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SANTA FU - Mode aus dem Knast

Sie sind Straftäter in der offenen Justizvollzugsanstalt Glasmoor außerhalb von Hamburg - und sie machen Mode. Ein Besuch in den Werkstätten von SANTA FU
SANTA FU - Mode aus dem Knast
© Alena Zielinski

SANTA FU - Mode aus dem Knast

Wie ein Gefängnis sieht die Justizvollzugsanstalt Glasmoor vor der Toren Hamburgs nicht aus. Grün ist es hier. Statt Stacheldraht und grauer Gitterstäbe gibt es hier liebevoll gepflegte Vorgärten. Keine Leibesvisitation, kein stundenlanges Ausfüllen komplizierter Formulare. Nur ein lächelnder Beamter mit weißen Zähnen, der mal kurz den Personalausweis sehen möchte. Ein dicker, grinsender Mann mit rotem Holzfällerhemd wischt den Boden, immer ein und dieselbe Stelle, und pfeift.

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© Alena Zielinski

171 Sträflinge leben und arbeiten hier in Glasmoor im offenen Vollzug, unter ihnen auch zwölf Frauen. Vom Mord bis zum Schwarzfahren ist alles dabei, was im Bundesgesetzbuch Paragraf und Abschnitt hat. Abgesessen im klassischen, geschlossenen Vollzug haben die meisten Straftäter ihre Vergehen schon. Der offene Vollzug soll vorbereiten auf ein Leben nach dem Knast.

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© Alena Zielinski

Und so wird sie gemacht, die heiße Ware aus dem Knast

Durch einen malerischen Innenhof, vorbei an denkmalgeschützten Bauernhof-Gebäuden geht's zur Werkstatt, in der Sträflinge Mode machen. Fünfzig bis einhundert T-Shirts werden hier im Schnitt von vier bis sechs Gefangenen in der Woche veredelt. An den Wänden hängen Poster mit nackten Frauen, im Hintergrund läuft das Radio.

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© Alena Zielinski

Heute arbeiten hier drei Sträflinge, zwei bedrucken die Shirts, jedes einzelne in behutsamer Handarbeit, ein anderer sitzt an der Nähmaschine. Seko*, 40 Jahre alt, ist schon seit vier Monaten hier. "Die Arbeit macht mir Spaß. Ist halt was anderes", meint der gelernte Schlosser. Am besten gefalle ihm das Bedrucken der Shirts. "Da muss man sich konzentrieren und darf keine Fehler machen." Sein Kumpel Patrick*, 33, ist seit drei Monaten Freigänger. Zum Arbeiten kommt er gern in die JVA. Bis er einen "richtigen" Job im richtigen Leben hat, doch das sei eben schwierig.

* Namen von der Redaktion geändert

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© Alena Zielinski

Der Mann an der Nähmaschine ist Oscar*, 47 Jahre alt. Mit geübten Handgriffen demonstriert er stolz die spezielle Falttechnik: Erst die Seiten in die Mitte falten, glatt streichen. Dann vier Mal von unten nach oben falten, so dass ein schmaler Streifen entsteht, auf dem kaum mehr als der Schriftzug sichtbar ist. Danach vernäht Oscar die eingepackten Shirts mit Hilfe der Maschine. Wie auch Seko und Patrick sei er hier wegen "BTM". Aha. Soll heißen: Sie alle haben gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen. Sechs Monate hat er noch, Freigang keinen. Seine Familie wartet auf ihn. "Es sollten mehr Leute unsere Shirts kaufen", meint er.

* Name von der Redaktion geändert

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© Alena Zielinski
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© Alena Zielinski

Karl-Heinz Becker, Anstaltsleiter in Glasmoor, ist stolz darauf, Teil eines solch bekannten Projekts zu sein. "Ich freue mich sehr, dass dieses Projekt sowohl bei den Gefangenen als auch in der Öffentlichkeit auf so viel positives Feedback stößt". Neben dem Online-Shop beliefert die Justizvollzugsanstalt Glasmoor mittlerweile 50 Geschäfte in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz mit ihrer heißen Ware. Auch der Versand wird unter der Aufsicht des Justizvollzugsbeamten Wolfgang Mücke von hier aus koordiniert. Ein Teil des Erlöses wird an den weißen Ring gespendet, ein gemeinnütziger Verein, der Opfer von Verbrechen betreut.

Die Häftlinge können sich bei Mücke um einen Job in der modischen Werkstatt bewerben. Ein Schulabschluss oder eine Ausbildung sind hier aber keine Einstellungs-Kriterien. "Viel mehr müssen unsere Mitarbeiter ambitioniert sein. Ein bisschen handwerkliches Geschick sollten sie natürlich auch mitbringen", so Anstaltsleiter Becker.

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© Alena Zielinski

Hier muss jeder alles können

"Jeder im Team muss alles können", erklärt Mücke. Neben dem Bedrucken der Shirts lernen die Sträflinge die spezielle Falttechnik, den Umgang mit der Nähmaschine zum Einnähen der Shirts in der eigens, ebenfalls in der JVA bedruckten, Verpackung und den Versand. Doch meist bleiben die angelernten Gefangenen nur etwa drei bis sechs Monate im Betrieb.

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© Alena Zielinski

Mücke und Becker entwickelten, zusammen mit mehreren Werbeagenturen, im Laufe der Jahre immer neue Produkt-Ideen. So gibt es neben den mit stets neuen Sprüchen wie "Ich will hier raus" oder "Freigänger" bedruckten T-Shirts auch ein Kochbuch, Gesellschaftsspiele, ein Tagebuch, Handtücher, eine Knast-CD und das original "Bleib-Sauber"-Pflegeset, das auch die "echten" Sträflinge in dieser Form bei Antritt der Haft bekommen: Seife, Zahnpasta, Rasierpinsel und Rasierseife.

"Manchmal wünsche ich mir insgeheim schon, dass die guten Arbeiter vielleicht ein bisschen länger bleiben würden", so Mücke. Doch Ziel des modischen Projekts ist und bleibt nun einmal die Vorbereitung auf die Entlassung und das Leben in Freiheit.

Fotos Alena Zielinski

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