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Sex nach Termin: Schatz, heute Abend müssen wir noch ein Baby zeugen!

Sex nach Termin - schnell schwanger werden
© Getty Images
Schwanger werden scheint für viele Frauen wortwörtlich ein Kinderspiel. Einmal nicht aufgepasst, plötzlich wird man Mutter. Doch ist gibt auch die andere Seite. Aus dem Leben einer Frau, die es nach einer Fehlgeburt seit Monaten versucht...
von Franziska Steinberg

Sie sitzt auf Toilette und weint. Sie hat Blut am WC-Papier, sie hat ihre Periode bekommen – es hat also wieder nicht geklappt. Wieder ist ein Monat rum. Mittlerweile der neunte nach der Fehlgeburt. Es war doch alles perfekt. Traumhochzeit in Hamburg, Flitterwochen auf Bali und einen guten Monat später: ein positiver Schwangerschaftstest. Doch das perfekte Glück wollte nicht bleiben. Der Ultraschall zeigte auch in der 10. Woche keinen Herzschlag – der kleine Embryo lebte nicht. Er musste operativ entfernt werden. Ein traumatischer Einschlag, ein großer Verlust, Trauer. Doch die Hoffnung bleibt: Es wird bald ein kleines Folgewunder geben. Ein gesundes Baby. Einen Herzschlag. Immer positiv denken, riet ihr die Ärztin.

„Na, wie sieht’s mit eurem Kinderwunsch aus?“

Doch der Druck ist hoch. Die Familien, die immer wieder anrufen und vorsichtig nachfragen: „Und, hat es wieder geklappt?“ Nein, hat es nicht. Oder die Kollegen, die ständig Witze reißen: „Na, die Hochzeit ist ja nun auch schon einen Moment her – wollt ihr denn keinen Nachwuchs?“ Im Freundeskreis nicht besser. Immer wieder gibt es Kommentare, dass es doch jetzt mal an der Zeit wäre. Planen, kann man das eigentlich? Die Zeugung von Babies planen? Sie informiert sich. Sie liest viel und fragt eine Freundin. Die ist überrascht: Wie jetzt, du weißt nicht, wann deine fruchtbaren Tage sind? Ihr Zyklus ist unregelmäßig, irgendwas zwischen 32 und 38 Tagen. Zu lang. Das Absetzen der Pille ist noch nicht allzu lange her, sie kennt ihren Körper noch nicht, alles pendelt sich erst ein. Nach Kalendern oder Zyklus-Apps kann sie sich nicht richten. Jeder Monat sieht anders aus. Sie erhält also Nachhilfe darin, wie sie ihre fruchtbaren Tage bestimmt – und den Sex richtig plant. Die Auswirkungen waren auch der Freundin nicht klar.

Zyklus tracken: Temperatur, Zervixschleim werden zur Sucht

Nach nur wenigen Wochen dreht sich ihr Leben nur noch nach ihrem Zyklus. Ab Zyklustag 12 wird sie langsam nervös: Der Eisprung bahnt sich an. Eventuell. Der Zervixschleim verändert sich, es wird notiert – genau wie jede Sporteinheit, ihr Hungergefühl, der Zustand von Haut und Haaren oder auch die Libido. Man solle jeden zweiten Tag miteinander schlafen, hat sie gelesen. Sie kauft sich neue Dessous, die an ihren fruchtbaren Tagen herausgeholt werden. Ihr Mann wird eingeweiht. Sie sagt ihm genau, wann er bereit sein muss. Jeden Morgen misst sie ihre Temperatur. Befindet sich ihre Zykluskurve noch immer in der Tieflage, war der Eisprung noch nicht. „Schatz, wir müssen heute Abend nochmal.“ An Tag 15 plötzlich ein Peak nach oben. Der Eisprung? Sie screenshottet die Kurve und schickt ihrer Freundin das Bild per Whatsapp. Doch diese muss sie leider enttäuschen: Du hast gestern Abend drei Wein getrunken, das ist ein Störfaktor, vermutlich kein – behalte deine Kurve noch ein paar Tage im Blick. Sie hatte Recht, am nächsten Morgen noch immer Tieflage. „Schaaatz, ....“

Endlich: Der Eisprung! „Schatz, wir können aufhören.“

Die Freundin erhielt an Zyklustag 18 den nächsten Screenshot: Bingo! Ein wunderschöner Temperaturanstieg. Sie gratuliert ihrer Freundin zum Eisprung als hätte sie ihr gerade eine Beförderung mitgeteilt. Sie weiß, wie sehr sie daraufhin gearbeitet hat. „Süße, du hast es geschafft – die Herzen habt ihr perfekt gesetzt. Ich drück die Daumen!“ Herzchen setzen: Sex, der im Zyklusblatt symbolisch als ein Herzchen dargestellt wird. Die Freundin sieht sehr viel Herzchen, mindestens jeden zweiten Tag. Jetzt heißt es abwarten. Sie haben das Bestmögliche für ihren Kinderwunsch getan. Für ihren Traum, endlich einen Herzschlag zu sehen. Trotzdem liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft jeden Monat nur bei knapp 30 Prozent. Ein Glücksspiel. Es ist eben ein kleines Wunder. Sie solle einfach mal entspannt bleiben, hörte sie es oft sagen. Sich eine schöne Zeit mit ihrem Mann machen. Sex haben, wann sie Lust hat und nicht nach Plan – wie auf Bali. Aber sie hat einfach Angst. Angst vor Blut. Sie will nicht wieder auf Toilette sitzen und weinen. Sie will auch die Kommentare nicht mehr hören. Sie hat Angst, zu versagen – wird sie vielleicht nie ein Baby? Sie will einfach nur schwanger werden. In 14 Tagen wird sie wissen, ob es dieses mal geklappt hat.

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