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PET-Recycling: Zu schön, um wahr zu sein?

PET-Recycling: Zu schön, um wahr zu sein?: Blumen in PET-Flaschen
© kazoka / Shutterstock
Mit Klamotten aus alten Plastikflaschen endlich die Meere säubern? Zu schön, um wahr zu sein…

Crazy Technik

Verrückt, aber wahr: In einem Paar Socken steckt etwa eine halbe Plastikflasche, in einem T-Shirt sind es fünf. Wie das geht? Mit PET-Getränkeflaschen – PET ist die Abkürzung für den Kunststoff Polyethylenterephthalat, der sich grundsätzlich gut zum Recyceln eignet: Nach Gebrauch werden die Plastikflaschen zerkleinert, gereinigt, verschmolzen und zu Polyester-Fäden verarbeitet. Klingt einfach, doch der Prozess ist aufwendig: Etiketten, Kleber und Deckel müssen entfernt, die Flaschen nach Farben sortiert oder entfärbt werden. Aus den Fäden lassen sich dann zum Beispiel neue Klamotten, Teppiche oder Taschen herstellen. Die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung gibt an, dass etwa 98 Prozent der pfandpflichtigen PET-Einwegflaschen in Deutschland recycelt werden.

Daumen hoch: gute Zweitverwertung

Im Schleudergang

Von einer harten Plastikflasche kann man nicht so einfach ein Stück abbrechen. Wird es aber zu einem weichen Stoff verarbeitet, wie bei Fleece, ist das Material loser, Mikrofasern lösen sich also leichter ab. Die Folge für die heimische Waschmaschine: Pro Waschgang setzt jede einzelne Polyester-Klamotte Mikrofasern frei, die so ins Abwasser gespült werden. Weder Waschmaschinen noch Kläranlagen können die mikroskopisch kleinen Fasern von unter fünf Millimetern Größe restlos aus dem Wasser filtern. Also gelangen sie in offene Gewässer, ins Meer, in Fischbäuche und irgendwann in unseren Mund. Mit dem Mikroplastik-Klärschlamm werden die Fasern außerdem auf die Felder gekippt und finden sich so auch in den Böden wieder. Halleluja ...

Daumen runter: aber so was von!

Energie-Sparschwein

Alles, was recycelt wurde, ist per se schon super. Das gilt auch für Polyesterfäden aus Plastikflaschen. Fasern aus bereits bestehendem Plastik herzustellen verbraucht nämlich laut Umweltbundesamt nur halb so viel Energie wie das Kreieren neuer Fasern. Und: Weil man für neues Plastik Erdöl braucht, wird auch das gespart. In Summe gute Werte!

Daumen hoch: spart Ressourcen, Energie und Treibhausgase

Junge Frau hält im Supermarkt skeptisch eine Ananas hoch

Aus neu mach alt

Viele Labels werben gern damit, dass sie Klamotten aus Ozeanmüll produzieren. "Das klingt, als ziehe man dem süßen Robbenbaby persönlich den Plastikstrohhalm aus der Nase", sagt Bekleidungstechnikerin Friederike Priebe. "Das kann durchaus an Verbrauchertäuschung grenzen." Denn oft steht gar nicht genug recyceltes Ozeanplastik zur Verfügung, weil es verschmutzt ist oder eben nicht sortenrein. Dann werde neues PET druntergemischt und behauptet, es wäre recycelt, so Priebe. Andere Produzenten sollen dafür sogar recyceltes Plastik aus Europa nach Asien einfliegen lassen, dort zu Garn verarbeiten und es dann CO2-teuer wieder nach Europa zurückschicken.

Daumen runter: Völlig indiskutabel, was da unter dem Deckmantel "Umweltschutz" läuft

Risiken & Nebenwirkungen

Der große Nachteil bei Meeresplastik: Weil es sich mit allerlei Zeug aus dem Wasser vermischt, entsteht ein unreiner, minderwertiger Rohstoff. Die Bekleidungstechnikerin Friederike Priebe sagt: "Plastik aus dem Ozean ist wie eine Blackbox." Zudem konzentrieren sich in den Kunstfasern auch einige Schadstoffe, wie das unter Krebsverdacht stehende Antimontrioxid, das nicht dafür bestimmt ist, ewig lang auf nackter Haut zu sein. Immerhin haben Prüfstellen wie Oeko-Tex ("Made in Green"-Siegel) oder Bluesign strenge Grenzwerte für die Herstellung von Klamotten aus recyceltem PET festgelegt. Und: Viele Hersteller für Outdoorklamotten forschen, wie sich die Schadstoffe ganz entfernen lassen!

Daumen quer: Einerseits tut sich vieles, andererseits weiß gerade niemand, was man da wirklich trägt

Plastik bleibt Plastik

Den Plastikmüll zu Kleidung weiterzuverarbeiten, kann vielleicht ein gutes Signal sein, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Es ist aber nicht die Lösung. Let’s face it: Die Plastikflasche erlebt zwar noch mal als Jumpsuit eine Wiedergeburt, doch früher oder später landet auch dieser im Müll.

Daumen runter: Das neue Polyester-Shirt kriegt nur einen zweifelhaften Ruhm

Gut zu wissen:

  • 140 ... Tausend Mikrofasern lösen sich bei jedem Waschgang von den Polyesterklamotten und werden ins Abwasser gespült (Forschungsinstitut EPEA)
  • Wer Kleidung möchte, die definitiv keinen Müll macht, kann nach dem "Cradle to Cradle"-Siegel Ausschau halten.
In BE GREEN, dem neuen Nachhaltigkeitsmagazin von BRIGITTE, lest ihr das exklusive Interview mit Greenfluencerin DariaDaria, in dem sie fordert: "Wir müssen Zeit neu definieren!"
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© Brigitte
BRIGITTE BE GREEN 01/2019

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