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Bauen in der Zukunft Bitte CO2-frei

Bauen in der Zukunft: ein begrüntes Hochhaus in Mailand
© MC MEDIASTUDIO / Shutterstock
Haltet euch fest: Mit 40 Prozent ist die Bauindustrie der schlimmste Verursacher von CO2-Emissionen. Höchste Zeit zu überlegen, wie wir künftig leben wollen! Die coolsten nachhaltigen Wohntrends – von A bis Z.

Abfall

Ein echter Albtraum: Mit fast 231 Millionen Tonnen sorgen Bauabfälle für mehr als die Hälfte des deutschen Mülls. Ein Teil wird zwar recycelt, aber es ist noch Luft nach oben: Weitere 120 Millionen Tonnen CO2 könnten eingespart werden. Wie? Die Firma Rubble Master aus Österreich stellt Brecher her, um Beton zu zerkleinern und dann zu recyceln. Das Beste: ist viel wirtschaftlicher als entsorgen!

Bauen in der Zukunft: Amager Bakke
Role Model– Die Anlage "Amager Bakke" ist nicht nur eine Skipiste, sie entsorgt auch den Müll von ganz Kopenhagen, verwandelt ihn in Energie und versorgt damit rund 220 000 Haushalte mit Fernwärme und Strom
© OliverFoerstner / Adobe Stock

Baustoffe der Zukunft

Erstens: Stroh. Alte Idee, neu verwertet: Die Zimmerei "Grünspecht" aus Freiburg baut ihre Häuser mit Stroh – mit Wänden aus Holzrahmen und Strohballen von regionalen Bauern. Das anschließend mit Lehm verputzte Haus ist winddicht, brandgeschützt und hat ein besonders gutes Raumklima. Noch arbeitet nur eine Minderheit in Deutschland mit dem Material – Nachahmer dringend erwünscht.

Zweitens: Obst- und Gemüsereste. Ja, richtig gelesen: Forschende aus Japan stellen aus Bananen-, Zwiebel- und Orangenschalen sowie Chinakohl einen Baustoff her, der ähnliche Eigenschaften hat wie Beton. Mit Kohl ist er sogar noch dreimal bruchfester! Damit könnte auch gleichzeitig das Problem der Lebensmittelverschwendung gelöst werden.

Und drittens …

Carbon-Beton

Das Material kommt noch groß raus! Warum? Carbonbeton rostet nicht, braucht also keine Betondeckung wie Stahlbeton. "Das Gewicht an Fassaden oder Fußgängerbrücken lässt sich damit halbieren, wir brauchen bis zu 50 Prozent weniger Beton, und auch der CO2-Ausstoß reduziert sich um etwa 30 Prozent", so Christian Kulas, Geschäftsführer der Firma Solidian in Albstadt, mit deren Hilfe schon mehrere Gebäude und Brücken aus Carbonbeton realisiert wurden. Top: Deutschland ist Vorreiter bei der Entwicklung des Materials.

Dachziegel

… aber als Solaranlage! Statt monströser Anlagen auf Dächern gibt‘s jetzt kompakte Solarziegel oder In-Dach-Fotovoltaikanlagen. Bei Letzteren werden die Solarmodule direkt auf den Dachlatten installiert. Diese großflächige Methode spart Ziegel, Kosten und ist – anders als bei vielen kleinen Solarziegeln mit lauter Verbindungen untereinander – auch weniger schadensanfällig.

Emissionsfrei

… sollen in Oslo ab 2025 alle Baustellen sein. Dann werden nur noch Bagger, Lkw, Bohrgeräte & Co. angeschafft, die mit Ökostrom laufen. Auch Heidelberg hat sich dazu verpflichtet, dass ab 2030 ein Großteil der Stadt emissionsfrei ist. Und Berlin plant als Mitglied der C40 "Cities Climate Leadership Group" eine Null-Emissionszone. Läuft!

Farm House

Wie kann man Wohnen und Nahrungsproduktion miteinander verbinden? Das Studio Precht bei Salzburg hat dazu ein Projekt ausgetüftelt: "The Farmhouse" besteht aus stapelbaren Holzmodulen, dazwischen liegen Anbauflächen. Ein Baukastenprinzip für Einfamilien-, Hoch- oder Tiny-Häuser im Dreiecksformat. Da ziehen wir ein!

Gemeinschaft

Wohnforscherin Christine Hannemann träumt davon, ganz auf Einfamilienhäuser zu verzichten. Ihre Idee: In Mehrfamilienhäusern kleine Privatflächen mit Küche und Bad errichten, dazu gibt’s Gemeinschaftsflächen wie Waschkeller, einen Raum mit langem Tisch oder Sitzecken im Treppenhaus. Nicht nur grün, sondern auch ’ne Idee gegen Einsamkeit im Alter.

Holz

Vorteil: Unser Lieblingsbaustoff wächst von allein nach! Am besten eignen sich die heimischen Arten Kiefer, Eiche und Robinie aus nachhaltigem Anbau, wo nach dem Fällen nachgeforstet wird. Blöd: In der Pandemie ist der Holzpreis um 38 Prozent gestiegen. Allerdings relativieren sich die Kosten, wenn man Unterhalt und Entsorgung einbezieht. Wichtig: sich jetzt nicht allein auf einen Baustoff zu stürzen. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollten Beton, Holz und Stahl klug kombiniert werden, raten Experten.

Bauen in der Zukunft: ein Holzhaus
© Westend61 / Getty Images

Intelligente Fassaden

… sind so konstruiert, dass sie auf die Umwelt reagieren: Sie nutzen Sonne, Erdwärme oder Luftströmung, um das Haus je nach Bedarf zu heizen, zu kühlen oder zu beleuchten. Ein automatisiertes System dahinter arbeitet dabei wie eine Art "Gehirn": Es analysiert die Lage und steuert daraufhin alle Module an der Fassade. Klingt verrückt, ist aber schon Realität.

Jeansstoff

… zur Gebäudedämmung? Geht! Denn die Baumwollfaser ist super darin, Wärme zu isolieren. Unter der Marke "UltraTouch™ Denim Insulation" ist in den USA eine Dämmmatte auf dem Markt, die einen Recyclinganteil von 80 Prozent hat. In Europa arbeitet bereits die britische Firma "Inno-Therm®" mit Jeans, die bei der Produktion entsprechender Dämmmatten Energie sparen und daher grüner sind als die sonst übliche Mineralwolle. Und recycelbar wäre das Ganze auch noch.

Kreislauf-Wirtschaft

Das Problem: "Bei uns ist es immer noch günstiger, gebrauchte Baustoffe zu entsorgen statt zu verwerten. Erst wenn die Politik den Recyclingprozess aller Baustoffe zur Auflage macht, wird Kreislaufwirtschaft real", sagt die Architektin Annabelle von Reutern, die beim Start-up restado Architekten und Bauunternehmen berät.

Long Life

Bis 2050 werden mehr Menschen über 60 Jahre alt sein als unter 15 – wir leben dann in einer "Silver Society". Damit ist klar: Der Bedarf an altersgerechten Wohnungenund Mehrgenerationenhäusern wird steigen.

Nachhaltig Wohnen

Beim Thema "Nachhaltig Wohnen" liegt Deutschland im europäischen Vergleich aktuell auf Platz drei. Nur Schweden und Portugal wohnen grüner. Was bei uns noch hinkt: DieNutzung erneuerbarer Energien – die machen nämlich nur 17 Prozent unseres Gesamtenergieverbrauchs aus.

Office

Das klassische Büro hat durch Corona eh ausgedient. Das Zauberwort ist Homeoffice. Doch längst heißt das nicht mehr nur Schreibtisch im Schlafzimmer. Vorstellbar sind ganze Nachbarschafts-Coworking-Spaces oder Büros, die in die Wohnquartiere integriert werden. Oder: Warum nicht gleich arbeiten aufm Dach? Die alte Fabrik "Idea Factory" in Taiwan bietet auf ihrem Dach nicht einfach Rooftop-Bars an, sondern "Baum-Räume", die als Office, Spielplatz, Fitnessraum oder Tanzstudio genutzt werden können. Die Bäume dienen als Wände. Kein Beton, nur grün. We love!

Pflanzen

Ein Vorbild für grünes Stadtleben ist die geplante "Smart Forest City" im mexikanischen Cancun, wo 130 000 Menschen zusammen mit 7,5 Millionen Pflanzen leben sollen. Wir fragten Wirtschaftswissenschaftlerin Anne-Sophie Christmann, die an der Uni Hohenheim zu "naturbasierten Lösungen in Smart Citys" forscht:

Wäre das auch in Deutschland denkbar? Aktuell ist das eine Zukunftsvision. Bei uns ist zu viel Fläche versiegelt. Und wir können nicht einfach Bauten abreißen, um Freifläche zu bekommen. Stattdessen sollten wir in kleineren Schritten denken: Rooftop-Farms und das Begrünen von Balkonen, Dächern oder Fassaden.

Woran forschen Sie gerade? Wir untersuchen, wie noch mehr Bäume in Städte integriert werden können. Bis jetzt überlebt von den gepflanzten Bäumen nur die Hälfte das erste Jahr. Die Wurzeln sind oft zu kurz, um an Wasser zu kommen. Es braucht eine smarte Bewässerung, die via Sensorik ermittelt, ob der Baum Wasser braucht. So funktionieren begrünte Fassaden schon, von denen wir noch viel mehr bräuchten. Nur sind die noch teuer, man braucht dazu eine Genehmigung – das wird vom Staat noch nicht genug gefördert.

Das heißt: Die Technik wäre bald da, aber ob grüne Städte finanziert werden, steht in den Sternen? Noch haben nicht alle Entscheidungsträger:innen verstanden, wie wichtig der Wandel ist. Es führt kein Weg daran vorbei, Natur in die Stadt zu holen. Wir Forscher:innen können aktuell nur anbieten, was technisch möglich wäre.

Qualität

Ökologische Qualität beim Hausbau liegt voll im Trend. Was das ist? Na, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren zum Beispiel, Emissionen zu vermeiden, Abfälle über den Gebäudelebenszyklus zu minimieren. Laut einer Studie von Interhyp nannten neun von zehn Menschen Umweltschutz und das Einsparen von Energie als ihre Topziele beim Bauen. Problem: Nur 13 Prozent wollen auch mehr dafür bezahlen …

Revitalisierung

Ein uncooler Trend in den Städten ist es aktuell, Häuser abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen – dabei ist Sanieren immer ökologischer. In Zahlen: 2020 wurden bei uns 1091 Gebäude mit drei oder mehr Wohnungen abgerissen, während etwa 100 000 neue Wohngebäude entstanden. Um aber das Klimaziel von 1,5 Grad zu erreichen, müsste die Sanierungsquote bei Altbauten von einem auf vier Prozent pro Jahr erhöht werden. Die Initiative "Architects for Future" fordert deshalb eine Bauwende, die Sanierungen vereinfacht und das Bauen mit gesunden und kreislauffähigen Materialien von der Politik fördert.

Sponge City

Role Model für einen Ort, der Regenwasser sinnvoll nutzt, ist die Hamburger Neubausiedlung "Am Weißenberge". Der Trick: In einem Hohlkörper unter der Dachbegrünung kann sich bis zu 3 cm Regenwasser sammeln. Das meiste davon verdunstet über die Pflanzen. Regnet es mehr, fließt das Wasser über Rohre und Rinnen zwischen die Häuser. So kommt es an die Baumwurzeln, die das Wasser später wieder abgeben und so die Luft kühlen. Und schon könnten Überflutungen bei Starkregen der Vergangenheit angehören.

Tiny House

Nach wie vor DER Hype: Auf Google suchen monatlich 165 000 Menschen nach dem Begriff. Und eine Studie aus dem vergangenen Jahr ergab: Von den deutschen Singlehaushalten, die bis 2022 einen Hausbau planten, waren 13 Prozent an einem Tiny House interessiert. Gut so, denn die Wohnfläche hat einen krassen Impact auf unseren CO2-Fußabdruck. Im Schnitt sind Tiny Houses 28,7 Quadratmeter groß und kosten 67 000 Euro (Stand 2019).

Bauen in der Zukunft: Tiny House
© Mat Hayward / Adobe Stock

Umdenken

...ist dringend nötig beim Sand, dem nach Wasser meistgehandelten Rohstoff der Welt! Jährlich werden 40 bis 50 Milliarden Tonnen verbaut, denn in nur einem Einfamilienhaus stecken rund 200 Tonnen Sand, besonders viel im Beton. Da die Weltbevölkerung wächst, hat sich die Nachfrage in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht – der Stoff ist knapp geworden. Die Folge? Die sogenannte Sandmafia raubt die Körner illegal. Die Deutschen Helmut Rosenlöcher und Leopold Halser wollen mit ihrem Start-up "Multicon" nun Wüstensand für die Bauindustrie bearbeiten und zu Pellets formen. Das war bisher aufgrund der glatten Oberflächenstruktur nicht möglich. In Saudi-Arabien soll die erste Pilotanlage 2023 starten. We like!

Versiegelung

Wir sagen, wie es ist: Die vertretbare Versiegelung der Flächen hat in den Städten ihre Grenze erreicht. Da aber bald weiterer Wohnraum benötigt wird, empfiehlt die "Kommission für nachhaltiges Bauen am Umweltbundesamt" eine Nachverdichtung. Bitte was? Zum Beispiel Mikroapartments auf Dächern oder Mini-Impact-Häuser an bestehenden Wänden – einige Meter über dem Boden, mit wenig Grundfläche, aber dafür über mehrere Etagen. Crazy!

Wikkelhouse aus Pappe

Wohnen unter Wellpappe? Klingt nach einer nassen Angelegenheit. Doch dem Amsterdamer Studio "Fiction Factory" ist eine wasser- und sturmfeste Konstruktion aus Holz, Flachs und Frischfaserkarton gelungen: Jedes Modul besteht aus 24 Lagen Wellpappe, soll bis zu hundert Jahre halten und ist – Achtung! – in nur einem Tag fertig! Weiterer Vorteil: Es ist zu hundert Prozent biologisch abbaubar. Gibt’s übrigens auch zum Urlauben auf Helgoland, ist nur ewig ausgebucht. (wikkelhouse.com).

Gen Y

Die Millennials, also die zwischen 1980 und Ende der 90er Geborenen, haben an sich ein großes Nachhaltigkeitsbewusstsein. ABER: 70 Prozent von 1650 befragten Studierenden und Berufstätigen wünschen sich laut einer Ernst-&-Young-Studie eine Eigentumswohnung oder ein Einfamilienhaus. Räusper! Da passt doch was nicht zusammen …

Zementmüll

Bitte nicht! Warum es Alternativen braucht? Weil die Zementproduktion dreimal mehr CO2 verursacht als der weltweite Flugverkehr.

In BE GREEN, dem Nachhaltigkeitsmagazin von BRIGITTE, lest ihr Tipps, Tricks und spannende Geschichten rings um ein schönes grüneres Leben

Brigitte

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