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Stella McCartney: "Nähen? Kann ich nicht gut"

Stella McCartney ist auf der Fashion Week in Berlin zu Gast, um junge Designer zu fördern. In einem ihrer raren Interviews hat sie mit uns über ihr Leben als arbeitende Mutter gesprochen - und ihre besten Karriere-Tipps verraten.
Stella McCartney: "Nähen? Kann ich nicht gut"
© P&C

Eigentlich gibt Stella McCartney ungern Interviews (viel zu viel zu tun, keine Lust, immer wieder Fragen zu ihrem berühmten Vater), aber wenn, dann macht sie es mit Stil. Auf dem Sofa im Berliner "Soho House" hat sie es sich gemütlich gemacht: Ein Kissen liegt auf ihrem Schoß, ein Bein lässig angezogen, Tee auf dem Beistelltischchen. Nach Marc Jacobs ist Stella McCartney die neue Schirmherrin des Designer for Tomorrow Award, den Peek & Cloppenburg während der Berliner Fashion Week an Jungdesigner vergibt. Stella McCartney trägt einen feinen grauen Pullover, dazu eine Art Hosenrock und flache Schuhe. Die 41-Jährige ist das beste Model für ihre eigene Herbst-Kollektion: schlanke Figur, leichte Sommersprossen, erdbeerblonde Haare, dezentes Make-up. Sie ist das, was die Engländer gern als "easy to talk to" bezeichnen: locker, höflich und angenehm schlagfertig - und die erste Frage des Interviews stellt sie gleich selbst:

Ich kann nur raten, nicht beim ersten Buh den Kopf einzuziehen. Brust raus, weitermachen!

Stella McCartney: Kann es sein, dass Sie da einen von meinen Blazern tragen?BRIGITTE: Ja, den haben Sie vor Jahren für einen großen schwedischen Konzern (Stella McCartney für H&M, Anm. d. Red.) entworfen. Ich bin selber überrascht, dass er noch in Schuss ist...

Stella McCartney: Für diese Qualität habe ich damals ziemlich kämpfen müssen. Womit wir gleich beim Thema wären: Wer im Modegeschäft langfristig überleben will, braucht Durchsetzungskraft. Mein Großvater hat immer gesagt, Stehvermögen ist mindestens genauso wichtig wie kreatives Potenzial. Den Satz habe ich verinnerlicht.

BRIGITTE: Weil Sie zu Anfang Ihrer Karriere nicht ernst genommen wurden? Als Sie 1997 als Designerin bei Chloé anfingen, lästerte Ihr Vorgänger Karl Lagerfeld, man hätte für den Job einen bekannten Namen nehmen sollen, allerdings einen aus der Mode, nicht aus der Musik...

Stella McCartney: Mich hat das herausgefordert. Jetzt erst recht, dachte ich. Im Nachhinein kann ich verstehen, dass Lagerfeld verschnupft reagierte, als man einer 25-Jährigen seine Nachfolge zutraute. Klingt kitschig, ist aber wahr: Es war mein Traum, Mode-Designerin zu werden. Mein berühmter Name hat mir zwar einige Türen geöffnet, beweisen musste ich mich trotzdem. Aber zurück zu Lagerfeld: Frauen lassen sich manchmal zu schnell einschüchtern. Ich kann nur raten, nicht beim ersten "Buh" den Kopf einzuziehen. Im Gegenteil: Brust raus, Rücken gerade, weitermachen.

BRIGITTE: Für die Präsentation Ihrer Abschlusskollektion haben Sie Ihre Freundinnen Kate Moss und Naomi Campbell über den Catwalk geschickt. Sie ernteten Aufsehen mit Ihrer Modenschau, aber auch eine Menge Kritik für den Promi-Auftritt. Bereuen Sie das?

Stella McCartney: Nein, das würde ich heute wieder so machen. Damals war ich naiver als heute und baff, wie viel Neid das produzierte. Es hat mich aber auch darauf vorbereitet, dass es eine extra Portion Anstrengung kosten würde, der Welt zu beweisen, dass ich eine Designerin bin, mit der man rechnen muss.

BRIGITTE: Sie klingen kämpferisch.

Stella McCartney: Das musste ich sein. Anfangs war ich nur die Beatles-Tochter, und die Presse dichtete zu meinen Fotos Überschriften aus Songzeilen. Ich war wirklich erleichtert, als das endlich aufhörte. Jeder Designer hat eine andere Hürde. Am Ende geht es bei allen darum, eine eigene Identität zu entwickeln.

Stella McCartney: "Nähen? Kann ich nicht gut"
© P&C

BRIGITTE: Sie sind jetzt zwölf Jahre mit Ihrem eigenen Label im Geschäft und haben von der Unterwäsche bis zur Sonnenbrille alles entworfen. Kooperationen mit "Adidas", eine Kinderlinie für "The Gap" und sogar das britische Team für die Olympischen Spiele eingekleidet. Welches war die beste Lektion, die Ihnen auf dem Weg erteilt wurde?

Stella McCartney: Die habe ich beim Herrenschneider Edward Sexton an der Savile Row gelernt: Konzentration! Das Wesentliche im Auge zu behalten: Mode zu entwerfen, die Frauen gern tragen. Es gibt kein größeres Kompliment für mich, und ich versuche, das zu meinem Mantra zu machen. Nicht die Meinung der Kritiker zählt, sondern die der Kundin. Ich will nicht nur elitäre Mode für eine kleine Zielgruppe entwerfen, daher schätze ich tatsächlich die Zusammenarbeit mit anderen Marken. Es gelingt mir mit den Jahren immer besser, mich nicht von den Meinungen anderer ablenken zu lassen und bei mir zu bleiben.

BRIGITTE: Leicht gesagt, wenn einem der Erfolg Recht gibt, oder?

Stella McCartney: Ach, auch ich erfahre immer wieder Kritik und Häme. Das muss man aushalten. Im Modebusiness müssen immer Kompromisse gemacht werden. Mal bekommt man nicht den Stoff, den man will, dann funktioniert ein Entwurf nur auf dem Papier. Lernen, mit Frust umzugehen, hilft sehr, um nicht verrückt zu werden.

BRIGITTE: Klingt gut - wie machen Sie das?

Stella McCartney: Raus aus dem Studio, rein ins Familienleben. Meine Kinder lenken mich ab, durch sie werde ich gezwungen, die Dinge nicht zu verkomplizieren.

BRIGITTE: Sie sind Chefin eines globalen Modeunternehmens und managen gleichzeitig eine Familie mit vier Kindern; wie lässt sich das vereinbaren?

Stella McCartney: Ich bekomme gute Unterstützung. Mein Mann, die Kindermädchen und Haushaltshilfen mischen mit. Und mit viel Disziplin. Meine Tage sind mit Hilfe meiner Studio-Managerin durchorganisiert, sie kennt mich auswendig. Ähnlich verhält es sich mit meinem Design-Team. Meine Assistentin sorgt dafür, dass ich von einem Meeting pünktlich ins nächste komme. Wenn ich mich doch mal verzettele, versuche ich, Zeitfenster zu nutzen. Bestes Beispiel: das "Taxi-Date". Während ich in London von A nach B fahre, hänge ich am Telefon, oder eine Person, mit der ich Pläne schmieden muss, fährt mit. Wenn ich kann, bringe ich die Kinder morgens weg und gehe danach ins Studio. Arbeit und Wohnen sind nicht weit voneinander entfernt. Abends bin ich in der Regel um 18.30 Uhr zu Hause.

Stella McCartney: "Nähen? Kann ich nicht gut"
© Imago/APress

BRIGITTE: Ihre Kollegin Isabel Marant gab mal zu Protokoll, dass sie zwei Abende in der Woche bis in die Nacht arbeitet, da sie nach Feierabend am kreativsten ist...

Stella McCartney: Schöne Idee, aber bei mir nicht machbar. Wie viele Kinder hat sie?

BRIGITTE: Eins.

Stella McCartney: Das erklärt einiges. Ich wollte aber eine große Familie, daher akzeptiere ich auch, dass man als arbeitende Mutter mit mehreren Kindern nicht mehr viel Zeit für sich selbst hat. Tagsüber zum Yoga-Kurs gehen oder sich mit einer Freundin am Telefon verquatschen ist nicht drin. Dafür fahren wir fast jedes Wochenende raus aufs Land. Wir haben ein altes Anwesen, bauen dort Gemüse an, halten uns Pferde und Schafe. Wir sind viel in der Natur, und ich koche das, was die Kinder im Garten ernten.

BRIGITTE: Sie leben dann das Leben, das Sie als Kind erfahren haben, oder?

Stella McCartney: Genau, ich war ein Landkind und habe es sehr genossen. Interessanterweise will man am Ende seinen Kindern doch das mit auf den Weg geben, was man selbst kennen gelernt hat.

Wir sind immer noch die Einzigen in der Luxusindustrie, die keine toten Tiere zu Taschen verarbeiten.

BRIGITTE: Wie schon Ihre Mutter Linda McCartney sind Sie überzeugte Vegetarierin und verwenden auch in Ihren Kollektionen weder Leder noch Pelze. Dabei verdienen alle Mode-Labels in der Regel doch das meiste Geld mit Accessoires aus echtem Leder, oder?

Stella McCartney: Da habe ich tatsächlich Pionierarbeit geleistet. Nachhaltigkeit und organische Baumwolle sind zwar inzwischen en vogue, aber wir sind leider immer noch die Einzigen in der Luxusindustrie, die keine toten Tiere zu Taschen verarbeiten. Hinzu kommt, dass es oft viel mühsamer ist, Ersatzmaterial zu finden. Zumal ich auch besonders ehrgeizig bin, was das angeht. Ich will natürlich, dass die Schuhe am Ende genauso cool aussehen wie die Konkurrenz aus Leder.

BRIGITTE: Immerhin haben Sie mit der "Falabella"-Tasche vor zwei Jahren trotzdem eine echte It-Bag auf den Markt gebracht.

Stella McCartney: Aus gebürstetem Kunstleder! Bei jedem Entwurf steht am Anfang die Frage: Welches Material können wir verwenden? Und wird die Kundin akzeptieren, dass es genauso teuer wie Leder ist?

BRIGITTE: Akzeptieren Ihre Kinder eigentlich, dass keine Würstchen auf den Tisch kommen?

Stella McCartney: Kommen sie doch - allerdings vegetarische! Bei uns zu Hause isst niemand Fleisch. Und sollte eins der Kinder dennoch Appetit darauf entwickeln, wäre ich die Letzte, die es verbietet.

BRIGITTE: Kürzlich hat die Queen Sie zum "Officer of the Order of the British Empire" ernannt. Haben Sie vorher lange über das Outfit nachgedacht?

Stella McCartney: Nö, da habe ich auf Understatement gesetzt. Ein dunkelblauer Zweiteiler, der Rock selbstverständlich bis weit übers Knie. Selbst entworfen. Und dann habe ich das Kostüm nähen lassen. Das kann ich nämlich nicht besonders gut.

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Interview: Antje Wewer Fotos: P&C; Imago/APress Ein Artikel aus BRIGITTE 15/2013

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