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Digital Waste Lässt er sich vermeiden?

Digital Waste
© mrmohock / Shutterstock
…oder Mails aus dem Jahr 2001? Grüner surfen ist nicht easy, wenn schon das Schreiben und Verschicken einer Mail zehn Gramm CO2 freisetzt. Wie bewege ich mich durchs Netz, ohne mega viel Digital Waste zu produzieren?
Thomas Röbke

Die gute Nachricht vorweg: Laptops und Smartphones arbeiten heute wirklich energieeffizient – überhaupt kein Vergleich zu den Computern, die vor 20 Jahren noch überall rumstanden. Andererseits hilft das nur bedingt, denn der Hauptteil des Stroms, den eine Suchanfrage, das Versenden einer E-Mail oder das Anschauen eines Videos verbraucht, fließt durch die Infrastruktur im Hintergrund. Heißt: durch Mobilnetze, Clouds und gigantische Serverparks. Und all das zusammen summiert sich gewaltig: "Der Stromverbrauch der Informations- und Kommunika­tionstechnik in Deutschland liegt bei etwa 45 Terawattstunden oder 45 Milliarden Kilowattstunden im Jahr. Für diese Menge müssen etwa zehn Kraftwerke laufen", sagt Siegfried Behrendt, Leiter des Bereichs "Ressourcen, Wirtschaften & Resilienz" am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin. "Weltweit verbrauchen IT-Geräte und -Anwendungen sogar 800 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht in etwa den gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland."

Krass, oder? Und damit nicht genug: Die Anzahl an Terawattstunden könne sich in den nächsten Jahren verdoppeln, warnt Behrendt, wenn wir weiter so wie bisher durchs Netz surfen und Nächte durch binge-watchen. Behrendt ist davon überzeugt, dass das Klimaziel von Paris, also den von Menschen gemachten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, nur zu erreichen ist, wenn man Surfen, Streamen, Server & Co. miteinbezieht. Und da sind wir alle gefragt.

Welche grünen Suchmaschinen gibt es?

Erst mal kurz festhalten: Die Netzkünstlerin Joana Moll hat 2015 errechnet, dass die Welt sekündlich 45000 Dinge googelt, was einen CO2-Ausstoß von fast 500 Kilo bedeutet – oder jede Sekunde eine Autofahrt von Berlin nach Madrid! Immerhin: Heute bezieht Google einen Großteil seines Stroms aus erneuerbaren Energien. Doch es geht noch grüner: Ecosia ist bereits jetzt zu 100 Prozent öko und verspricht, 80 Prozent des Gewinns in Baumpflanzprojekte weltweit zu investieren. Auf der Startseite kann man zuschauen, wie der Zähler im 0,8-Sekunden-Takt weiter tickt: Ende September stand er bereits bei 110 Millionen Bäumen.

Fun Fact: Etwa 45 Suchanfragen bringen einen Baum. Aber: Damit Bäume überhaupt gepflanzt werden können, müssen die Nutzer auch auf die Anzeigen klicken, erst dann fließt dafür das Geld. Eine Alternative ist Gexsi. Die Macher wählen und supporten alle zwei Wochen ein Social-Entrepreneurship-Projekt, das die 17 UN-­Nachhaltigkeitsziele fördert.

Gibt es klimaneutrale E-Mail-Anbieter?

Das Verfassen und Versenden einer E-Mail mit rund einem Megabyte setzt ca. zehn Gramm CO2 frei. Zum Vergleich: Macht man das zehnmal am Tag, entspricht das übers Jahr dem CO2-Ausstoß von 250 gefahrenen Autokilometern. Übrigens: Habt ihr auch noch Mails, die locker 15 Jahre alt sind? Ist leider ziemlich schlimm, denn jede herumliegende Mail frisst was? Richtig: CO2. Der Fußabdruck lässt sich reduzieren, wenn nicht nur wir selbst, sondern auch der Mail-Provider Ökostrom nutzt, wie posteo.de und mail.de. Cool ist, dass mail.de nach eigenen Angaben zusätzlich seine Server entlastet, in- dem Spam (über 95 Prozent des E-Mail-Aufkommens!) schon blockiert wird, bevor er die Server erreicht.

Marie Nasemann "Be green"-Covershooting

Wie geht Surfen mit weniger Digital Waste?

Jetzt müssen wir stark sein: indem wir bewusst klicken, anstatt uns fröhlich treiben zu lassen, denn "aus ein, zwei, drei Klicks werden beim Surfen ganz schnell zehn, 20, 30", weiß Behrendt. Und damit wieder ein Haufen CO2. Er rät außerdem, sich abzugewöhnen, Dinge wie Arzttermine oder Einkaufslisten abzufotografieren und sich als Erinnerung zu schicken. Der gute alte Zettel tut’s doch auch.

Darf ich überhaupt noch binge-watchen?

332,8 Millionen Tonnen betrug der CO2-Ausstoß durch Videostreaming 2018, Schätzungen zufolge gehen 58 Prozent des gesamten Datenvolumens auf unser ­Binge-Watching zurück. Aber: Entscheidend dabei ist, welches Medium wir nutzen. Videoschauen auf dem Smartphone oder Tablet in SD-Auflösung setzt pro Stunde zum Beispiel bis zu 35 Gramm CO2 frei. Auf einem 65-Zoll-Fernseher dagegen schlägt die Video­stunde mit etwa 880 Gramm CO2 zu Buche, das ist das 25-Fache! Aber als Idee: Vielleicht tut es ja hin und wieder auch eine alte DVD? Und noch ein Tipp: Die kostenlose Streaming-App "BetterStream" bietet nicht nur grüne Filme und Podcasts, sondern kompensiert auch den erzeugten CO2-Ausstoß. Immerhin.

Mal was ganz anderes: Spricht eigentlich was gegen das Speichern in Clouds?

Oh ja, sogar eine Menge. "Bitte nicht permanent alles speichern und dann noch in der Cloud duplizieren", rät Siegfried Behrendt. "Fotos, die ich bereits verarbeitet habe, entferne ich beispielsweise wieder aus der Cloud." Eine weitere Frage, die sich jeder stellen sollte: Benötige ich dasselbe Motiv aus 20 Perspektiven? Tipp: Daten, auf die man lange Zeit eher nicht zurückgreifen wird, aber auch nicht löschen möchte, speichert man besser auf (externen) Festplatten oder USB-Sticks. Damit entlastet man sein Gerät und die Cloud.

Sollte ich meinen Rechner zwischendurch aufräumen?

Weniger Daten auf der Festplatte bedeuten weniger Rechenarbeit, damit schnellere Zugriffszeiten und somit auch weniger CO2-Ausstoß. Die Antwort lautet also ganz klar: ja! Seinen E-Mail-Account sollte man dann gleich mit entschlacken und neben unnützen E-Mails auch nicht benötigte Newsletter abmelden. Wir werden nicht müde, es zu sagen: Auch das sind alles Daten, die stromintensiv in Rechenzentren aufbewahrt und gespeichert werden – übrigens auch noch mit Back-ups.

Onlineshopping ist wohl auch keine gute Idee?

Sinnvoll wäre es natürlich, nur noch dort einzukaufen, wo die Server auch mit grüner Energie laufen, was beispielsweise bei Amazon weniger der Fall ist. Eine Liste der besten grünen Onlineshops zeigt Utopia unter utopia.de/bestenlisten/onlineshops. Die dort angebotenen Produkte (Kleidung, Kosmetik, Lebensmittel) sind zudem oft nachhaltig produziert und verpackungsarm. Kleiner Schlechtes-Gewissen-Zeigefinger: Auch die grünsten Server nützen wenig, wenn man Bestelltes wieder massenweise zurückschickt. Ihr wisst ja: am besten nur das online bestellen, was man wirklich braucht.

Was ist ökologischer – im WLAN zu surfen oder Daten mobil zu empfangen?

Experte Behrendt sieht es mit Sorge, dass sich das Strea­ming mit immer größeren Mobildatenpaketen in den mobilen Bereich verlagert: "Das Energieintensive ist die Speicherung und Übertragung in und von den Rechenzentren. In dem Moment, wo man das auch noch mobil macht, steigt der Stromverbrauch enorm." Kabel und WLAN verbrauchen deutlich weniger Energie und sind daher auf jeden Fall die bessere Option.

Das Handy geht schon wieder nicht. Was sollte ich beim Kauf eines Endgeräts beachten?

Laptops, Smartphones und Tablets werden immer kleiner und energieeffizienter. Doch Behrendt warnt: "Die Umweltbelastungen entstehen dort, wo das Gerät hergestellt wird. Also vor allem in Fernost. Und dort sind sie besonders hoch, weil die Umweltstandards niedrig sind." Wir wissen es ja längst: Geräte möglichst lange nutzen. Smartphone oder Tablet können meist gut repariert, der Speicher erweitert und der Akku ausgetauscht werden. Die Frage ist doch: Brauche ich wirklich das neueste Modell? Oder tut es auch das alte noch eine Weile?

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In BE GREEN, dem neuen Nachhaltigkeitsmagazin von BRIGITTE, lest ihr das exklusive Interview mit Greenfluencerin Marie Nasemann: "Ich will den Modewahnsinn nicht mehr befeuern."
© Brigitte
BRIGITTE BE GREEN 02/2020

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