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Digitale CO2-Bilanz Fußabdruck von Netflix & Co.

Digitale CO2-Bilanz: Fußabdruck von Netflix & Co.: Frau sitzt mit Fernbedienung auf Sessel
© Popartic / Shutterstock
Wir können ihn zwar nicht sehen, aber er wird immer größer: unser digitaler Müll. Wie viel CO2 verursachen Streaming-Dienste, WhatsApp und Clouds überhaupt? Und müssen wir jetzt wirklich den Stecker ziehen? Ein Interview mit Marina Köhn, Green-IT-Expertin.

BRIGITTE BE GREEN: Zwanzigmal etwas googeln soll so viel Strom fressen wie eine Energiesparlampe in einer Stunde braucht. Deutsche Rechenzentren hauen jährlich so viel CO2 raus wie im selben Zeitraum der gesamte deutsche Flugverkehr. Wo bleibt hier der ökologische Aufschrei?

Marina Köhn: Der fehlt, weil wir den digitalen Müll nicht sehen können. Doch schon in dem Moment, in dem wir unsere Mails aktualisieren oder WhatsApp auch nur öffnen, wird eine Anfrage an das jeweilige Rechenzentrum ausgelöst und dort eine Rechenoperation auf Servern ausgeführt. Das betrifft jede Instagram-Story, die wir schauen, jeden Post bei Facebook, jede Anfrage an Alexa.

Man kann ja den Menschen nicht vorschreiben, wie viel sie texten oder posten dürfen.

Natürlich nicht. Ich empfehle aber, darüber nachzudenken, ob es sinnvoll ist, unzählige Videos oder Fotos jahrelang auf einer Cloud zu speichern, nur um sie auf allen Geräten abrufen zu können. Das sind Unmengen an Daten, die aber alle handfeste, elek­tronische Komponenten brauchen: Server, Schalter, Router, Switche, Glasfaserkabel… und für deren Betrieb man immer mehr Strom braucht. Da die Mehrheit des Stroms immer noch nicht aus erneuerbaren Energien kommt, bedeuten immer mehr Rechenzentren auch immer mehr CO2-Ausstoß. Heißt: Seinen Unverpackt-Einkauf bei Instagram zu posten, ergibt dann leider wenig Sinn.

Wie viel CO2 produziert denn so ein Post?

Diese Frage höre ich andauernd, und die Antwort darauf ist: Ich kann es nicht sagen. Wir forschen noch dazu. Das Ergebnis hängt ja auch nicht nur von der Aktivität im Netz ab, sondern auch davon, wie energieeffizient das Gerät ist, auf dem ich scrolle. Ein Smartphone verbraucht zum Beispiel weniger Strom als ein Rechner. Brauche ich für meine Mails ein Mailprogramm oder den Web-Browser? Auch das macht einen Unterschied. Oder die Frage, in welchem Land der Provider sein Rechenzentrum betreibt. Aber werde ich überhaupt weniger posten, wenn ich den CO2-Ausstoß kenne? Ich bezweifle das.

Weil viele denken: Meine privates Surfen ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Genau. Dabei stimmt das überhaupt nicht. Doch Googeln oder Posten sind noch nicht mal das größte Problem. Videos, Serien und Filme über Netflix, Amazon Prime und Co. zu streamen macht rund 80 Prozent des gesamten Internet-Verkehrs aus. Und immer mehr Bedarf heißt immer mehr Rechenzentren.

Den Menschen ihre Serien wegzunehmen, wäre eine Kampfansage.

Darum geht es nicht. Aber ich finde es wichtig, dafür zu sensibilisieren, was ich mit meinem Handeln auslöse und welche Alternativen es gibt. Es fängt bei banalen Sachen an. Wenn ich pünktlich zu meiner Lieblingsserie zu Hause bin, sollte ich sie mir tatsächlich lieber übers TV-Programm ansehen, statt sie zu streamen oder parallel auch noch online aufzuzeichnen. Außerdem sollte man sich abgewöhnen, alle paar Minuten aufs Handy zu schauen, um zu checken, ob es neue Nachrichten gibt – zumal das Smartphone das ja dann selbstständig anzeigt.

Gibt es durch neue Technologien auch positive Effekte auf die Umwelt?

Ja, zum Glück. Der Energieverbrauch von PCs und Notebooks hat abgenommen. Dafür ist die Eco- Design-Richtlinie der EU verantwortlich, die seit 2009 die Mindest­energieeffizienz von Produkten vorschreibt, die viel Strom verbrauchen. Auch Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit sollen dort verankert werden.

Die Netzkünstlerin Joana Moll hat den CO2-Fuß­abdruck von Google ausgerechnet: Um die Emission von einer Sekunde der weltweiten Suchanfragen wettzumachen, bräuchte es 23 Bäume. Wie können wir also insgesamt grüner surfen?

Zum Beispiel die Suchmaschine "Ecosia" nutzen. Sie gleicht den CO2-Ausstoß der Suchanfragen aus, indem jeder Werbeklick für den Regenwaldschutz investiert wird. Unnütze Newsletter und seine Karteileichen bei unbenutzten Websites löschen, die Platz und Strom verbrauchen. Und tatsächlich vielleicht mal wieder einen Film aus der Videothek ausleihen.

37% würden eher auf das Fliegen verzichten als auf ihre Serien-Stream-Seiten.
(repräsentative Online-Befragung für BE GREEN von YouGov unter mehr als 2000 Bürger*innen).
In BE GREEN, dem neuen Nachhaltigkeitsmagazin von BRIGITTE, lest ihr das exklusive Interview mit Greenfluencerin DariaDaria, in dem sie fordert: "Wir müssen Zeit neu definieren!"
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© Brigitte
BRIGITTE BE GREEN 1/2019

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