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"Ich kauf nix" - glücklich durch Konsumverzicht

Shoppen verboten: Ein Jahr lang hat Nunu Kaller keine neuen Klamotten gekauft, nur Nähen und Stricken war erlaubt. Im Interview erzählt sie, wie das "Ich kauf nix"-Projekt ihr Leben verändert hat.
Die Wienerin Nunu Kaller hat ein Jahr lang genäht und gestrickt statt gekauft.
Die Wienerin Nunu Kaller hat ein Jahr lang genäht und gestrickt statt gekauft.
© Elisabeth Mondl

Die Hose für 15 Euro, das fünfte türkisfarbene Top, die Stiefel im Sonderangebot - für Nunu Kaller war Einkaufen eine Art Therapie, wenn es ihr schlecht ging. Bis sie irgendwann merkte: So kann es nicht weitergehen. Ein Jahr lang hat die 32-Jährige aufs Shoppen verzichtet und über den Selbstversuch in ihrem Blog berichtet, jetzt hat sie ein Buch mit dem Titel "Ich kauf nix" veröffentlicht. Ab Mitte Januar wird Nunu Kaller als Konsumentensprecherin bei Greenpeace in Österreich arbeiten und deren Detox-Kampagne begleiten. Passend zum internationalen Kauf-nix-Tag am 30. November hat sie uns erzählt, wie sie durch Verzicht glücklich wurde.

BRIGITTE: Was haben Sie sich denn zuletzt gekauft?

Nunu Kaller: Einen Pullover, um den ich schon sehr lange herumgeschlichen bin. Ich hatte ihn schon ins Auge gefasst, als ich nicht einkaufen durfte. Vor zwei Monaten hab ich ihn mir geleistet, ein Upcycling-Stück für ungefähr 60 Euro.

Am 30. November ist Kauf-nix-Tag. Machen Sie mit?

Im Grunde genommen mache ich da ja schon sehr lange mit. Ich werde auf jeden Fall versuchen, an dem Tag gar nichts zu konsumieren. Es ist eine gute Idee, sich vor Augen zu führen, dass man nicht jeden Tag Geld ausgeben muss.

Wie schwer wäre Ihnen so ein Kauf-nix-Tag vor Ihrer einjährigen Shopping-Diät gefallen?

Der eine Tag wäre vermutlich kein Problem gewesen. Es war ja nicht so, dass ich permanent eingekauft hätte. Ich war nicht abhängig, aber auf dem besten Weg dorthin. Mein Konto hatte ich immer halbwegs im Griff, aber ich war aus den falschen Gründen shoppen: nicht, weil ich etwas Neues gebraucht habe, sondern um mich zu trösten, zu belohnen oder abzulenken.

Was hat Ihnen das Einkaufen gegeben?

Es ist ja allgemein erwiesen, dass ein Konsumerlebnis etwas in einem auslöst. Dabei werden Glückshormone ausgeschüttet, man kriegt einen Kick. Aber wie bei jeder Sucht wird dieser Kick immer schwächer, je öfter man ihn sucht.

Nunu Kaller: "Es ist möglich, anders zu konsumieren. Man muss nur nach den Alternativen suchen."
Nunu Kaller: "Es ist möglich, anders zu konsumieren. Man muss nur nach den Alternativen suchen."
© Florian Simon/privat

Und wie ist es heute: Macht Sie einkaufen noch glücklich?

Ja, sogar viel mehr als früher. Weil ich jetzt viel bewusster und seltener einkaufe.

Würden Sie sagen, dass Sie durch dieses Jahr des Verzichts freier geworden sind?

Für mich war es eine Art Auszeit. Was mich selbst überrascht hat: Die Thematik "Ich habe nichts zum Anziehen" gab es einfach nicht. Ich wusste genau, dass ich nur die Sachen aus meinem Schrank habe, die ich miteinanander kombinieren kann - mehr nicht. Das war wahnsinnig entspannend. Im Rückblick betrachtet war das Jahr sogar einfacher als das, was danach kam. Ich versuche jetzt, kritisch und bewusst zu konsumieren. Da bist du vor massive Recherchen gestellt und machst dir viel mehr Gedanken: Wo kommt das Teil her? Brauche ich das? Passt es mir? Aber diese Recherchen sind es wert, man findet wirklich tolle Produkte und Projekte. Im Endeffekt hatte ich auch daran sehr viel Spaß.

Das ist ja oft das Problem: Obwohl wir über die vielen negativen Aspekte der Textilindustrie informiert sind, fällt es uns schwer, das eigene Kaufverhalten zu ändern.

Das war bei mir auch so. Engagiert war ich schon immer, ich fahre zum Beispiel lieber mit dem Fahrrad als mit dem Auto und kaufe mir schon lange fast ausschließlich Obst und Gemüse aus biologischer Produktion. Aber beim Thema Kleidung habe ich das alles komplett ausgeblendet. Da waren mir die Optik und der Wunsch nach Befriedigung wichtiger. Im Nachhinein kann ich mich da selbst nicht mehr verstehen. Die konventionelle Textilproduktion ist ein Bereich, in dem fürchterlich viel falsch läuft, vom Pestizideinsatz auf den Baumwollfeldern bis hin zu den furchtbaren Arbeitsbedingungen in vielen Ländern. Dabei ist es möglich, anders zu konsumieren. Es gibt Alternativen, man muss sie nur suchen.

Welche Alternativen sind das denn? Und halten Sie die wirklich konsequent durch?

Ich bin nicht zum Radikal-Öko geworden und habe immer noch Spaß an Mode. Aber bis auf eine konventionell produzierte Hose habe ich mir seit dem Verzicht nur Kleidung gekauft, die bio und fair ist. Bei Hosen ist es schwierig, weil ich sehr groß bin und Größe 44 trage. Die einzigen Hosen in Bio-Qualität, die mir damals gefallen hätten, waren für mich nicht bezahlbar. Da war leider das Preisargument entscheidend, in anderen Fällen lasse ich das nicht gelten. Weil ich insgesamt viel weniger kaufe, kann ich inzwischen alle paar Monate in ein gutes Teil investieren. Außerdem bin ich sehr viel auf Tauschpartys, da bekomme ich gratis tolle Klamotten, die anderen nicht mehr gefallen.

Würden Sie den kompletten Shopping-Verzicht weiterempfehlen?

Für mich war es die allerbeste Entscheidung. Ich weiß nicht, ob ich es anderen Leuten empfehlen soll, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Der einen tut es gut, einmal durchzurechnen, wie viel sie tatsächlich für Klamotten ausgibt - und dann auf die Bremse zu steigen. Für andere reicht es, sich ein Budget zu setzen. Wiederum andere brauchen keine Auszeit, die stellen ihr Einkaufsverhalten direkt aufgrund der Geschehnisse in Bangladesch und anderen Produktionsländern um. Viele meiner Freunde zum Beispiel kaufen eh schon wenig, die wollen jetzt schauen, wie sie sich besser, also bio und fair, kleiden können. Es muss nicht immer eine Auszeit sein.

In Ihrer Auszeit haben Sie auch das Selbermachen für sich entdeckt. Shoppen war verboten, aber Nähen und Stricken erlaubt. Was ist das Schöne daran?

Wenn man mit einem Pullover, den man selbst gestrickt hat, vor die Tür geht und Komplimente dafür bekommt, fühlt man so einen ganz eigenen, besonderen Stolz. Das macht einen einfach glücklich.

In Ihrem Buch schreiben Sie auch über eine Idee namens "Strickfilm" - was genau ist das?

Es gibt in Wien ein altes Kino, die Breitenseer Lichtspiele, in dem an bestimmten Abenden (ein bis zweimal pro Monat) das Licht abends nur gedimmt wird. So kannst du dir einen Film anschauen und siehst gleichzeitig, was du strickst. Es ist so nett, dazusitzen und zu stricken - und um dich herum klackert es überall. Ohne die Shopping-Diät hätte ich das nie kennengelernt.

Nunu Kallers neue Shopping-Regeln:

Das Buch

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"Ich kauf nix - Wie ich durch Shopping-Diät glücklich wurde" ist als Taschenbuch im KiWi-Verlag erschienen und kostet 8,99 Euro. Hier können Sie es

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