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Interview: Stuart Weitzman und die Schuhe

Der amerikanische Star-Designer weiß natürlich, wie man schöne Schuhe kreiert. Vor allem aber hat er ein untrügliches Gespür für Frauen und ihre Wünsche. Stuart Weitzman über Märchen, Macht und die heimlichen Botschaften hoher Hacken.

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BRIGITTE: Herr Weitzman, warum hat mein Freund sechs Paar Schuhe, ich aber 54?

Stuart Weitzman: Ich vermute, weil der Durchschnittsmann einen entsetzlich langweiligen Geschmack hat. Er kauft schwarz und braun und ist zufrieden. Männern fehlt einfach jegliche Leidenschaft für Schuhe. Bei Frauen sind Schuhe sozusagen im Unterbewusstsein verankert. Manchmal scheint es mir, als hätten sie eine Art Gehirnwäsche durchlaufen, so sehr lieben sie Schuhe.

BRIGITTE: Und wie muss man sich diese Gehirnwäsche vorstellen?

Stuart Weitzman: Kleine Mädchen wachsen mit Geschichten über Schuhe auf: Aschenputtel findet ihren Prinzen durch einen Schuh, Dorothy im "Zauberer von Oz" findet mithilfe magischer Schuhe den Weg nach Hause - Schuhe sind in diesen Geschichten Symbol für Stärke und Liebe. Und bis ein Mädchen eine erwachsene Frau ist und sich selber Schuhe kaufen kann, hat sie das so verinnerlicht, dass sie offenbar verloren ist . . .

BRIGITTE: Aber auf den Märchenprinzen warten die meisten erwachsenen Frauen ja eher nicht mehr - tolle Schuhe ziehen sie trotzdem an.

Stuart Weitzman: Frauen tragen ihre Schuhe, um damit ihre Persönlichkeit zu unterstreichen und um ihr Selbstbewusstsein zu stärken, indem sie zeigen, wie schön sie in ihren Schuhen sind. Hochhackige Schuhe geben ihnen das Gefühl, dass ihnen niemand etwas kann.

BRIGITTE: Ein Paar Stuart-Weitzman-Highheels machen aus einer Frau eine Diva?

Stuart Weitzman: Nein. Wie soll ein Paar Schuhe aus einer Frau eine Diva machen? Eine Frau ist eine Göttin, oder sie ist keine, sie ist sexy, oder sie ist es nicht. Und dann kann ihr ein extravagantes Paar Schuhe auch nicht weiterhelfen. Eine Frau sollte lieber nicht versuchen, etwas zu sein, was sie nicht ist, sonst wird sie zum Cartoon, nicht zur Diva.

BRIGITTE: Habe ich denn auch mit flachen, schlichten Schuhen eine Chance, sexy und aufregend zu wirken?

Stuart Weitzman: Aber selbstverständlich. Niemand würde im Ernst behaupten, Audrey Hepburn sei langweilig und unattraktiv gewesen. Diese Frau hat ausschließlich Ballerinas getragen. Und wurde ganz ohne Zwölf-Zentimeter-Absätze bewundert. Die flachen Schuhe passten viel besser zu ihrem Wesen, als es jeder mondäne Highheel getan hätte.

BRIGITTE: Also gibt es für jede Frau, egal welcher Typ, den perfekten Schuh?

Stuart Weitzman: Ja, ich glaube tatsächlich, dass es den gibt. Nur wie der ist, das vermag ich nicht zu sagen. Er kann eine Sandale sein, ein Stiefel oder ein Flip-Flop - was perfekt ist, hängt nur von derTrägerin ab. Wenn Sie einen Schuh finden, der das ausdrückt, was Sie darstellen wollen, dann haben Sie den perfekten Schuh für sich gefunden - völlig unabhängig von Stil, Absatzhöhe, Farbe oder Material.

BRIGITTE: Dann ist der Job des Schuhdesigners aber an Trends orientieren kann. Da ist dann wohl in erster Linie psychologisches Geschick gefordert . . .

Stuart Weitzman: Stimmt. Wenn ich entwerfe, denke ich wirklich nicht an Krokoleder, Absatzformen oder die Farbe Grün. Ich denke an Sie.

BRIGITTE: An mich?

Stuart Weitzman: Ja, an Sie und die vielen anderen Frauentypen, die es gibt. Ich stelle mir eine Lehrerin vor und frage mich, was für ein Schuh zu ihr passen könnte und wofür sie ihn brauchen wird. Ich denke an eine Prominente und überlege, welchen Schuh sie gern kaufen würde und zu welchem Anlass sie ihn dann trägt. Frauen lassen sich die Wahl ihrer Schuhe nämlich nicht mehr von Modemagazinen vorschreiben. Sie tragen, was zu ihrem Lebensgefühl passt.

BRIGITTE: Zu jeder Stimmung ein Schuh sozusagen.

Stuart Weitzman: Genau. Und zu jedem Zweck. Wenn Sie einen wichtigen Termin im Job haben, werden Sie keine schwarzen Samtpumps mit roter Blume vorn drauf tragen. Da wollen Sie überzeugend sein, nicht modisch. Und genau das ist der Grund, warum Frauen 70 Paar Schuhe besitzen - weil sie genau so viele unterschiedliche Stimmungen an sich kennen.

BRIGITTE: Trotzdem hatten Schuhe nicht immer diese große Bedeutung, die sie heute haben. Wann hat diese Hysterie angefangen? Und vor allem: warum?

Stuart Weitzman: Ich bin der Überzeugung, dass das alles mit Imelda Marcos begann. Kaum jemand erinnert sich heute noch an ihren Mann, den philippinischen Präsidenten. Aber dass Imelda Marcos Besitzerin eines gigantischen Schuhschranks mit über 1000 Paar Schuhen war, das weiß bis heute jeder.

BRIGITTE: Wobei diese Sammlung ja etwas ziemlich Pathologisches hatte - und Imelda Marcos, die verschwenderische Gattin eines Diktators, eigentlich kein Vorbild sein kann.

Stuart Weitzman: Natürlich, aber sie zeigte zum ersten Mal, dass eine Frau süchtig werden kann nach Schuhen. Später kamen Serien wie "Sex and the City", in denen es ja ebenfalls um die wichtige Rolle ging, die Schuhe im Leben junger Frauen spielen, und darum, wie diese sich über eine Schuhmarke definieren. Außerdem erklärt die Modeindustrie immer wieder bestimmte Schuhe zu "It-Shoes", die Medien zeigen prominente Frauen, die diese Schuhe tragen, und schon will die ganze weibliche Welt sie auch. Um genauso sexy auszusehen wie die Stars.

BRIGITTE: Um noch mal auf die Männer zurückzukommen: Verstehen die überhaupt die Botschaft von Highheels? Die meisten schütteln doch nur verständnislos den Kopf und fragen sich, wie man auf diesen Dingern denn eigentlich laufen kann.

Stuart Weitzman: Ist ja auch eine berechtigte Frage, wenn man noch nie selber welche anhatte. Und trotzdem bemerken Männer natürlich, wie großartig eine Frau in tollen Schuhen aussieht: Ein schönes Bein wird durch sie wunderschön, eine Frau, die vorher gut aussah, sieht in Highheels fantastisch aus. Und sie sendet eine bestimmte Botschaft aus, wenn sie im schmalen Rock und mit hohen Absätzen zum ersten Date erscheint. Welcher Mann würde das nicht aufregend finden?

BRIGITTE: Vielleicht finden Männer das aber auch einschüchternd.Stuart Weitzman: Wenn die Frau es drauf anlegt, ganz sicher. Erinnern Sie sich an den Film "Enthüllung"? Da spielt Demi Moore die Vorgesetzte von Michael Douglas und trägt von der ersten bis zur letzten Szene 120-Millimeter-Absätze. Warum wohl? Um ihre Macht zu zeigen. Wieso trägt Kim Cattrall in "Sex and the City" immer hohe Schuhe, obwohl sie ohnehin schon eine große Frau ist? Die Antwort auch hier wieder: Macht.BRIGITTE: Mal ehrlich, kaufen Frauen ihre Schuhe nicht manchmal auch, um andere Frauen zu beeindrucken?

Stuart Weitzman: Manchmal? Ich glaube, in Wahrheit ist das der wahre und einzige Grund, warum Frauen Schuhe kaufen. Um anderen Frauen zu zeigen, dass sie genau wissen, was angesagt ist, dass sie jünger sind, als es in ihrem Pass steht, dass sie schrecklich viel Geld verdienen und ihr Sex-Appeal mit dem von Beyoncé spielend mithalten kann.

BRIGITTE: Und ab und zu kauft man sich ein neues Paar, um sich zu trösten.

Stuart Weitzman: Das sollten Sie lieber sein lassen. Wenn Sie sich schlecht fühlen, funktioniert ein neues Paar Schuhe genauso wie eine Tafel Schokolade: Es pusht Sie für zehn Minuten, danach geht es Ihnen genauso schlecht wie vorher. Und der Einzige, der getröstet ist, ist der Mensch, der Ihnen die Schuhe verkauft hat.

Interview: Nina Grygoriew Ein Artikel aus der BRIGITTE 25/08

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