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Partnersuche ab 50: Beim Speeddating für Senioren

Partnersuche ab 50: Fast unmöglich?: Frau schminkt sich mit Handspiegel im Fahrstuhl
© Getty Images
Ab einem gewissen Alter wird es schwierig, einen neuen Partner zu finden. Sogar im Internet. Unsere Autorin geht deshalb dahin, wo Fakten auf den Tisch kommen.
von Evelyn Holst

Bei meinen Freundinnen und mir sind Männer eigentlich kein Thema mehr. Die eine Hälfte hat sich – wie ich – auf der ehelichen Langstrecke eingerichtet, die andere ist seit vielen Jahren Single. Manch eine hat sich mal beim Onlinedating die Nase gestoßen, die meisten haben sich in ihrem männerlosen Leben eingerichtet. Ja, der Singlemarkt für Senioren mag riesig sein, rund ein Drittel aller Singles ist über 60 – er ist jedoch überwiegend weiblich. Und der Singlemann 55 plus, der eine Beziehung zu einer Gleichaltrigen will, bleibt die Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Speeddating für Senioren

Ungünstige Voraussetzung für eine späte Liebe, aber keine aussichtslose. Dachte sich jedenfalls die ehemalige Heilpraktikerin Irmingard Degen, als sie vor ein paar Jahren den TV-Film "Altersglühen" sah, in dem unter anderem Senta Berger und Mario Adorf an einem Speeddating teilnehmen. Der Film war ein Quotenrenner.

Seit zwei Jahren organisiert Irmingard Degen deshalb im und ums Ruhrgebiet Speeddating für Senioren. Die Warteliste für Frauen ist lang, sagt sie, die Herren zu aktivieren ist schon schwieriger. Das interessiert mich. Erstens als Journalistin, oft mit den Themen Liebe und Partnerschaft befasst, zweitens, um das Prozedere bei Gefallen meinen Freundinnen schmackhaft zu machen.

Und so stehe ich nun in einem Kulturzentrum in Mühlheim an der Ruhr. Was mir sofort auffällt: Die Gruppe, acht Männer, acht Frauen, ist durchweg attraktiv, Letztere einen Tick aufgebrezelter als die Herren, aber auch die sind, was man "gut in Schuss" nennt. Unauffälliges gegenseitiges Scannen. Die Jüngste ist 60, der Älteste 77 Jahre alt. Irmingard – hier gilt das Du – erklärt die Regeln. Die Frauen nehmen an den Tischen Platz und bleiben dort sitzen, die Männer rotieren. Jede Runde dauert acht Minuten, dann klingelt das Glöckchen. Jede und jeder bekommt einen Zettel mit Raum für Notizen und einen weiteren zum Ankreuzen konkreter Personen. Bei Übereinstimmung gibt Irmingard nach der Auswertung die betreffenden Handynummern frei. Irmingard stellt mich vor, ich höre diskret zu, die Namen bleiben anonym. Die nächsten zwei Stunden bin ich das Mäuschen, das an der Wand lauscht.

Allgemeines Tiefdurchatmen. Die Eingangsfragen sind bei allen ähnlich. Vor allem vorsichtig. Wo kommst du her? Arbeitest du noch oder bist du in Rente? Hast du Hobbys? Man spürt leichte Anspannung. "Wie am Beckenrand vor dem Sprung ins kalte Wasser", beschreibt es eine Frau. Wobei die Männer anfangs schüchterner sind, in aller Regel ja keine Small-Talk-Virtuosen. Bis auf zwei. Die haben Sabbelwasser getrunken. Mein Haus, meine Renovierungsarbeiten, mein Garten mit Pool. Da liege ich gern als Adam, sagt einer. Die Dame schweigt. Ob sie ihn ankreuzt?

Wo sind nur all die Singlemänner 65 plus hin?

Langsam wird die Stimmung flüssiger. Es wird gelacht, ein Hauch von Flirt schwirrt von Tisch zu Tisch, wäre ich Single, ich würde gern mitmachen. Wann ist man schon mal ein Spice Girl in "It’s raining men"-Witterung? Kann sich einen Abend lang in dem wohligen Gefühl von früher sonnen, wo Männer uns umworben haben und gefallen wollten. Keine vom Aussterben bedrohte Spezies wie sonst in jeder Reisegruppe und bei jeder kulturellen Veranstaltung. Wo sind nur all die Singlemänner 65 plus hin? "In den Armen einer 30 Jahre Jüngeren oder im Himmel", sagt eine Frau.

Die Fragen werden direkter. Bist du sportlich noch aktiv? Mann betont, dass die neuen "Ersatzteile", Knie oder Hüfte, nicht verschleißbedingt sind, sondern "Sportverletzungen" waren. Irgendwie rührend. Wann immer einer nach seinem Alter gefragt wird und nach kurzem Zögern rausrückt: "Ich bin", räusper, "73, aber ich fühl mich nicht danach", kommt umgehend: "Also das hätte ich jetzt nicht gedacht." Ich auch nicht. Alle Herren wirken sehr jugendlich. Obwohl: "Wir Männer sind doch alle im ,Kann er noch oder will er nur?‘-Alter", formuliert es ein Teilnehmer, worüber in der Runde übrigens nur wir Frauen lachen. Besonders Witwen, die ihre Männer zu Tode gepflegt haben, entwickeln Argusaugen bei drohender Gebrechlichkeit. Nach ein paar schönen Jahren seinen Rollstuhl schieben, das will keine.

Ab etwa 80 gilt ein Mann in Frauenkreisen als richtig alt, umgekehrt sollte eine Frau möglichst nicht älter als 60 sein. Was wünschen sich die Frauen? Was wäre ihr Schönstes? "Ein Mann, der mir vor die Füße fällt", sagt eine – und alle stimmen zu. Den Männern geht es ähnlich. Schön wäre wie früher, auf einer Party oder in der Tanzschule, ganz ungezwungen. Ein Mann erzählt: "Wenn mir im Internet eine Frau gefällt, schreiben wir uns drei Monate, und wenn ich sie dann treffen will, antwortet sie, wir sollten uns erst noch besser kennenlernen. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich noch schreiben soll." Dass heute alles anonym und irgendwie anstrengend im Netz läuft, bedauern alle. Auch eine Teilnehmerin, die ihren verstorbenen Mann auf einer Kreuzfahrt kennenlernte. Sind Sie allein hier?, fragte er. Und zu Hause auch allein? Sie bejahte beides und nahm ihn mit. So in etwa hätte sie es gern wieder.

Leider sind die wenigsten Männer so mutig wie einer unserer Speeddater, der, wenn ihm eine Frau gefällt, an der Wursttheke oder sonst wo, ganz locker fragt: "Darf ich Ihnen meine Handynummer geben?" Sollten wir alle machen, meint er, denn wenn es nicht klappt, geht die Welt nicht unter, aber wenn doch, ist vielleicht eine große Liebe drin. Es geht noch entspannter. Mit dem Spruch "Hast du Schwestern oder Freundinnen? Dann stell mir doch mal was zusammen" probiert es ein anderer Teilnehmer, wenn die Dame seiner Wahl kein Interesse zeigt. Ich würde zu gern wissen, ob ihm die Anekdote Kreuzchen bringt.

Speeddating – eine zufriedene Erschöpfung

Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe vor dem Altern, hat Coco Chanel gesagt, trotzdem: Speeddating ist richtig anstrengend, sich achtmal völlig Fremden in Topform zu präsentieren, das schlaucht. Aber es ist eine zufriedene Erschöpfung, die alle Teilnehmer ein bisschen leuchten lässt. Für die meisten ist es das erste Mal, die Sehnsucht nach Liebe und Partnerschaft schlummert schon länger, aber jetzt ist man ihr tatkräftig begegnet. Der schon fast verkümmerte Flirtmuskel wurde aktiviert. "Eigentlich wollte ich schon absagen", sagt ein Mann, "mir gefiel dieser Laufstegcharakter so einer Veranstaltung nicht. Aber jetzt bin ich richtig happy."

Ein Geschenk, das uns das Älterwerden bei der Partnersuche macht: Wir wissen schneller, was gut für uns ist und was bloß Zeitverschwendung. Der kleine Haken? Wir kommen alle mit emotionalem Gepäck. Wir wollen keine Zeit verlieren und hoffen auf einen attraktiven, erfolgreichen Silberfuchs à la Sky du Mont. Deshalb geben wir dem Finanzbeamten im Ruhestand, dessen Glatze eine eigene Postleitzahl verdient, der aber lustig ist und liebevoll und außerdem ein fantastischer Koch und vielleicht Liebhaber, keine Chance. Das Schreckensbild für ältere Männer ist die Frau auf Halbmast, aber mit tiefer Sehnsucht. Das Schreckensbild für ältere Frauen: der Mann mit kleiner Rente, ohne Freunde und Hobbys.

Der Abend war ein voller Erfolg. Ein erster Schritt ist getan. Alle sind auf den Geschmack gekommen, haben sich was getraut. Wichtig ist, die Partnersuche positiv zu bewerten. Kein "Ich hab es leider nötig", sondern "Ich bin gespannt, wohin die Reise führt". Das Entscheidende bei der Partnersuche ist, sagt Irmingard, die zusätzlich in Seminaren zu diesem Thema coacht, "sich aus festgefahrenen Mustern zu lösen, offen für Neues zu sein."

Genau, neugierig bleiben, das werde ich auch meinen Singlefreundinnen zu Hause sagen. Und dass jeder eine Chance verdient, selbst wenn der Silberfuchs recht kahl ist.

NOCH ALLEIN?

Alle Termine zu Coachings und Speeddating findest du auf www.speed-dating-ab-55.de

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