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Marie Nasemann Nachhaltige Mode für alle

Marie Nasemann
© Future Image / imago images
Marie Nasemann war ein normales Model, bevor sie beschloss, es anders zu machen. Mit BE GREEN sprach sie darüber, ob grüner Konsum nicht auch nur Konsum ist – und wo sie seit Corona eingeknickt ist.
INTERVIEW Alexandra Zykunov

Marie, du bist seit einem halben Jahr Mama. Wie sind eure Nächte gerade?

Marie Nasemann: Wild! Wenn ich einen Dreh habe, wechseln mein Freund und ich uns mit den Nächten ab, das macht es erträglicher (lacht).

Du arbeitest freiberuflich, dein Freund ist in Elternzeit. So eine Rollenverteilung ist heute ja immer noch eine große Ausnahme.

Total! Unser Modell ist selten. Er arbeitet in einer Großkanzlei, dass ein Mann ein Jahr Elternzeit nimmt, gab es dort noch nicht. Weil wir beide Care-Arbeit übernehmen und gemerkt haben, dass es anstrengender ist, als im Job zu arbeiten, können wir es beide mehr wertschätzen, wenn sich der andere den ganzen Tag allein ums Baby kümmert.

Du lebst nachhaltig, aber mal ehrlich: Wo bist du seit der Pandemie eingeknickt?

Durch Corona hat sich in puncto Nachhaltigkeit bei mir nicht viel verändert. Allerdings hatte der Nachwuchs ein paar negative Auswirkungen auf meinen ökologischen Fußabdruck: Wir sind an den Stoffwindeln gescheitert und ich muss gerade an so viele Dinge denken, wenn ich aus dem Haus gehe, dass ich meinen To-go-Becher ständig vergesse. Dabei hatte ich das schon so gut drauf!

Keine Angst vor Shitstorms?

Ich verschweige nichts. Zum Beispiel, wenn ich mal zu einer Freundin nach London fliege. Niemand ist perfekt und deshalb braucht auch niemand perfekte Vorbilder, sondern mehr authentische, die zeigen, wie man nachhaltiger leben kann und wo man eben manchmal scheitert.

Du arbeitest als Model und lehnst dich gleichzeitig gegen die Modewelt auf. Wie passt das zusammen?

Ich weiß noch, wie ich 2013 vorm Fernseher saß, die Textilfabrik Rana Plaza war eingestürzt, ich sah die Bilder von den Leichen, von den weinenden Männern, die um ihre Frauen trauerten. Ich wusste, ich kann als Model diesen Wahnsinn mit Billigmode und immer neuen Trends nicht weiter befeuern. Und ich bin ja nicht nur viel ausgestattet worden, sondern war zusätzlich shoppen und hatte fünf mehrtürige Kleiderschränke voller Klamotten! Die Sendung war der Moment, an dem ich gesagt habe: So geht’s auf keinen Fall weiter.

Hast du danach allen Auftraggebern gekündigt?

Das konnte ich so schnell nicht, weil ich auf die Aufträge finanziell angewiesen war. Es war ein längerer Prozess. Ich beschäftigte mich immer mehr mit dem Thema, schrieb faire Labels an, ob sie mich für den roten Teppich ausstatten wollen, und habe meinen Blog "fairknallt.de" über faire Mode gegründet. Und dann kamen irgendwann auch die passenden Aufträge rein.

Aber ist grüner Konsum am Ende nicht auch Konsum?

Unser Wirtschaftssystem basiert auf Konsum. Ich denke, Menschen werden sich durch Mode immer darstellen und positionieren wollen. Wenn sie also eh kaufen, dann doch besser grüne Produkte. Ich hoffe trotzdem sehr, dass es bald eine Welt gibt, in der nicht ein paar wenige reiche Menschen, also wir, im Überfluss leben und sehr viele andere gar nichts haben.

Dein Blog verhindert nicht, dass morgen wieder Millionen zu den üblichen Ketten rennen. Was antwortest du da?

Es ist wie das Argument: Warum sollen wir Müll trennen, wenn er in Indien angeblich eh auf die Straße geworfen wird? So etwas ärgert mich! Es macht einfach keinen Sinn, sich zu vergleichen, weil es immer eine Frage ist, in welches Umfeld man hineingeboren wird. Wenn deine Familie immer nach Mallorca fliegt, willst du nicht die Einzige sein, die sagt, "Ich komme nicht mit und gehe in der sächsischen Schweiz wandern". Man sollte einfach ehrlich mit sich sein: Was kann ich selbst tun, wo bin ich zu Einschränkungen bereit?

Das heißt, du versuchst nicht, andere zu missionieren?

Nein, ich will nicht belehren, sondern neugierig machen. Die meisten wissen doch längst, was sie falsch machen. Keiner kann heute noch sagen, dass er nicht wusste, wie stark das Klima belastet ist. Wenn sich Leute für Fair Fashion interessieren und fragen, "Wo gibt es die faire Winterjacke?", schreibe ich detailliert, nenne Labels. Der Anreiz aber muss von ihnen kommen. Es ist ein bisschen wie bei einer Therapie: Man selber muss etwas verändern wollen.

Denkst du, dass wir heil aus der Sache herauskommen?

Das glaube ich tatsächlich! Die Klimakrise trifft aktuell hauptsächlich den globalen Süden – die Bereitschaft in den reichen Ländern, wirklich etwas zu ändern, ist aus meiner Sicht auch deswegen noch nicht groß. Ich schätze, erst wenn es uns hier so richtig an den Kragen geht, sind wir bereit, etwas zu ändern. Dann gehen die größten Umstellungen und Einschränkungen ganz flott, wie man jetzt mit der Pandemie gesehen hat.

Woher kommt so viel Optimismus?

Die Menschen wollen ja leben. Und sie wollen auch, dass ihre Kinder und Enkelkinder leben. Am Ende wird ein egoistischer Überlebensdrang den Schalter umlegen.

BE GREEN 02.2020: Cover
In BE GREEN, dem neuen Nachhaltigkeitsmagazin von BRIGITTE, lest ihr das exklusive Interview mit Greenfluencerin Marie Nasemann: "Ich will den Modewahnsinn nicht mehr befeuern."
© Brigitte
BRIGITTE BE GREEN 02/2020

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