Müll. Sie warfen nicht nur zu viele angebrochene Lebensmittel weg - Lebensmittel, die sie gekauft hatten, weil sie hübsch aussahen, oder weil sie mehr gekauft hatten, als sie wirklich brauchten. Es war vor allem der Plastikmüllberg, der Marie Delaperrière störte. Im Internet stieß sie auf Blogs von Frauen aus Kanada, England und den USA, die versuchten, ihren Müll zu reduzieren. Sie las Bea Johnsons Buch "Zero Waste Home" - darin beschreibt die Autorin, wie sie und ihre Familie es schafften, ihren Müll auf ein Viertel der ursprünglichen Menge zu senken. Und sie besuchte Geschäfte in Paris und Chartres, die ihre Waren ohne Verpackung anboten. "Ich habe meine Idee gehütet wie ein kleines Baby und nur ganz wenigen Menschen davon erzählt."

Marie Delaperrière (li.) und Tanja Kauert freuen sich über ihren Erfolg
Marie Delaperrière (li.) und Tanja Kauert freuen sich über ihren Erfolg
© Veronika Zweckerl

Marie Delaperrière nahm an einem Mentorenprogramm der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein teil. Dort ermutigte man sie, beim Gründer-Cup Kiel anzutreten, einem Businessplan-Wettbewerb für Existenzgründerinnen und Existenzgründer und junge Unternehmen. "Das war gut - so hatte ich eine Deadline." Mit der Abgabe am 30. September meldete sie nicht nur ihr Gewerbe an, sondern kündigte auch gleich ihren Job als Projektmanagerin im Logistikbereich. Unter den wenigen, die von Delaperrières Plänen wussten, war auch Freundin Tanja Kauert. Die Ökotrophologin und Mutter von zwei Kindern war von der Idee so begeistert, dass sie beschloss, ihre Freundin zu unterstützen. "Tanja ist mein zweiter Arm. Wenn ich nicht da bin, ist sie es", sagt Delaperrière.

Kurz nachdem die Frauen im Dezember ein passendes Ladengeschäft gefunden hatten, kam die Nachricht: Delaperrière hatte den mit 2500 Euro dotierten Sonderpreis gewonnen. Als sie kurze Zeit später ihre neue Website auf Facebook teilte, wurde sie von Lob und Vorfreude nur so überschwemmt: "Es war Wahnsinn!" Innerhalb kürzester Zeit hatten sich die Nachricht vom neuen und so gar nicht typischen Lebensmittelgeschäft und der Eröffnungstermin im Netz verbreitet. "Wir haben so viele E-Mails bekommen, dass wir dachten, wir müssten eine PR-Abteilung aufmachen. Das hat mich ganz schön nervös gemacht."

Obst und Gemüse kommen ausschließlich aus der Region
Obst und Gemüse kommen ausschließlich aus der Region
© Veronika Zweckerl

Grund zur Nervosität gibt es knapp drei Monate nach der Eröffnung nicht mehr: Der Kundenstamm wächst. Die Lieferanten, die zum großen Teil in Norddeutschland sitzen, gewöhnen sich an die ungewöhnlichen Bestellungen des kleinen Geschäfts. Denn auch beim Wareneinkauf greift das "Unverpackt"-Konzept: Delaperrière bestellt ihre Ware vorzugsweise in großen Kartons und Papiersäcken. Nur wenn es nicht anders geht, wenn es zum Beispiel bei Reis die Hygienevorschriften verlangen, lässt sie ihre Ware in gewebten Polyethylen-Säcken liefern. "Ich führe keinen Krieg gegen Plastik. Manchmal geht es eben nicht ohne." Denn der Stoff, aus dem die Müllberge sind, hat auch seine Vorteile: Die Behältnisse, in denen der Großteil der Lebensmittel präsentiert wird - selbstverständlich sind sie frei von schädlichen Chemikalien wie Bisphenol - haben eine Art eingebauten Sonnenschutz. Ohne den würden die Lebensmittel schneller verderben, und das entspräche so gar nicht dem Nachhaltigkeitskonzept der beiden Frauen.

Seit Ende April ist "Unverpackt" bio-zertifiziert. Zwar stammten die meisten Produkte auch vorher schon aus biologischem Anbau - viele Produkte werden zudem fair gehandelt - doch das Umfüllen gilt als Verarbeitungsprozess, der separat zertifiziert werden muss.

Verpackungsfrei einkaufen klingt zwar toll, aber funktioniert das auch mit einer großen Familie? "Ich beweise jeden Tag, dass es geht!", sagt Marie Delaperrière. "Eine 500-Gramm-Packung Nudeln hat früher nie gereicht, wir mussten immer eine zweite Packung aufmachen. Heute kaufe ich ganz einfach 600 Gramm - perfekt!"

Eindrücke aus dem "Unverpackt" in Kiel

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