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Selbstversuch Sexting kann man lernen – ein Selbstversuch im Dirty Talk

Selbstversuch: Sexting kann man lernen – ein Selbstversuch im Dirty Talk
© Getty Images
Sexting, also der digitale Austausch zwei- oder auch eindeutiger Nachrichten, genießt nicht den besten Ruf. Zu vulgär, zu digital, und dann noch der Datenschutz und so. Unsere Autorin stellte sich unter Sexting bisher unangeforderte Penisfotos und peinliche Porno-Dialoge vor, die am Ende wohlmöglich auf dem Schreibtisch des Chefs landen würden. „Totaler Quatsch“, sagen ihre Freunde. „Mach ich seit 30 Jahren“, sagt Barbara Schöneberger. Also höchste Zeit, einmal einen Selbstversuch zu wagen. Auch wenn das nicht ganz so einfach war wie geplant.
von Miriam Kühnel

„Na, so anzügliche Sachen halt“, versuchte ich einen weiteren Erklärungsversuch am Abendbrottisch, nachdem ich seit einer viertel Stunde zu erklären versuchte, was Sexting ist. Dabei merkte ich, dass auch ich nicht wirklich viel Ahnung davon hatte. Die verständnislose Miene von Tim verriet, dass er nur Bahnhof verstand. „Du schreibst mir zum Beispiel, was du heute Abend alles mit mir anstellen wirst.“ Man musste wohl expliziter werden, wenn man einen Mathematiker geheiratet hatte. „Heute Abend?“, fragte er, während er sich ein Stück Pizza in den Mund schob. „Da bin ich doch gar nicht da.“ Ich ließ den Kopf auf den Tisch fallen. Wenn wir hier schon am zeitlichen Realitätsbezug scheiterten, konnte ich mir schon bildhaft vorstellen, wie Sexting mit ihm aussehen würde. „Was hast du an, Schatz?“ Ich war mir sicher, Tim würde ungerührt „Jogginghose und Adiletten“ schreiben. Mir wurde klar: Sexting mit einem Faktenfanatiker könnte schwierig werden.

Sexting für Profis: Manchmal braucht man einen Fachmann

Ich holte mir Rat bei einem Fachmann. Horst Wenzel ist Experte in Sachen Flirten und Beziehung, betreibt die erfolgreiche Flirtuniversity. Wenn er mir nicht helfen konnte, wer dann? „Sexting kann man lernen“, sagte er. Was meinen Mann betraf, war ich mir nicht sicher, ob er ausreichend Ehrgeiz mitbringen würde. Ich fragte Horst Wenzel, ob es denn ok sei, ein bisschen fremdzusexten. Er riet mir, das mit meinem Partner zu besprechen. Ich beschloss, das nicht zu tun. Vielleicht würde ich es ihm hinterher erzählen. Vielleicht auch nicht. Er hatte mich auch noch nie gefragt, ob er die Sexszene in "Game of Thrones" weiterspulen soll. War doch irgendwie so ähnlich, oder? Ich beschloss, das mal kurz so zu sehen.

Nächste Hürde: Wo zum Teufel bekommt man einen Sexting-Partner her? Ich fragte meine verrückte Single-Freundin, ob sie nicht jemanden kenne. „Klar“, sagte sie und schickte mir die Handynummer von Sven aus München. Der Sven, der immer für sowas zu haben war. Ich fragte lieber nicht genauer nach. München war weit weg, das war perfekt. Sven wusste anscheinend bereits Bescheid, was sein Job sein würde. „Du und ich, wir werden viel Spaß miteinander haben“, schrieb er und mir wurde schlagartig klar, was die Leute am Sexting so reizte. Ich hatte keine Ahnung, wie Sven aussah und was er gerade tat. Vielleicht saß er in der U-Bahn und las einen Comic. Vielleicht hatte er einen Schnauzer und war nur 1,60 m groß. War mir aber völlig egal. In meinem Kopf war er ein Adonis. Ein Adonis, der mir Spaß versprach. Irgendwie war allein das schon aufregend.

Ich wollte ihm gerne antworten. Gar nicht so einfach, wenn man keine Ahnung vom sexten hat. „Gibt es Benimmregeln?“, fragte ich Horst Wenzel, um mich nochmal abzusichern. „Klar gibt es die“, schrieb Horst zurück. „Natürlich darfst du deine sexuellen Gedanken niederschreiben, aber es schadet nicht, sich die eigene Nachricht nochmals durchzulesen, bevor sie abgeschickt wird, und sich hierbei die Frage zu stellen, ob dein Text genau das ist, was den anderen weiterhin antörnt, oder ob du es vielleicht zu weit treibst.“ Puh. Meine sexuellen Gedanken aufschreiben. So, dass sie Sven antörnen? Konnte ich das?

Ich spielte den Ball zurück in Svens Feld. "Wie wird dieser Spaß denn genau aussehen?" Hibbelig wartete ich auf eine Antwort. Sven ließ auf sich warten. Währenddessen fragte ich Horst, warum ich so hibbelig war und mich fühlte wie ein Teenager. "Das Aufregende am Sexting ist in erster Linie, dass wir unseren Gedanken freien Lauf lassen. Wir haben die Möglichkeit, relativ hemmungslos unsere sexuellen Fantasien niederzuschreiben. Noch erotischer ist es, sich die andere Person am anderen Smartphone gedanklich vorzustellen, wie sie aussieht, wie sich der Körper anfühlt oder was sie gerade trägt. Außerdem ist es einfach ein schönes Gefühl, dass uns jemand sein Interesse bekundet." Mhh. Da konnte er Recht haben.

Beim Dirty Talk in Whatsapp fallen die Hemmungen

Endlich piepte es. Svens Antwort war expliziter als alles, was ich jemals gelesen hatte. Sie machte mir rote Ohren. An Selbstbewusstsein mangelte es dem Herrn offensichtlich nicht. Ich kopierte Svens Nachricht und schickte sie Horst. "Ist das normal?", schrieb ich empört. "Völlig", befand Horst. "Beim Sexting fallen Hemmungen. Denn beim Chatten sehen wir unser Gegenüber nicht, wir blicken niemandem in die Augen, während wir erklären, was wir am liebsten mit ihm oder ihr anstellen würden." Ich versuchte drei Anläufe, Sven zu antworten, fühlte mich aber einigermaßen lächerlich dabei, ihm meine Brüste zu beschreiben. Er wollte sie sich genau vorstellen können. Ich wusste nicht, was ich schreiben sollte. Sie hatten schon mal bessere Zeiten gehabt, meine Brüste. Aber das wollte Sven vielleicht gar nicht so genau wissen. "Sexting kann man lernen", hatte Horst gesagt. Aber irgendwie war es mir suspekt, einem Fremden etwas über meine etwas aus der Form geratenen Brüste zu schreiben.

Mein Lieblingsexperte Horst konnte mir sofort sagen, wieso. Es lag nicht an mir und nicht am Sexting. Auch nicht an Sven, nicht mal an meinen Brüsten, sondern einfach nur daran, dass ich in einer festen Beziehung war. Auch wenn Svens und meine Gedanken nur aus Worten bestanden, tauschten wir eine Intimität aus, die eigentlich immer meinem Partner vorbehalten war. Zerknirscht gestand ich mir ein, dass da etwas dran ist. Es war sehr einfach gewesen, meine Wünsche auf einen Fremden zu projezieren und mir von ihm die Aufmerksamkeit zu holen, die ich eigentlich viel lieber von meinem Mann bekommen hätte. Es war das Bedürfnis gewesen, mich mal wieder sexy und begehrt zu fühlen. Aber was hatte ich davon, wenn ein Fremder eine Vorstellung von mir sexy fand, die mir gar nicht entsprach?

Sind Männer besser im Sexting per Nachricht?

Ich beschloss, meinem Mathematiker noch eine Chance zu geben. Nachdem ich Sven freundlich verabschiedet hatte und er sich sicher längst etwas willigeren Frauen mit formschöneren Brüsten zugewandt hatte, tippte ich eine Nachricht an meinen Mann ins Smartphone. "Was findest du sexy an mir?", fragte ich und wieder fühlte ich ein Kribbeln beim Absenden der Nachricht. Auch er ließ mich eine Weile warten, wie Sven.

"Ich finde es sexy, wenn du bei spannenden Filmen auf deiner Unterlippe rumkaust. Ich mag deinen Pyjama, der ein bisschen durchsichtig ist und es macht mich wahnsinnig, wenn du mit nassen Haaren aus der Dusche kommst." Ich war geplättet. Ich hatte ihn komplett unterschätzt. Und all das hatte ich nicht gewusst, Was mich aber am meisten überraschte: Im Gegensatz zu mir schien Tim genau zu wissen, wie das mit dem Sexting geht. Als ich gerade antworten wollte, hörte ich seinen Schlüssel im Schloss. Ich schmiss mein Handy in die Ecke und sprang schnell unter die Dusche.

Zwanzig Minuten später stand ich im Pyjama mit nassen Haaren vor ihm und sah, wie er mich anlächelte. "Ziemlich heiß!", sagte er und kam langsam auf mich zu. "Wollen wir einen Thriller schauen?", fragte ich und kaute lasziv auf meiner Unterlippe rum. Tim lachte und strich mir über meine nassen Haare. "Ich habe da eine bessere Idee", sagte er und küsste mich auf eine Weise, wie er es lange nicht mehr getan hatte.

Du brauchst auch einen Ratgeber wie Horst? Horst Wenzel und seine Kollegen aus der Flirt University beraten nicht nur Sexting-Anfänger. In Seminaren und Webinaren geben er und seine Kollegen Tipps und Hilfestellung zu allen Fragen rund um das Thema Flirten.

Barbara

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