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Nachhaltige Wirtschaft Wie eine nachhaltige, soziale und gerechte Arbeitswelt aussehen kann

Nachhaltige Wirtschaft: Glühbirne mit Pflanze
© jittawit.21 / Adobe Stock
Gemeinwohlökonomie, Sharing Economy oder doch grüner Kapitalismus? Die Zukunft der Wirtschaft klingt nachhaltig, gerecht und sozialUnd das Beste: Immer mehr Firmen haben sich längst auf den Weg gemacht und lassen Utopien Wirklichkeit werden.

Gemeinwohl-Ökonomie

Das gute Leben für wirklich alle? Nichts weniger hat die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) im Sinn. Für GWÖ-Firmen stehen die Erde und der Mensch über dem Profit. Das heißt zum Beispiel faire, solidarische Löhne für alle Mitarbeiter:innen. Oder konkreter: Das höchste Gehalt in einer Firma, eines Vorstands etwa, darf maximal 15 Mal so hoch sein wie das niedrigste, eines Praktis oder so. Zum Vergleich: Die Vorstände der rentabelsten Firmen Deutschlands verdienen aktuell im Schnitt 53 Mal (!) so viel wie das restliche Personal. Wie setzt man solche Dinge um? Das wichtigste Instrument sind keine ollen Nachhaltigkeitsberichte mehr, sondern eine sogenannte Gemeinwohlbilanz. Darin wird wirklich jeder Bereich des Unternehmens auf ökologische und soziale Aspekte überprüft. Und für die Erreichung gibt es Punkte. Wie mega wäre das, wenn einfach jedes Produkt im Supermarktregal solche Gemeinwohlökonomiepunkte auf der Verpackung hätte? Wir träumen mal weiter, während sich weltweit bereits mehr als 1000 Unternehmen auf den GWÖ-Weg gemacht haben – Tendenz steigend.

Best Practice: Voelkel

Bio allein reicht nicht: Zumindest wenn es nach dem Familienunternehmen Voelkel aus dem Wendland geht. In vierter Generation werden dort gemeinwohlorientiert Biogetränke hergestellt. Was hier Gemeinwohl bedeutet? Etwa dass jedes Produkt die biologische Landwirtschaft fördert. Oder dass Gewinne nicht an Investor:innen und Eigentümer:innen ausgezahlt werden, sondern an gemeinwohlorientierte Projekte. Die fördern dann Streuobstwiesen, treiben die Forschung für konzernunabhängiges ökologisches Saatgut voran oder leisten Flüchtlingshilfe. Gemeinwohl eben. Und Voelkel stellt selbst auch noch eigene Ansprüche auf: Betriebe, mit denen das Unternehmen kooperiert – von der Bank bis zum Kleinbauern in Peru –, müssen sich selbst auch dem Gemeinwohl verschrieben haben. Hut ab!

Grüner Kapitalismus

Können wir uns grün kaufen? Der grüne Kapitalismus sagt: ja. Also, zumindest unter gewissen Umständen. Der Buzz-Begriff geht davon aus, dass umweltfreundliches Wirtschaften möglich ist, solange der Wert und die Kosten für die Natur berücksichtigt werden. Das kann zum Beispiel durch eine CO2-Steuer oder durch Emissionshandel passieren. Sprich: Unternehmen produzieren einerseits grünere Produkte, aber weil dafür ja auch Strom und Ressourcen verbraucht werden, gleichen sie die entstandenen Klimaschäden aus. Wachstum wird also mit nachhaltigeren Entscheidungen verbunden, wobei am aktuellen Wohlstand festgehalten wird. Und das ist der Knackpunkt: Was heißt denn überhaupt Wohlstand?

Dr. Katharina Reuter vom Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft ist da eher skeptisch. "Wir müssen wegkommen von dieser heiligen Kuh, dem Bruttoinlandsprodukt. Es reicht nicht, Produkten einen grünen Anstrich zu verpassen." Also doch alles nur Greenwashing? Nicht unbedingt: Grüner Kapitalismus kann funktionieren, wenn Unternehmen ganzheitlich nachhaltig handeln und knappe Ressourcen wie Erdöl oder Mineralien besser nutzen. Und: wenn Kreislaufwirtschaft, Recycling und Reparatur ernsthaft betrieben werden. Heißt: Wachstum, ja. Aber langsamer und nachhaltiger.

Best Practice: Refurbed

Wachsen und Kreislauf ist das Rezept des österreichischen Unternehmens Refurbed. Es repariert Smartphones, Tablets und Co., um sie samt Garantie bis zu 40 Prozent günstiger wiederzuverkaufen. Und das ist wirklich erfolgversprechend? Oh ja! Refurbed ist einer der am schnellsten (!) wachsenden Onlinemarktplätze im gesamten deutschsprachigen Raum. Das Motto: rasantes Wachstum, aber bitte in grün. Mittlerweile hat das Unternehmen seine Geschäfte auf Sportartikel und neue Kleidung aus recycelten Stoffen ausgeweitet.

Degrowth

Der grüne Kapitalismus ist noch zu viel Kapitalismus und zu wenig grün? Dann ist vielleicht die Degrowth-Bewegung das Richtige, sprich: weniger Produkte, weniger Arbeit, weniger Konsum. Das Heilsversprechen von unendlichem Wachstum, das Wohlstand bringe, Arbeitslosigkeit vorbeuge und soziale Stabilität sichere, soll hier abgelöst werden. Wie konkret? Na, durch weniger Erwerbsstunden für alle, wodurch ja per se schon weniger produziert werden kann; durch Verbot von Werbung auf öffentlichen Plätzen, die immer wieder zu neuem Konsum anregt; und durch eine sozial-ökologische Steuerreform, die Ressourcenverbrauch höher und Arbeitseinkommen geringer besteuert.

Aber nicht für alle Firmen – und hier wird es interessant: "Degrowth brauchen vor allem die konventionellen Unternehmen wie zum Beispiel Fast-Fashion-Riesen oder bekannte Elektronikanbieter", sagt Expertin Katharina Reuter. "Nachhaltige Unternehmen dagegen sollten möglichst weiterwachsen, damit grüne Produkte konventionelle Mitbewerber verdrängen." Da werden die Marktfans natürlich im Kreis springen, weil zu viel Einmischung und so. Dass das in Teilen aber schon von selbst passiert, zeigt das Beispiel Primark: Das Fast-Fashion-Unternehmen macht in Deutschland immer weniger Umsätze und schließt Filialen – auch weil Nachhaltigkeit für Konsument:innen immer wichtiger wird. Expert:innen vermuten sogar, dass die Kette in den nächsten Jahren ganz aus Deutschland verschwinden könnte.

Best Practice: Patagonia

Die Outdoor-Brand aus den USA gilt als Pionier für verantwortungsvolles Unternehmertum in der Textilbranche. Inwiefern? Es setzte zum Beispiel schon in den 1990er-Jahren auf Biobaumwolle, als das Thema Fair Fashion nicht mal ansatzweise Mainstream war. Seit 2011 setzt die Brand das sogenannte Suffizienzmarketing ein, also wirbt bei den Kund:innen dafür, weniger zu kaufen und lieber reparieren zu lassen. Ja, auch bei den eigenen Produkten. Degrowth bedeutet im Fall Patagonia, dass das Unternehmen nicht jedes Jahr mehr Gewinne machen muss – wie sonst üblich –, sondern eher stabil beim aktuellen Umsatz bleibt. Was immer noch geschätzt eine Milliarde US-Dollar im Jahr sind. Im September 2022 kam der nächste Clou: Eigentümer Yvon Chouinard erklärte, dass er seinen rund drei Milliarden Dollar schweren Anteil am Unternehmen in eine Stiftung überträgt, die sich dem Kampf gegen die Klimakrise widmet. Die Folge: Fortan fließen alle überschüssigen Gewinne in die Stiftung statt in die Taschen des Gründers – was dann gleichzeitig Gemeinwohlökonomie ist.

Purpose Economy

In eine ähnliche Richtung wie Degrowth geht die Purpose Economy – was so viel bedeutet wie Firmen in Verantwortungseigentum zu bringen. Kurz gesagt: Ist eine Firma in Verantwortungseigentum, gehört sie sich selbst und den Mitarbeitenden und nicht irgendwelchen Investor:innen oder Wirtschaftsbossen. Und: Die Firma bleibt unverkäuflich und spekulationsfrei. Dadurch sollen Unternehmen langfristig selbstständig und ihren Werten treu bleiben können, ohne Angst zu haben, dass sie bei nicht performenden Quartalszahlen gleich verkauft oder eingedampft werden. Warum ist das wichtig? Gerade für Marken, die der Klimakrise entgegenwirken, ist diese Sicherheit essenziell. Ein Beispiel: Die Suchmaschine Ecosia soll nicht primär gute Klickzahlen liefern, sondern vor allem viele Bäume pflanzen. Würde dieses Unternehmen verkauft werden, könnte nicht sichergestellt werden, dass die Technologie der Suchmaschine weitergenutzt und gleichzeitig die Bäume weitergepflanzt werden. Da Ecosia aber in Verantwortungseigentum ist, ist ein Verkauf nicht möglich. Klar, wenn das Unternehmen seine Leute nicht mehr bezahlen sollte, wird es wirtschaftlich schwierig – aber hier geht es darum, schier ungebremster Wachstums- und Geldgier vorzubeugen.

Best Practice: Einhorn

Die deutschen Gründer Waldemar Zeiler und Philip Siefer holten 2015 durch Crowdfunding das Kondom aus der Schmuddelecke und platzierten es mit ihrem Start-up "Einhorn" in der Mitte der Gesellschaft. Die Produktrange ist mittlerweile um Bioperiodenprodukte erweitertet – alles ökologisch und fair hergestellt. In Malaysia etablierte Einhorn die erste Biolatex-Plantage. Die Firma spendet 50 Prozent des Profits an gemeinnützige Projekte und reinvestiert Gewinne in Forschung, Produktentwicklung und Nachhaltigkeitsprojekte. Seit 2019 befindet sich das Unternehmen in Verantwortungseigentum. Heißt: Es ist unverkäuflich, das Auszahlen von Gewinnen unmöglich, und alle Mitarbeitenden entscheiden gemeinsam über die Zukunft der Firma.

Sharing Economy

Wie der Name schon sagt, geht es hier ums Teilen, Tauschen, Leihen, Mieten oder Schenken. Die Bohrmaschine, die über das Nachbarschaftsnetzwerk verliehen wird; Studierende, die über eine Plattform zu Umzugshelfer:innen werden; Lebensmittel, die mithilfe von Foodsharing gerettet und verteilt werden. Wir können alles konsumieren, müssen es aber nicht besitzen. Klingt mega? Auf jeden Fall. Birgt aber Risiken, wenn es zu gewinnorientiert ist. Digitalisierungsexperte Sascha Lobo kritisiert die Marktmacht einzelner Onlineplattformen der Sharing Economy und spricht von "Plattform-Kapitalismus". Anbieter wie Airbnb oder Uber könnten – ohne eigenen Besitz – ganze Branchen ins Wanken bringen und sich zum Beispiel an der Bereitstellung von Wohnraum und Privatfahrzeugen bereichern. Wie es dennoch funktionieren kann? Indem Anbieter nachhaltig und – da haben wir es wieder – gemeinwohlorientiert handeln.

Best Practice: Ljubljana

Die Hauptstadt Sloweniens könnte locker auch Sharing-Hauptstadt Europas heißen – zumindest wenn es um Mobilität geht. Hier boomt das Car- und Bikesharing geradezu und beides ist beinahe kostenlos. Die Folge: Seit 2007 ist die Innenstadt autofrei. Große Hauptverkehrsstraßen werden regelmäßig zu Fußgängerzonen umgewandelt. Wer müde Beine hat oder ein gebrauchtes Regal von A nach B transportieren will, kann sich – ganz im Sinne des Sharing-Gedankens – einen "Kavalir" rufen. Das vollelektrische Taxi sieht aus wie ein vergrößertes Golf-Cart und bringt Leute jederzeit kostenlos durch die autofreie Innenstadt. Eine schöne neue Welt, die Stück für Stück Wirklichkeit wird.

Brigitte

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