Wir riechen mehr, als wir schmecken. 80 Prozent des Aromas unserer Speisen nehmen wir über die Nase auf. Bei einer Erkältung schmeckt deshalb auf einmal alles gleich. Die restliche Arbeit übernehmen die Geschmacksknospen der Zunge. Sie melden ans Gehirn, ob etwas sauer, süß, salzig, bitter oder aromatisch/herzhaft (umami) schmeckt.
Die schlechte Nachricht: Die Fähigkeit zu schmecken nimmt mit dem Alter ab. Während Säuglinge noch 10.000 Geschmacksknospen auf der Zunge haben, sind es bei Erwachsenen im Schnitt nur noch 2000. Die Überaromatisierung in vielen Fertigprodukten hat zur Folge, dass es uns immer schwerer fällt, Geschmacksrichtungen zu unterscheiden. Unser Geschmackssinn stumpft ab. Das Gute: Man kann ihn trainieren - und das macht auch noch Spaß.
Machen Sie einen Bummel über den Wochenmarkt und lassen Sie die Eindrücke auf sich wirken. Betrachten Sie die bunten Stände mit Obst und Gemüse, erschnuppern Sie den Duft von Holzofenbrot und frischen Kräutern, ertasten Sie reife Früchte und probieren Sie sich durch den Käse- und Wurst-Stand.
Nirgendwo bekommt man mehr Lust auf frische, saisonale Lebensmittel aus der Region und lernt den Wert von gutem Essen zu schätzen.
Kochbücher sind eine Fundgrube für Genießer. Es geht gar nicht unbedingt darum, die Rezepte darin 1:1 nachzukochen. Betrachten Sie Kochbücher vielmehr als Inspirationsquelle - für ungewöhnliche Kombinationen verschiedener Zutaten und neue Zubereitungsideen. Gönnen Sie sich eines der teureren Exemplare mit hochwertiger Bindung und opulenter Food-Fotografie: Da macht schon das Blättern Appetit.
Verzichten Sie auf Fertiggerichte mit Geschmacksverstärkern und Aromen. Konzentrieren Sie sich beim Schmecken erst auf intensivere Reize wie Zimt oder Sternanis. Später können Sie zu feineren Noten übergehen.
Wagen Sie sich an neue Gerichte. Nichts gegen Mamas leckeren Schweinebraten, den können Sie sich auch weiter schmecken lassen. Sie sollten trotzdem Speisen probieren, die Sie noch nicht kennen - auch mal solche, zu denen Sie sich vielleicht überwinden müssen, wie Muscheln oder Aal. Sie werden überrascht sein, welche Leckereien Ihnen bislang entgangen sind.
Irgendwer in Ihrem Bekanntenkreis kennt ganz sicher einen Trick für knusprige Bratkartoffeln oder hat aus dem letzten Urlaub eine exotische Gewürzmischung mitgebracht. Wenn Sie gemeinsam mit anderen kochen oder sich zum Essen einladen lassen, erweitern Sie ganz nebenbei Ihren kulinarischen Horizont - und verbringen ganz bestimmt schöne Abende, denn nie kommt man so leicht ins Gespräch wie beim Essen.
Sie haben eine Freundin aus Tschechien oder einen Kollegen aus der Türkei? Wunderbar! Nutzen Sie die Chance, Gerichte aus deren Heimat kennen zu lernen.
Abgepackter Käse aus dem Discounter oder frischer Käse vom Markt? Naturjoghurt selbst gemischt mit frischen Früchten oder fertiger Fruchtjoghurt aus dem Supermarkt? Was schmeckt besser?
Seien Sie auf Überraschungen gefasst: Viele von uns haben sich - ohne sich dessen bewusst zu sein - an Geschmacksverstärker und zu viel Salz und Zucker gewöhnt. Die Folge: Vielleicht schmeckt Ihnen das Industrieprodukt besser als das selbst zubereitete Gericht und das abgepackte Produkt besser als das frische.
Probieren und vergleichen Sie - ruhig auch mal als Blindverkostung. Und versuchen Sie, den Geschmack und die Unterschiede zu beschreiben.
Sie sind in Gedanken schon bei der nächsten Besprechung und haben nur zwanzig Minuten Zeit für eine kurze Mittagspause? Dann sollten Sie das mit dem Genießen lieber vertragen. Die Sinne brauchen Zeit, um sich zu entfalten.
Gerade Singles widmen ihre Aufmerksamkeit beim Essen gern dem Fernseher oder der Zeitung. Das lenkt vom Wesentlichen ab, genau wie Gespräche.
Jürgen Dollase, Autor der Genießer-Anleitung "Geschmacksschule", schreibt dazu: "Egomanen, die bei Tisch wild aufeinander einreden, könnte man auch mit Hundekuchen füttern, ohne dass sie es merken!"
Also: Konzentrieren Sie sich aufs Essen!
Sie wollen abnehmen und verzichten deshalb auf gutes Essen? Nicht nötig! Genuss hat nichts mit Völlerei zu tun. Es geht um bewusstes Essen. Und das ist nicht nur erlaubt, sondern beim Abnehmen oder bei Essstörungen sogar ein Muss. Wer bewusst genießt, isst langsamer und wird deshalb auch von kleineren Portionen satt.
Reisen bildet - das gilt natürlich auch fürs Essen. Nirgendwo können Sie die Küchen anderer Länder so unverfälscht kennenlernen wie vor Ort. Das passiert aber natürlich nicht, wenn Sie im Urlaub nur in Fast-Food-Ketten einkehren oder in Restaurants, auf deren Speisekarten die Gerichte mit Foto abgebildet sind.
Essen Sie in thailändischen Garküchen, in italienischen Tavernen und an dänischen Hot-Dog-Buden. Gehen Sie vor Ort auf den Markt, schlendern Sie durch Seitenstraßen und entdecken Sie die kleinen Lokale, in denen die Einheimischen einkehren. Und sollten Sie von jemandem zum Essen nach Hause eingeladen werden: Lassen Sie sich diese Gelegenheit nicht entgehen.