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Dänisches Label Noir: Politisch korrekt und sexy

Hinter der Mode des dänischen Labels "Noir" steht eine überzeugende Botschaft: Politisch korrekt ist sehr sexy! Wer die neue, fair produzierte Laufstegkollektion sieht, kann dem nur zustimmen. Wir haben die schönsten Teile fotografiert und den Designer Peter Ingwersen in Kopenhagen getroffen.

"Wir kaufen Mode, weil wir mit ihr eine Geschichte über uns erzählen wollen"

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BRIGITTE: Was sind die großen Trends von morgen?

Peter Ingwersen: Kommt darauf an, von welchen Trends wir reden, von "Zeitgeisttrends" oder "Modetrends". Modetrends beantworten Fragen wie "Welche Länge muss ein Rock haben? Wie trägt man welche Farbe?". Zeitgeisttrends dagegen sind langlebiger. Sie verändern die Art, wie wir einkaufen, leben, denken, Politik machen. Die große Frage der Zukunft lautet: Wie können wir sinnvoller konsumieren?

Wie können wir das in Bezug auf Mode?

Indem wir Kleidung tragen, die uns super aussehen lässt, aber gleichzeitig Menschen hilft, denen es nicht so gut geht wie uns. "Ich, Ich, Ich" - so klangen die 90er. Im neuen Millennium haben wir gemerkt: Da ist ja noch ein "Du"! Die neue Zeitgeistbotschaft lautet: Ich will klasse aussehen, aber bitte auch danach beurteilt werden, wie ich mich für andere einsetze, zum Beispiel indem ich ausbeutende Kinderarbeit ablehne.

Und diese Botschaft lässt sich am besten durch Mode vermitteln?

Wir kaufen Mode ja eigentlich nicht, weil wir sie wirklich brauchen, sondern weil wir mit ihr eine Geschichte über uns erzählen wollen. Mit Kleidung treffen wir Aussagen, senden Signale, verleihen Sinn.

Zeige mir, was du trägst, und ich sage dir... Das war doch schon immer so.

Ja, aber der Sinn des Ganzen wird immer wichtiger. Wenn auf einer Party links von mir eine Frau sitzt, die atemberaubend gut aussieht, und rechts eine Frau, die ebenso atemberaubend aussieht, mir aber auch noch erzählen kann, wo ihre Kleidung politisch korrekt produziert wurde, dann finde ich diese Frau ungleich attraktiver. Weil sie nicht nur an sich denkt.

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Ob da alle Männer so ticken?

Immer mehr. Ich jedenfalls brauche ein paar Werte in meinem Leben. Jeden Morgen, wenn ich mit dem Rad zur Arbeit fahre, freue ich mich, dass ich nicht nur hübsche Kleider entwerfe, sondern mit ihnen auch Menschen in Entwicklungsländern helfe.

Sie waren einer der Ersten, die "Fair Fashion" gemacht haben, Mode mit humanitärem und ökologischem Anspruch.

Und ich find's toll, dass jetzt so viele auf den Zug aufspringen. Kopiert ruhig meine Idee! Solange ihr meine Kleider nicht kopiert ... Toll auch, dass sich Mode und Politik näher kommen. In den letzten Jahren wurde es ja schon immer wichtiger, wo Fleisch, Eier und Kaffee herkamen, nun ziehen sich die Menschen endlich auch bewusster an.

Ist sich Mode nicht selbst genug, kann man mit ihr überhaupt Politik machen?

Absolut. Schauen Sie sich doch nur mal an, wie sehr die extrem verfeinerte Mode im 18. Jahrhundert den Absolutismus des französischen Hofs gestützt hat. Politiker nutzen die Aussagekraft von Mode, um Menschen von ihren Ideen zu überzeugen. Aber Mode bleibt sich selbst immer das Wichtigste. Nur wenn sie ein gutes Design hat, interessiert sich jemand für deine Botschaft.

Wie verpacken Sie also Ihre Botschaft?

Ich will der Welt zeigen, dass ethisch korrekte Kleidung nicht langweilig, hässlich oder trutschig sein muss, sondern richtig schick und trendy aussehen kann. Ich will soziale Verantwortung sexy machen und den Leuten sagen: Übernehmt sie bitte auch, diese Verantwortung!

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Sie sind ja ein richtiger Missionar.

Mutter Teresa bin ich aber nicht. Ich will mit meinen Sachen Geld verdienen, und ein fair produziertes "Noir"-Kleid kann durchaus 800 Euro kosten. Aber wer sich die Katastrophenberichte im Fernsehen anschaut, sollte einfach überlegen, ob er etwas tun will oder nicht. Ich will es. Ich kann die Welt nicht verändern, ich kann Aids nicht heilen, ich mache nur etwas ganz Kleines.

Aber provozieren können Sie schon. Sie spielen mit Fetisch- und SM-Symbolik, mit Lack und Leder, und über Ihre aktuelle Kollektion schrieb eine Modekritikerin: "Da ist immer etwas Perverses zu spüren ... "

Ja, fantastisch! Aber je älter ich werde, um so weniger rebelliert meine Mode, befürchte ich. In der ersten Saison hatten wir noch kein Geld für Anzeigen, da waren unsere gewagten Outfits unsere einzige Werbung. Mittlerweile sind sie gemäßigter geworden. Provokation aber ist immer gut. Und mag Sex für viele noch ein Tabu sein, ich kann sehr darüber lachen. Sex ist doch lustig.

Für die aktuelle Kollektion hat Sie die Erotik der 30er inspiriert.

Und ganz viel Deutsches: Berlin, das Musical "Cabaret", die Fotografin Ellen von Unwerth, Helmut Newton ... Und natürlich seine Frau und Muse June. Eine starke Frau, die ihren Mann geschickt dahin gebracht hat, wo er am Ende stand. Werden solche Frauen auch die Mode- Zukunft bestimmen? Eins ist mal klar: Männer haben die Welt jetzt mehr als 2000 Jahre lang gelenkt. Und das ging nicht in die richtige Richtung. Ich bin sicher, dass in den nächsten 10 bis 15 Jahren Frauen die Verantwortung übernehmen werden, weil Männer nicht viel aus ihr gemacht haben. Starke Frauen werden Unternehmen führen, Länder regieren. Viel verändern. Es ist kein Zufall, dass Angela Merkel nun an der Spitze Deutschlands steht, Hillary Clinton sich um eine Präsidentschaft bewirbt und Ségolène Royal sie um ein Haar errungen hätte.

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Was werden diese Frauen besser machen als Männer?

Immer, wenn Männer Macht ergreifen, wird ein Kampf daraus oder ein lautes Brüllen: Ich, ich, ich! Frauen führen, ohne bedrohen zu müssen. Sie sind sensibler für das, was um sie herum passiert, reagieren differenzierter auf Dinge, die alle angehen. Aber Frauen sollten auch diesen Spruch kennen: "Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin." Ich mag ihn. Ich mag böse Mädchen.

Was bleibt den Männern? Sollten sie lieber gleich das Land verlassen?

Die sind gut zum Brüten.

Wozu?

Na, die können sich doch um die Kinder kümmern. Männer müssen jetzt mal zur Seite rücken. Aber warum immer an die Männer denken? Ihr Frauen macht das doch hoffentlich vor allem für euch selbst. Männer müssen sich eben einfach umstellen. Al Gore zum Beispiel hat das bereits getan. Er ist eine moderne Frau.

Er ist was?

Er setzt auf weibliche Stärken und geht Themen wie den Klimawandel sehr emotional an. Lasst Al Gore und Hilary Clinton zusammenarbeiten - wow! Was für ein Potenzial! Auch U2-Sänger und G8-Gegner Bono ist so eine moderne Frau. Er wird mich für diesen Satz hassen ...

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Zurück zur Mode von morgen. Welche Mode brauchen die Frauen von heute?

Dicke Schulterpolster und Schnitte, die jegliche Sexualität im Keim ersticken, brauchen sie jedenfalls nicht mehr. Früher schmückten sich Indianer mit Federn, damit die Kraft und Stärke des Adlers dadurch auf sie überginge. Heute muss Mode weibliche Stärken bündeln und auf Frauen übertragen. Gebt ihnen Kurven, Rundungen, Weichheit, leichte Silhouetten und Materialien! Es geht nicht darum, Frauen in Tussis zu verwandeln, sondern ihre Weiblichkeit zu unterstreichen. Mode muss Frauen Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen verleihen. Sie sollen sich großartig fühlen.

Klingt eher nach Kleidern als nach Angela Merkels Anzügen ...

Nicht unbedingt. Frau Merkel setzt auf Klassiker aus der Männermode, aber wertet sie weiblich um. Sie macht das recht geschickt. Ich finde im Übrigen nicht, dass es nur Schwarz und Weiß gibt. Wie kann man Frauen erklären, ohne Männer zu kennen? Wie soll man die Farbe Weiß erklären, wenn man Schwarz nicht kennt?

Einer der Leitsätze von "Noir" ist "In darkness all colours agree" - im Dunkeln sind alle Farben gleich ...

Wenn wir in diesem Raum einfach das Licht ausgemacht hätten, ich Sie also nicht sehen könnte, würde ich nichts von Ihnen wissen. Ob Sie unter einer Brücke schlafen oder in einem Schloss, ob Sie Asiatin, Afrikanerin sind oder eben Deutsche. Plötzlich sind da keine Unterschiede mehr. Rasse oder soziale Herkunft spielt keine Rolle mehr. Das passiert doch alles nur im Kopf.

Und ist wohl vor allem eine schöne Vision.

Für die wir aber arbeiten. Von unserem Gewinn fließt ein Großteil in unsere eigens gegründete Stiftung, die Baumwoll-Farmer in Uganda und Tansania unterstützt. Und letztes Jahr haben wir begonnen, für unsere geplante Green- Cotton-Kollektion "Illuminati II" in Uganda Bio- Baumwolle anzupflanzen. Wir haben eine Menge experimentiert, viel Herz hineingesteckt und nun Spitzensorten herangezüchtet.

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Wie oft besuchen Sie das Projekt?

Viermal im Jahr. Baumwolle wächst nicht schneller, wenn man ihr zuschaut. Aber wenn ich dort bin, merke ich, wie sehr wir in einer Welt der Kontraste leben: Hier geben wir Geld in Massen aus, lassen Motoren an, um Klimaanlagen runterzukühlen, während in der Dritten Welt Menschen nach Wasser dürsten. Und Luxusmode, die in der Dritten Welt produziert wird - einen größeren Kontrast kann es ja wohl nicht geben. Diese Kontraste werden sich nicht auflösen. Aber wir können eine neue Balance zwischen den Extremen finden und eine Vermittlerrolle einnehmen.

Spiegelt sich diese Problematik, diese Zerrissenheit schon auf den Laufstegen der Welt wider?

Mode greift immer auch Kontraste auf. Braucht sie sogar unbedingt. Im Moment sehen wir überall viel "Hartes": schimmerndes Lackleder, Metallic-Stoffe, Hightech- Materialien. Gleichzeitig wird die Mode aber auch sehr weich, mit fließenden Silhouetten, Naturgeweben, natürlicherem Styling, mehr Volumen ... Besonders dieses Spiel mit Proportionen, mit weit und eng, wird noch eine Zeitlang weitergehen.

Da sind wir wieder am Anfang, bei den Modetrends: Und wohin geht der Mode- Zeitgeist? Wird bald jedes Label ein ethisches Konzept haben?

Für mich heißt Zukunft, nach humanitären und ökologischen Grundsätzen zu produzieren und eine politische Aussage zu haben. Für andere sieht die Zukunft anders aus. Mode ist wie ein Highway. Du fährst in einen Kreisverkehr, wo du diese Ausfahrt nehmen kannst oder jene. Es wird immer Marken geben, die einfach nur schön aussehen. Aber es wird eben auch Marken wie "Noir" geben, die eine Botschaft haben, ein Konzept, eine Geschichte. Und diese Abzweigung ist sicher keine Sackgasse.

Peter Ingwersen

Dänisches Label Noir: Politisch korrekt und sexy
© Foto: Odile Hain

Peter Ingwersen, 44, wollte eigentlich ein moderner Indiana Jones werden. Darum studierte er Archäologie, bevor er sich für Modedesign entschied. Er wurde Produktmanager bei Levi's und Geschäftsführer bei Day Birger et Mikkelsen. 2006 gründete er mit "Noir" ein Luxuslabel mit humanitärer Verantwortung, das international Aufsehen erregt und in der Modebranche hoch gelobt wird. Sein neuestes Projekt: die Green-Cotton-Linie "Illuminati II"

Fotos: Jan Rickers Interview/Text: Sina Teigelkötter Produktion: Melanie Grefer BRIGITTE Heft 17/2007

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