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Toxische Sexualität Warum wir unrealistische Ansprüche an unser Sexleben haben

Toxische Sexualität: Beine eines auf dem Boden liegenden Paars
© VGstockstudio / Shutterstock
Supermodelfiguren, Pornos, ausgefallene Sexpraktiken – das schürt unrealistische Vorstellungen von Sex und vor allem auch den Leistungsdruck und die Ansprüche, die meistens Frauen an sich selbst stellen. Sex findet im Alltag eben nicht nur in Spitzendessous statt, sondern auch mal in Jogger und Schlafshirt. Und das ist völlig normal. Genau deswegen müssen wir öfter und ehrlicher über Sex reden.

Gerade in unserer modernen Welt wird doch eigentlich Offenheit gegenüber unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und Beziehungskonstrukten suggeriert, oder trügt der Schein? Sind wir vielleicht doch prüder, als wir zugeben? Wenn es um ihr persönliches Liebesleben geht, werden die meisten Menschen jedenfalls oft sehr schweigsam. 

Sex? Aber bitte nur im Schlafzimmer!

So vieles, was uns im Alltag begegnet, ist stark sexualisiert: Werbung, Serien etc. Man fragt sich jetzt: Ist das nicht positiv? Sex wird endlich normalisiert. Oder? Das "Oder" bleibt hier ein ganz dickes. Denn eigentlich macht es die gesamte Lage schlimmer, weil die Abbildungen von Sex, von erotischen Supermodelfiguren, die wir ständig zu sehen bekommen, nicht der Realität entsprechen.

Menschen neigen dazu, sich an Idealen zu messen, und das führt dazu, dass wir beginnen, an uns zu zweifeln: Warum klappt das bei mir nicht so? So sexy sehe ich garantiert nicht beim Sex aus. Muss ich so etwas wirklich machen, um meinem:meiner Partner:in zu gefallen? Obwohl es beim Sex ja eigentlich nur eine Regel geben sollte, und diese lautet: Allen Beteiligten muss es Spaß machen.

Und warum läuft es nur so mittelmäßig mit der sexuellen Offenheit?

Es startet bereits im Teenie-Alter bei der Aufklärung. Denn gefühlt wird im Sexualkunde-Unterricht immer noch erklärt, wie man einer Banane ein Kondom überzieht. Das ist sicherlich nicht verkehrt, orientiert sich ehrlich gesagt aber wenig am realen Leben. Erschreckende Zahlen ergeben sich laut einer Studie der BZgA, in der Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 25 Jahren berichten, wie sie aufgeklärt wurden:

  • Für ein Drittel der 14-jährigen Jungen sind Pornos eine Informationsquelle.
  • Bei nicht einmal 50 Prozent der Befragten wird Homosexualität in der Schule besprochen.
  • Bei Themen rund um Verhütung und Geschlechtskrankheiten fühlen sich fast alle unzureichend informiert.

Das führt nun unvermeidlich dazu, dass junge Frauen denken, sie müssten beim Sex laut stöhnen und jedes Mal zum Orgasmus kommen, – denn so wird es gezeigt. Dabei hatte eine von zehn Frauen noch nie einen Orgasmus. Laut einer Studie des Fachblatts "Archives of Sexual Behavior" kommen sogar nur 65 Prozent regelmäßig zum Höhepunkt. Andere haben Schmerzen beim Sex und wieder andere gar keine Lust. Und das ist ok. Denn das Bild, das viele Medien von Sexualität verbreiten, bildet nicht die breite Masse ab.

Woher kommt die sexuelle Unsicherheit?

Der Grundstein für unsere sexuelle Unsicherheit wird oft schon in jungen Jahren gelegt. Wenn mit den Eltern zu reden als unangenehm gilt und der Aufklärungsunterricht in der Schule nicht über biologische Fakten und das Überstreifen des Kondoms hinausreicht, informieren sich Jugendliche anderweitig. Und anderweitig heißt in diesem Falle: Das Internet wird Hauptinformationsquelle. Blöd nur, dass die dort abgebildete Realität nicht der Wirklichkeit entspricht.

Pornos und fehlende Diversität werden zum Problem

Grobe Handlungsweisen und demütigende Darstellungen von Frauen sind in vielen Pornos ganz normal. Das kann unschön ausgehen, wenn Jugendliche denken, dass Sex so funktionieren muss. Vor allem Teenager-Jungen wird hier vermittelt, dass es ok ist, so mit ihrer Partnerin umzugehen. Und Mädchen denken, es sei normal, Praktiken, die ihnen vielleicht überhaupt keine Freude bereiten, über sich ergehen zu lassen.

Ein weiteres Problem ist die fehlende Diversität im Hinblick auf die sexuelle Orientierung. Denn die Darstellung von Sex in den Medien ist immer noch recht einseitig. Es werden meist "klassisch" Mann und Frau gezeigt. Zwar gehen einige Medienoutlets bereits mit gutem Beispiel voran und bilden auch andere Beziehungsformen ab, trotzdem brauchen beispielsweise homosexuelle Partnerschaften immer noch mehr Sichtbarkeit.

Und was tun wir jetzt? Am besten drüber reden!

Da wir nicht in die Vergangenheit reisen können, um unserem 15-jährigen Ich zu versichern, dass alles ok mit ihr:ihm ist, können wir uns wenigstens jetzt von unrealistischen Erwartungen an unser Sexleben frei machen. Denn: Sex läuft nicht wie in Pornos ab, und nur die wenigsten sehen dabei so anmutig aus wie Rachel McAdams in einer Nicholas-Sparks-Verfilmung. Und deswegen sollten wir uns nicht verrückt machen. Was wirklich zählt, ist doch, dass wir Spaß haben. Und dafür ist es am wichtigsten, den Kopf auszuschalten und sich fallen zu lassen.

Verwendete Quellen: focus.de, zeit.de, br.de

Brigitte

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