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H&M - Das Geheimnis des Erfolges

Diese Frau weiß ziemlich genau, was in Ihrem Kleiderschrank hängt: Ann-Sofie Johansson ist die Chefdesignerin von H&M. Sie hat BRIGITTE Redakteurin Anne Petersen jetzt erklärt, wie es der Moderiese schafft, die ganze Welt anzuziehen.

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BRIGITTE: Sie haben mich heute Morgen ganz schön in Verlegenheit gebracht.

Ann-Sofie Johansson: Ich? Warum?

BRIGITTE: Weil ich mich gefragt habe, was man bloß anzieht, wenn man die Chefdesignerin von H&M trifft. Und dann stand ich vor meinem Schrank und stellte fest: 80 Prozent seines Inhalts stammen von H&M.

Ann-Sofie Johansson: Klingt doch gut.

BRIGITTE: Nur, wie ist das möglich? Und ich bin ja nun wirklich kein Einzelfall.

Ann-Sofie Johansson: Wir sind eben gut in allem, was wir tun - in der Mode, in der Qualität und im Preis.

BRIGITTE: Das behaupten andere Firmen auch von sich. Trotzdem prägt kaum ein Label die Modelandschaft so wie H&M.

Ann-Sofie Johansson: Jeder Kunde soll nach Möglichkeit jedes Mal, wenn er bei uns ist, etwas Passendes finden. Darum haben wir unterschiedliche Konzepte für unterschiedliche Modestile. Unsere Läden verlässt kaum jemand, ohne etwas zu kaufen.

BRIGITTE: Sie sagen es - und wenn es der zehnte V-Ausschnitt- Pullover ist. Was ist Ihr Trick?

Ann-Sofie Johansson: Das frühzeitige Erkennen von Trends. Wir beginnen mit dem Entwerfen einer Kollektion etwa ein Jahr im Voraus. Dazu besuchen wir Trendseminare, reisen viel und gehen auf die großen Stoffmessen, beispielsweise die in Paris. Die Informationen, die wir dabei sammeln, mixen wir mit den letzten Verkaufszahlen und mit dem, wovon wir denken, dass es unseren Kunden gefallen könnte. Und wenn es wirklich mal sein muss, schaffen wir es von der Skizze zum fertigen Artikel auch in wenigen Wochen - eigentlich ganz einfach und keine große Wissenschaft.

BRIGITTE: Ein bisschen Bauchgefühl ist also auch dabei.

Ann-Sofie Johansson: Sicher. Aber wir gehen in erster Linie systematisch vor. Darum haben wir verschiedene Designabteilungen wie Männer, Frauen, Kinder und Unterabteilungen wie Klassik, Alltag und Trendkonzept.

BRIGITTE: Und deshalb haben die Kunden immer wieder das Gefühl "Dieses Teil ist nur für mich gemacht", wenn sie bei H&M einkaufen . . .

Ann-Sofie Johansson: Genau das ist unser Ziel, und dafür müssen sich die verantwortlichen Designer streng nach der jeweiligen Zielgruppe richten.

BRIGITTE: Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Ann-Sofie Johansson: Etwa 100 Designer, und wir alle arbeiten sehr eng mit unseren Musterzeichnern und Einkäufern zusammen. Ich arbeite intensiv mit dem Team der Chefdesigner der einzelnen Unterabteilungen; wir geben die Richtung vor und entscheiden uns für bestimmte Schlüsselteile, meine Kollegen geben die Ideen an die einzelnen Teams weiter.

BRIGITTE: Produzieren Sie Teile, die besonders gut laufen, für die nächste Saison noch mal?

Ann-Sofie Johansson: Wenn es noch in ist, updaten wir den Entwurf, so dass ein neues Teil herauskommt. Aber es gibt natürlich auch Basics, die von Saison zu Saison weiterleben, wie das schlichte schwarze T-Shirt. Das Design funktioniert wie eine Pyramide: unten ist die Grundausstattung, in der Mitte das, was aktuell ist, und in der Spitze die gewagten Trends, die wir auch in kleinen Auflagen produzieren können, um zu schauen, ob es dafür eine Nachfrage gibt.

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BRIGITTE: Ihre Vorgängerin Margareta van den Bosch hat Sie vor über 20 Jahren eingestellt. Damals wurde freitags in den Designateliers noch selbst gebackener Kuchen mitgebracht. So gemütlich scheint es heute nicht mehr zuzugehen . . .

Ann-Sofie Johansson: Die Arbeit der Designer hat sich natürlich sehr verändert. Als ich bei H&M anfing, waren wir vielleicht zehn Leute und haben noch alle Skizzen mit der Hand gezeichnet. Heute passiert das am Computer, und die Musterteile werden direkt an unseren Produktionsorten, zum Beispiel in Indien oder Polen, genäht. Zeit zum Zeichnen habe ich heute nur noch auf Reisen.

BRIGITTE: Welche Städte liefern die beste Inspiration?

Ann-Sofie Johansson: Paris und London, aber auch New York und Tokio sind inspirierend. Wo man schaut, ist aber eigentlich egal. Mode ist heute nahezu globalisiert.

BRIGITTE: Woran internationale Bekleidungs-Multis wie H&M ja nicht ganz unschuldig sind: Sie betreiben über 1500 Geschäfte in derzeit 29 Ländern, nach Griechenland und Ägypten eröffnen Sie im Herbst den ersten Store in Japan, Russland folgt 2009. Und überall kaufen die Leute tatsächlich exakt die gleichen Klamotten?

Ann-Sofie Johansson: Im Grunde genommen schon. Bis auf kleine Ausnahmen: Die Schweizer zum Beispiel haben zu unserer Überraschung die Tigerprints der Roberto- Cavalli-Kollektion besonders geliebt.

BRIGITTE: Und die Deutschen?

Ann-Sofie Johansson: Bedaure. Zwar haben wir mit über 300 Läden in keinem anderen Land so viele Geschäfte wie bei Ihnen, aber mir fallen keine deutschen Besonderheiten ein. Früher gab es mehr Unterschiede, heute haben durch das Internet alle Zugang zu denselben Informationen und orientieren sich an denselben Celebrities - ein wichtiger Trendfaktor.

BRIGITTE: Und was ist mit der Designermode? Ihnen wird ja nicht selten vorgeworfen, Sie kopierten vieles direkt von den Laufstegen.

Ann-Sofie Johansson: Natürlich verfolgen auch wir die großen Designerschauen. Wenn sich dort ein bestimmter Trend abzeichnet, Blumenmuster zum Beispiel, dann folgen wir ihm vielleicht. Meist haben wir ihn allerdings längst. Teilweise korrigieren wir auch unsere Richtung, weil wir merken: Wir haben doch nicht genug Blumen. Wenn ein Designer sehr angesagt ist, lassen sich alle anderen - auch die großen Labels - von ihm inspirieren. Miuccia Prada hat zum Beispiel diesen Einfluss.

BRIGITTE: . . . aber längst nicht so viel wie Sie. Was der amerikanische Präsident für die Weltpolitik ist, sind Sie für die Mode: Sie kleiden die Welt ein. Wie fühlt sich das an?

Ann-Sofie Johansson: Ach, das klingt mir zu groß. Ich mache einfach das, was mir seit Jahren viel Spaß macht, und denke nicht darüber nach.

BRIGITTE: Sie verschließen also lieber die Augen vor den Millionen von Frauen, die sich im vergangenen Jahr äußerst unvorteilhaft in viel zu enge Röhrenjeans gequetscht haben?

Ann-Sofie Johansson: Wir achten wirklich so sehr darauf, was die Kunden wollen - vermutlich würde es mir nie gelingen, die gesamte Menschheit hässlich anzuziehen.

Ann-Sofie Johansson, 44, jobbte während ihres Kunststudiums in einem H&M-Geschäft in Stockholm, bevor sie 1990 Designassistentin wurde. Sie leitete die Jugend- und die Damenmodeabteilung und folgte im Frühjahr Margareta van den Bosch, 65, als Chefdesignerin bei H&M nach. Die aktuelle Herbstkollektion ist die letzte, die van den Bosch verantwortet hat

Die H&M Mode Trendvorschau für den Herbst 2008

Für die neue Saison haben Margareta van den Bosch und Ann-Sofie Johansson mit vier Trends gearbeitet:

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Tailoring: Stark geschnittene Teile, angelehnt an die britische Maßschneiderei und die Kostüme der 40er Jahre mit betonter Taille.

Folk: Strick von Kopf bis Fuß, mehrlagig und mit vielen Accessoires.

Dekadenz: Mode, inspiriert von den Zwanzigern, etwas dunkler und damit dramatischer - ein bisschen Gothic für die jüngeren H&M-Kunden.

Kunst: Kleider, deren Muster und Schnittführungen von Künstlern wie Mark Rothko oder Jackson Pollock inspiriert sind - ein exzentrischer Kleidungsstil mit vielen gewagten, ungewöhnlichen Farbkombinationen.

Das Mode Label H&M

1947 gegründet, erzielte im Jahr 2007 mit 1522 Filialen in 28 Ländern einen Umsatz von 9,7 Mrd. Euro. Das schwedische Unternehmen ist so nach Inditex aus Spanien (3500 Läden, u. a. Zara) die zweitgrößte europäische Bekleidungskette. Anders als sein größter Konkurrent hat H&M keine eigenen Produktionsstätten, sondern arbeitet mit rund 700 Herstellern zusammen, die zu 60 % in Asien sitzen, der Rest in Europa. Parallel zur Premiere der Comme-des-Garçons- Kollektion von Rei Kawakubo für H&M wird in diesem Herbst in Japan die erste Filiale eröffnet, für 2009 ist das erste Geschäft in Moskau geplant. Eine Interior-Linie von H&M soll ab November oder Dezember dieses Jahres online zu kaufen sein. Im Zusammenhang mit Entwicklungsländern und Billigtextilien stellt sich zwangsläufig die Frage nach den Produktionsbedingungen und Problemen wie Kinderarbeit. H&M hat deshalb seit 1997 einen Verhaltenskodex: Unter anderem sind Aufträge an bestimmte Arbeitsbedingungen und Schutzvorschriften geknüpft. Zur Kontrolle beschäftigt H&M rund 60 Auditoren, die regelmäßig ohne Anmeldung die Betriebe besichtigen. Seit 2006 ist H&M auch Mitglied der Fair Labour Association (FLA).

Fotos: Oldie Hain Text: Anner Petersen Ein ARtikel aus der BRIGITTE 18/08

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