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Greenwashing So erkennst du Fakes

Batterie mit Greenwashing-Aufschrift
© Cristian Storto / Shutterstock
Klare Ansage von Maren Ingrid Kropfeld, die zu grünem Konsum forscht. Sie weiß, wie wir lernen, echte von der Möchtegern-Nachhaltigkeit zu unterscheiden.
INTERVIEW Jana Braumüller

BRIGITTE BE GREEN: Gefühlt jede Marke schreit gerade: "Ich bin grün!" Wie glaubwürdig ist das alles?

Maren Ingrid Kropfeld: Viele Unternehmen entdecken aktuell, dass es so nicht weitergehen kann. Auf den ersten Blick ist es für Konsument*innen jedoch oft schwierig zu sehen, ob eine Firma ihr nachhaltiges Werbeplakat wirklich ernst meint.

Welche Branchen stellen ihre Werbung aktuell auf öko um?

Im Bereich Ernährung passiert viel und erfreulicherweise auch in der Bekleidungsindustrie. Die Kritik an Fast Fashion ist in den letzten Jahren immens gewachsen, der Druck steigt.

Gerade dort hört man jetzt Sätze wie: "100 Prozent klimaneutral bis 2040." Sind das nicht Ziele, die man viel zu weit von sich wegschiebt?

Das ist trotzdem ein guter Schritt! Es ist wichtig, ein Bewusstsein für Veränderung in den Unternehmen zu schaffen. Auch wenn alles schneller passieren müsste. Um Lösungen zu finden, muss viel ausprobiert werden. Dafür braucht es Pioniere, die radikale Ideen testen und zeigen, dass es funktioniert. Wobei auch gern mehr Druck seitens der Politik auf den Markt ausgeübt werden dürfte.

Sind es eher kleine Unternehmen, die Pionierarbeit leisten, oder große?

Wenn wir uns die zertifizierten Benefit Corporations ansehen, also Unternehmen mit den höchsten sozialen und ökologischen Standards, finden wir hier tatsächlich eher kleinere Betriebe. Börsennotierte Unternehmen haben es da oftmals schwerer.

Warum?

Kleine Firmen können meist flexibler und schneller agieren. Sie haben oft schon eine Unternehmenskultur, die radikaleres Vordenken erlaubt und sich von Anfang an an ökologischen und sozialen Zielen ausrichtet. Wollen sich auch große Firmen glaubhaft verändern, müssten sie ihre Klimabilanzen und Arbeitsweisen viel transparenter machen. Am besten sogar gesetzlich verpflichtend. Doch die Lobby dagegen ist riesig. Wer möchte schon gern eine rote CO2-Ampel auf den eigenen Produkten haben? Deswegen läuft vieles über Freiwilligkeit. Es werden Produkte nur als positiv, nicht aber als negativ gekennzeichnet, gerade das lässt Spielraum für Greenwashing.

Was bedeutet der Begriff ganz genau?

Es ist der Versuch von Firmen, sich etwa durch PR-Maßnahmen möglichst grün darzustellen.

Was sind da typische Feigenblätter?

Bei sehr vagen Aussagen wie "Natürlich" sollte man skeptisch werden, das kann alles Mögliche sein. Dann wird oft mit Dingen geworben, die sowieso gesetzlich geregelt sind – "FCKW-frei" zum Beispiel. FCKW ist eine chemische Verbindung, die die Ozonschicht angreift und in Deutschland eh seit 1991 verboten ist. Werbung ist auch oft irreführend, wenn Dieselfahrzeuge als "sparsam und umweltfreundlich" beworben werden. Oder wenn Mineralwasser als "vegan" angepriesen wird. Ich meine, was soll es sonst sein? Auch in Bezug auf die Geschwindigkeit der Veränderung sollte man schauen, ob die Marke nur gesetzliche Vorgaben erfüllt oder mehr tut. Falls ja: super! Falls nein: Greenwashing!

Da wird viel Recherchearbeit auf die Konsument*innen abgewälzt. Wie erkenne ich Greenwashing ganz konkret?

Es gibt Apps wie CodeCheck oder Buycott, die den Barcode scannen, um Inhaltsstoffe oder Materialien zu checken. Die Regierungsinitiative siegelklarheit.de listet vertrauensvolle Siegel auf. Zudem zählt der Gesamt­eindruck des Unternehmens. Dafür kann der Umgang mit Angestellten, der Einsatz von erneuerbaren Energien oder vegetarisches Essen in der Kantine ein erster Indikator sein. Hat die Firma einen ganzheitlichen Ansatz? Wie viel Biobaumwolle verwendet sie wirklich – zehn oder 100 Prozent? Weiß die Marke, in welcher Fabrik ihre Kleidung genäht wird? Woher kommt die Baumwolle? Wer baut sie an?

Sollte ich lieber in kleinen Shops kaufen oder bei den Großen, um zu zeigen: Ja, wir wollen von euch mehr grüne Produkte?

Das Wichtigste ist, die eigene Kaufentscheidung zu hinterfragen. Und dann zu schauen. Wenn die Drogerie vor der Haustür ist, ist es sinnvoll, da die Naturkosmetikprodukte zu kaufen. Ist der Unverpacktladen näher, unterstütze diesen! Die Coronakrise hat gezeigt, dass lokale Shops Support brauchen. Gleichzeitig haben die Großen eine unglaubliche Macht und Einfluss auf die gesamte Industrie. Dieses Signal können wir als Verbraucher*innen senden. Die Firmen müssen sehen, dass sich eine grünere Ausrichtung lohnt.

Reagieren sie denn wirklich darauf?

Nehmen wir das Beispiel Shampoo: Das ist ein gesättigter Markt mit sehr vielen Anbietern und Marken. Als Unternehmen muss ich überlegen, wie ich mich von der Konkurrenz absetze und neue Zielgruppen, wie die Fridays-for-Future- Generation, erschließe. Wenn sich Shampoo ohne Mikroplastik besser verkauft, ist das gut für die Umwelt – da ist die Intention erst mal zweitrangig. Im nächsten Schritt sollten wir aber kritisch reflektieren: Wenn es dem Unternehmen nur darum geht, einfach mehr Neues zu verkaufen, geht es wieder in die falsche Richtung.

Aber es passiert ja genau das: Am Ende wollen sie eine neue Zielgruppe mit grünen Shampoos anlocken, die herkömmlichen aber nicht aus dem Regal nehmen.

Einige Industrien, Fast Fashion zum Beispiel, können mit dem jetzigen Geschäftsmodell tatsächlich kaum grüner werden. Wie kann eine Branche, deren "Erfolg" auf sehr geringen Margen, fragwürdigen Produktionsbedingungen und 52 Modezyklen im Jahr basiert, nachhaltig sein? Das Thema Fleischkonsum ist ähnlich: Klar kann ich Biofleisch kaufen, aber Tierhaltung ist insgesamt sehr belastend für die Umwelt. Egal wie gut ich es mache, es ist immer besser, kein Fleisch zu essen. Wenn es darum geht, möglichst viel, schnell und oft zu verkaufen, kann die Firma nie nachhaltig sein.

Wenn ein großes Unternehmen also auf grün umschwenkt, kann ich das im Grunde nur glauben, wenn es auch bereit ist, für das Klima Verluste zu machen?

Ein positiver Effekt für die Umwelt tritt natürlich auch dann ein, wenn die verkauften Produkte ökologisch und sozial nachhaltig sind. Aber ja, ab einem gewissen Punkt muss jedes Unternehmen reflektieren, wie viel Wachstum ihr Geschäftsmodell verantworten kann – und irgendwann auch ökologische Obergrenzen respektieren.

Unsere Expertin

Maren Ingrid Kropfeld (29) ist Betriebswirtschaftlerin und forscht im Bereich ökologische Ökonomie an der Uni Oldenburg. Sie treibt vor allem die Frage um: Wie schaffen wir es zusammen mit der Wirtschaft, genügsamer, gleichzeitig aber auch zufriedener zu leben?

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