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"Mit Kopftuch kannst du keine Designerin werden? Quatsch!"

Meriem Lebdiri aus Germersheim in der Pfalz entwirft "modest fashion" für Muslima. Ein Gespräch über Kopftücher, Style und ihren großen Traum.

Selbst ist die Frau: Weil sie partout keine passende Kleidung für sich fand, beschloss Meriem Lebdiri aus dem pfälzischen Germersheim: Ich mache mir die Mode einfach selbst. Nach ihrer Ausbildung zur Designerin brachte sie Ende 2012 ihre erste eigene Kollektion auf den Markt gebracht: hochwertige, modische Teile für Frauen, die sich aus religiösen Gründen bedeckt kleiden möchten. Die 29-Jährige ist eine der wenigen deutschen Designerinnen, die so genannte "modest fashion" entwerfen - und damit international erfolgreich sind. Ihr Label nennt sie Mizaan, das arabische Wort für Balance.

Die Designerin Meriem Lebdiri im Interview

BRIGITTE.de: Muslima sein und gleichzeitig sehr stylisch – wie passt das zusammen?

Meriem Lebdiri: Sehr gut! Es schließt sich überhaupt nicht aus, auf bestimmte Werte zu achten und gleichzeitig Spaß an Mode zu haben.

Was genau ist denn "modest fashion"?

Modesty ist das englische Wort für Bescheidenheit, Zurückhaltung oder Dezenz. Auf diesen Werten baut "modest fashion" auf. Es ist im Grunde genommen Kleidung, die die Trägerin bedeckt. Manche Frauen entscheiden sich, zusätzlich ein Kopftuch zu tragen, das ist aber nicht zwingend. Wie ausgefallen oder individuell man diese Bedeckung auslegt, ist letztendlich Geschmackssache.

Wie modisch kann so eine bescheidene, bedeckende Kleidung sein?

Für mich ist "modest fashion" einfach eine Stilrichtung und keine abgeschottete Parallelwelt. Wenn die Gesellschaft das irgendwann genauso sieht wie ich, sind der Mode keine Grenzen mehr gesetzt. Dann ist es einfach bedeckende Kleidung, die je nach dem Geschmack des Designers oder der Trägerin ausfällt.

Fashionistas mit Kopftuch, dem Hijab, verwenden in den sozialen Netzwerken seit einiger Zeit den Hashtag #Hijabista. Würdest du dich auch so nennen?

Das ist schwierig. Die Bewegung ist noch frisch, ich weiß gar nicht genau, was sich dahinter verbirgt. Ich würde eher sagen: Ich bin eine Designerin, die Mode macht.

Wie würdest du die Mode, die du entwirfst, beschreiben?

Ich möchte Frauen, die sich bedecken wollen, schöne Kleidung anbieten. Sie sollen genauso viele Möglichkeiten haben wie alle anderen auch und nicht mehr lange suchen müssen nach etwas, das zu ihren Bedürfnissen passt. Es ist nämlich gar nicht so leicht, Kleidung zu finden, die keine zu hohen Schlitze hat oder keinen zu tiefen Ausschnitt, die nicht zu eng sitzt, nicht durchsichtig ist - und trotzdem gut aussieht. In meiner Mode sollen sich die Frauen wohlfühlen und zur Gesellschaft zugehörig. Sie sollen darin die Berufe ausüben können, die sie möchten, und nicht länger das Gefühl haben, komplett anders als alle anderen auszusehen. Ich entwerfe Sommer- und Winterkollektionen, die immer auch dem Zeitgeist entsprechen. Dazu greife ich aktuelle Trends auf und passe sie an.

Wer sind deine Kundinnen?

Viele kommen aus dem Ausland, aus Frankreich, Großbritannien. Es sind Frauen, die im Leben stehen und wissen, was sie wollen. Oft suchen sie das Außergewöhnliche. Und sie mögen die deutschen Einflüsse.

Was ist denn typisch deutsch an deiner Mode?

Die schlichten Schnitte und die hochwertigen Stoffe.

Du hast deine Entwürfe auch schon auf Fashion Weeks in Washington und London präsentiert. Was kommt als nächstes?

Mein größtes Ziel ist es, einmal auf der Fashion Week in Berlin zu zeigen. Ich möchte ja Mode von hier für hier machen.

Vor einiger Zeit war in einem Werbevideo von H&M eine Frau mit Kopftuch zu sehen, es gab eine Abaya-Kollektion von Dolce & Gabbana, über die viel berichtet wurde. Hast du das Gefühl, dass sich gerade etwas tut in Bezug auf Mode und Moslem-Sein?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe den Eindruck, dass man heute wirklich Kosmopolit sein kann. Alles verschmilzt miteinander, es gibt kaum noch Grenzen. Natürlich ist es eine tolle Unterstützung, wenn ein großes italienisches Modehaus wie Dolce & Gabbana über „modest fashion“ aufklärt und auch dahintersteht. Trotzdem muss ich sagen, dass diese erste Abaya-Kollektion, die sich ja explizit an muslimische Frauen richtete, für mich den Beigeschmack einer Parallelgesellschaft hatte. Die Mode war sehr schön und ich habe mich darüber gefreut, aber da schwang eben diese Trennung mit: Es gibt die normale D&G-Kollektion und es gibt diese Kollektion. In der Preview für 2017 waren dagegen Styles in der normalen Kollektion mit Kopftuch zu sehen. Sie waren einfach integriert. Das ist ein richtig großes Zeichen! Mein Traum ist, dass Frauen, die sich bedecken möchten, endlich als ganz normal angesehen werden. Dass Frauen mit Kopftuch nicht mehr als beklemmend wahrgenommen werden.

Dieses Bild ist in vielen Köpfen verankert: Kopftücher werden mit Einengung, mit Unterdrückung verbunden. Du bist eine selbstbewusste junge Frau, eine Unternehmerin, die ihr eigenes Ding macht – und widerlegst damit auch bestimmte Vorurteile, oder?

Ich glaube, viele Menschen haben diese Vorurteile aus Angst und Unwissenheit und vielleicht auch, weil sie zu wenig mit bedeckten Frauen zu tun haben. Die Beklemmung und Einengung kommt in meiner Wahrnehmung eher von Seiten der Gesellschaft. Man will Frauen mit Kopftuch nicht in höheren Positionen sehen, in manchen Jobs werden ihnen Steine in den Weg gelegt. Diese Frauen ziehen sich dann vielleicht zurück und sind dadurch in gewisser Weise eingeschränkt und eingeengt.

Hast du selbst negative Erfahrungen gemacht, weil du ein Kopftuch trägst?

Als ich mit 11 Jahren angefangen habe, mich zu bedecken, musste ich mir von einigen Lehrern blöde Sprüche anhören. Als es später um die Berufswahl ging, wurde mir sehr oft gesagt, dass ich mit Kopftuch nicht Modedesignerin werden kann. Meine Antwort war immer: Wieso nicht? Ich zeichne doch mit meinen Händen und denke mit meinem Gehirn!

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