Anzeige

Eine Frau erzählt: "Mein Mann ist süchtig nach Online-Pornos"

Eine Frau erzählt: "Mein Mann ist süchtig nach Online-Pornos"
© LoloStock / Shutterstock.com
Er hat Sex. Jede Nacht. Während seine Frau im Bett liegt und sich nach Nähe sehnt, lebt er seine Pornosucht aus. Am Bildschirm. Mit Pornobildern, Chats und geilen Fantasien.

Worauf mein Mann steht? Das ist schwer zu sagen. Die Frau, die ihn scharf macht, ist mal knabenhaft, mal füllig und grell geschminkt, mal strenge Lehrerin. Er überlegt, wonach ihm gerade ist, geht ins Internet und findet immer, was er braucht. Er kann diese Frauen nicht anfassen, aber er will sie. Mich könnte er anfassen. Aber mich will er nicht.

Mein Mann schläft nicht mit mir. Er hat Sex mit Bildern. Er braucht Szenen, die ihn scharf machen, er jagt sie auf hunderten von Websites. Bis spät in die Nacht hockt er am Computer in seinem Arbeitszimmer. "Ich muss noch ein bisschen was tun": Das sagt er immer, fast jeden Abend seit einem Jahr. Der arme Kerl ist total überarbeitet, dachte ich anfangs, wenn er plötzlich nicht mal mehr am Wochenende was von mir wollte, und das hatten wir eigentlich immer irgendwie hingekriegt: uns an einem entspannten Wochenende Zeit zu nehmen, lange im Bett zu bleiben und miteinander zu schlafen. Eines Tages fragte mich meine Freundin mehr im Scherz, ob nach 20 Jahren Beziehung bei uns noch was liefe. "Na ja, im Moment sind wir beide vor allem müde", sagte ich. Und rechnete im Stillen nach, dass wir fünf Monate nicht miteinander geschlafen hatten.

Plötzlich war ich alarmiert, es war mehr als nur ein paar Monate ohne Sex. Uwe wirkte abwesend, wir hatten kaum noch Körperkontakt, irgendwas war anders. Ich dachte an eine Affäre, ging sofort auf Spurensuche. Es war ein Montagmorgen, Uwe war im Büro, ich fahndete nach Restaurant- oder Hotelrechnungen, verräterischen Haaren, Liebesbriefen, und natürlich setzte ich mich irgendwann an seinen Computer. Gefunden habe ich einen Internetverlauf mit massenweise Sexseiten, dazu einige Pornobilder, die er runtergeladen hatte. Mein Herz hämmerte fast schmerzhaft, als ich das sah, mein ganzer Körper war in Panik. Einer Rivalin hätte ich mich stellen können, glaube ich, das war es ja, womit ich gerechnet hatte, auch wenn es nicht zu ihm passte, Uwe ist ein stiller, eher schüchterner Mensch. Stattdessen saß ich fassungslos vor einem Bildschirm. Kalt, seelenlos, ein Ding zum Ein- und Ausschalten.

Unten ging die Tür, das weiß ich noch. Ich schaltete den PC aus, eilte die Treppen zum Esszimmer runter. Martin, unser 18-jähriger Sohn, kam in der Mittagspause aus seinem Betrieb gegenüber. Ich riss mich zusammen, wärmte Suppe auf, sprach mit ihm über einen Kollegen, der kürzlich einen Arbeitsunfall gehabt hatte. Innerlich war ich völlig aufgewühlt. Als Martin wieder zur Arbeit ging, lief ich zum PC zurück, suchte weiter, wie ein Spürhund. Uwe, nackt, beim Masturbieren am Schreibtisch. Uwe beim Orgasmus. Dutzende von Bildern hatte er mit der Webcam von sich gemacht. Einen seiner wahrscheinlich vielen, vielen Chats aus vielen, vielen Sex-Foren hatte er gespeichert. "Geiler Schwanz", "Fotze", "lecken", "wichsen", "ficken": Worte, die ich von ihm noch nie gehört hatte. Mir wurde so übel, ich hätte kotzen können. Den Chat druckte ich aus.

"Es fühlte sich an, als hätte er mich aus unserem Bett geschmissen."

Ich war angeekelt von meinem eigenen Mann.

Ich war sauer, verletzt, angeekelt von meinem eigenen Mann. Die Worte hatten mich nicht um ihrer selbst wegen schockiert - so prüde bin ich nicht. Als Scharfmacher bei der Liebe, von mir aus, auch wenn Uwe und ich so was nie gebraucht hatten. Dachte ich jedenfalls. Aber offensichtlich hatte ich keine Ahnung, was Uwe brauchte. Lola, Natascha, Heidi, Denise, Pollie Popp oder Gina Wild. Bilder ihrer Muschis und Titten. Mein Mann, ein Fremder.

Als Martin nach dem Abendessen zum Fußballgucken zu Freunden gegangen war, knallte ich Uwe den Chat auf den Tisch. Erst saß er nur stumm da, wie versteinert, aber nach ein paar Minuten hatte er sich gefangen und redete auf mich ein. Er hätte mich ja nicht betrogen, das sei wie ein Computerspiel, eine Fantasiewelt, mehr nicht. Und dass Männer sich selbst befriedigen, sei wohl nichts Neues. Ich hörte mir seine Erklärungen an, und irgendwie wollte ich mich davon beruhigen lassen. Immerhin: Es gab keine andere. Es gab nur einen Mann, der sich mit Hilfe von ein paar Wichsvorlagen etwas Entspannung gönnte nach einem harten Arbeitstag. Ich liebe doch nur dich, Ulla, flüsterte er und nahm mich in den Arm. In dieser Nacht hielt er meine Hand, als wir einschliefen. Besser gesagt: Er schlief ein. Ich fand keine Ruhe, dieses Gefühl, hintergangen zu werden, verschwand einfach nicht. Auch wenn es nur Bilder und aufgeheizte Chats waren - Uwe betrog mich. Um mein normales Leben, um den Sex, den ich mit ihm haben könnte, haben wollte. Um sein Versprechen, das Intimste nur mit mir teilen zu wollen. Sein Sex fand plötzlich außerhalb unserer Ehe statt. Es fühlte sich an, als hätte er mich aus unserem Bett geschmissen.

Ich wollte ihm zeigen, dass das, was ihm gefiel, auch mit mir möglich war. Versuchte, unsere gemeinsame Sexualität zu beleben, sagte ihm, wenn wir im Bett lagen, wie scharf ich auf ihn wäre. Das stimmte nicht. Tatsächlich war mir nie weniger nach Sex zumute. Ich wollte in solchen Momenten keinen Sex, ich wollte Uwe zurück. Aber er ließ sich ohnehin nicht darauf ein. "Du erwartest es von mir, dann kann ich einfach nicht", verteidigte er sich, als ich mich einmal heulend wegdrehte. "Am Computer kannst du doch immer!", weinte ich. "Du denkst wohl, ich sitze nur da oben und... " - "Ja", sagte ich. "Das denke ich."

Ich kam aus dem Muster nicht mehr raus. Wann immer Uwe in sein Arbeitszimmer verschwand, stieg die Wut in mir hoch. Maximal eine halbe Stunde hielt ich durch, dann stürzte ich nach oben und spie Beleidigungen aus. Um dann wieder wie ein Häufchen Elend zusammenzubrechen. "Sag mir doch, was ich tun soll", flehte ich verzweifelt, "was fehlt dir bei uns?" Er schüttelte den Kopf. Sagte, dass er manchmal nicht wisse, was er in all den Seiten suche. Ein Bild, das er nicht beschreiben könnte. Ein bestimmtes Ambiente, eine spezielle Stellung, manchmal auch nur einen veränderter Blickwinkel.

Ich kann den Kampf gegen die Bilder nicht gewinnen.

Schon die Jagd danach geilt ihn auf, und dann dieser großartige Moment, in dem er findet, was er will. Er kriegt es nicht auf Anhieb, er muss es suchen. Das ist der Reiz, und das macht mich reizlos: Im Gegensatz zu dem perfekten Bild bin ich viel zu verfügbar. Und auch wenn ich mich noch so sehr bemühen würde, ich kann diesen Kampf einfach nicht gewinnen, das habe ich kapiert. Denn so wandlungsfähig ist keine Frau, dass sie zufällig zur Fantasie, zu Gedankenblitzen einer spontanen Lust passt. Rote Dessous, schwarze Strümpfe, Lack, Leder, im Schürzchen oder beim Dreier.

Immerhin reden wir jetzt, die Karten liegen auf dem Tisch, vielleicht ist das unsere Chance. Uwe kann nicht mehr ohne die Bilder, hat er gesagt. Dass er aber wieder zurück will in unsere Beziehung und in eine Welt, in der Umarmungen auch mal warm und weich sind, nicht nur geil und feucht. Wir haben gemeinsam entschieden, eine Paartherapie zu machen, zweimal waren wir schon da. Ich habe kapiert, dass ich mich nicht in Konkurrenz zu den Pornos sehen muss, er hat verstanden, dass er in eine Sucht hineingeraten ist. Er hat zugegeben, sogar schon mal im Büro in Sex-Seiten gestöbert zu haben, wenn die Kollegen gegangen waren. Seine Pornodatensammlung hat er inzwischen gelöscht. Und er lässt die Tür auf, wenn er am PC arbeiten muss. Ein Anfang, immerhin.

Bei meinem Sohn habe ich neulich ein Pornoheft im Wäschestapel entdeckt. Ich habe es zerrissen und in den Müll gestopft, in einem Anfall von Wut. Ich bin dann sofort los, habe das gleiche Heft noch mal gekauft und es in seinen Schrank gelegt. Damit er nichts merkt. Für einen Jungen seines Alters ist das ja völlig normal. Für mich nicht mehr. Aber dafür kann er nun wirklich nichts.

Protokoll: Silke Pfersdorf Foto: iStockphoto.com

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel