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Partnersuche im Internet

Michael Lutter, 52, beschloss dem Beispiel seiner Freunde zu folgen und die Partnersuche im Internet auszuprobieren. Was er dabei erlebte, hat ihn allerdings ziemlich verwundert.

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Doof ist das nicht. Wer sich erst mal eine gute Stunde Zeit genommen hat, die ganzen Psychofragen zu beantworten, der geht auch davon aus, dass er am Ende was davon hat. Also schluckst du kurz, du erinnerst dich daran, dass du es satt hast, mit Hilfe von reichlich libidinösem Druck den Genpool der Gemeinde aufzufrischen - und du bezahlst den ziemlich happigen Eintritt.

Und, zack, da sind sie schon - gefiltert und hübsch aufgereiht: Frauen. Frauen auf Partnersuche im Internet. Frauen, die was wollen. Eventuell mich. Wenn sie alle vor mir an der Supermarktkasse stünden (was ja eigentlich ein prima Flirt-Revier ist), wüsste ich jetzt, dass sie alle nicht rauchen, mindestens fünf Jahre jünger als ich sind und die Kinder schon aus dem Haus. Solcherlei Wünsche hatte ich nämlich angegeben, obwohl man sich dabei ein wenig unwohl fühlt, dem Schicksal auch noch Vorgaben zu machen. Ist das der Grund, dass das Angebot überschaubar ist? Höchstens 30 sind es, anscheinend bin ich schwer vermittelbar. Unter der Rubrik "Fünf Worte, die mein Äußeres beschreiben" hatte ich eingegeben: "Groß, kräftig, breitschultrig, schlau, kurzsichtig." Reicht das nicht? Vielleicht schrecken die "ca. 5 Kilo (in der Küche) hart antrainiertes Übergewicht" ab.

In den Profilen der Bewerberinnen wimmelt es von Allgemeinplätzen.

Das "in der Küche" hatte ich nachträglich eingegeben, nachdem eine Dame ohne diesen Zusatz darauf angesprungen war, offenbar auf der Partnersuche im Internet nach mehr Waschbrett- als Waschbärbauch. Man will ja nichts (mehr als nötig) beschönigen. Für ein halbes Jahr hatte ich diesen Service gebucht, ein weiteres halbes Jahr wurde ungefragt verlängert. Die Bilanz: ein paar nette Dates, ein paar ernüchternde, ein paar Beziehungs-Aufbau-Versuche, (endlich mal wieder) Sex und eine richtig gute Freundin. Aber nicht das, was versprochen wird: Liebe. "Liebe ist, wenn's passt", heißt der Slogan. Was mir da per DSL serviert wird, soll also passen. Aber woher weiß ich das? Sehe ich mir die Profile der Bewerberinnen so an, werde ich zum Großteil immer noch im Unklaren gelassen.

Da habt ihr nun alle Zeit der Welt und reichlich Zeilen, das eine oder andere preiszugeben und in den schillerndsten Farben zu malen. Und nutzt es kaum! "Abitur", "0 Kinder", "Nichtraucher", "Deutsch/Englisch", Ende. Bei der Autowerbung schreibt der Gesetzgeber längst die Angabe des CO2-Ausstoßes vor. Hier kriege ich oft nicht mal zu lesen, worauf sie allergisch reagiert. Erdnüsse? Hawaiihemden? Oder es wimmelt von Allgemeinplätzen. Der "perfekte Tag" ist immer wieder, wenn's im Job flutscht und man danach in die Badewanne steigt. Nun, es mag ja sein, dass euer Leben im Großen und Ganzen mausgrau ist und bitteschön auch so bleiben soll - aber schreibt man das auf Partnersuche im Internet Männern, die eventuell dieses Leben mit euch teilen sollen?

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Ihr denkt wahrscheinlich, dass die meisten anderen Frauen bei der Online-Partnersuche die üblichen romantischen Maximalforderungen stellen. Stimmt nicht. Manche schreiben ganz pragmatisch, dass sie gern mal wieder Männerfleisch auf der Karte hätten - um beim zweiten Date zufällig am Brautkleiderladen vorbeizuspazieren. Die wortlosen Anweisungen zum Zusammenbau einer Ikea-Kommode haben meist mehr Aussagekraft als das, was es hier zu lesen gibt. Sorry, dass ich das mal sagen muss. Oder an dieser Stelle darf. Es ist wahrscheinlich nicht einfach, es hinauszuschreien: "Ich will einen Kerl!" Aber mit dem Schritt ins Netz ist genau dieses getan, und dann solltet ihr auch dazu stehen und sagen, warum, ab wann, bis wann und wer sich schleichen darf. Männer mögen korrekte Daten, verbindliche Ansagen.

Eure Der-schönste- Tag-Beschreibungen sind abschreckendster Idyll-Terror.

Und bitte, bitte auch keine Der-schönste-Tag-Beschreibungen mehr mit "Wenn ich am Meer mit meinem Liebsten im Arm aufwache bzw. einschlafe . . . " Das ist abschreckendster Idyll-Terror. Wie erfrischend wäre: "In einer Altbauwohnung im zweiten Stock aufwachen, neben einem Kerl, der so geschnarcht hat, dass ich ihn am liebsten mit dem Kissen erstickt hätte, danach gäbe es kein Rührei und Tee. Und vielleicht Sex." Zu viel verlangt? Habt ihr keine größeren Wünsche, Hoffnungen und Geheimnisse? Ganz sicher! "Das Wasser ist nass, der Himmel ist blau, Frauen haben Geheimnisse", sagt Bruce Willis in "The Last Boy Scout". Erzählt sie mir! Ihr werdet am Ende immer noch das Geheimnis Frau bleiben.

Mit der visuellen Präsentation dagegen geht ihr erstaunlich locker um. Gern wird etwa das Ganzkörperformat nebst halbem Wohnzimmer auf Briefmarkengröße geschickt. Und die gleiche Sorte Mensch, die morgens eine Stunde im Bad verbringt, weil man sich "in dem Zustand" ja nicht in der Bäckerei blicken lassen kann, klickt mit dem Fotohandy das Neonlicht direkt auf die Nase und ab dafür. Auch einen Schnappschuss aus Antalya gab's für mich. Einmal wagte ich nach einigen doch netten Mails den Hinweis, dass die Mailfreundin auf ihrem Foto leichte Ähnlichkeit mit einem aufgeschreckten Erdhörnchen aufweise - es brauchte viele elektronische Briefwechsel, um die Wogen zu glätten.

Humor ist ja noch ein ganz speziell gefährliches Gelände. Verlangt wird er immer. Bei sich selbst vorausgesetzt sowieso. Aber angewandt trampelt er das zart sprießende Beziehungspflänzchen meist gleich wieder in Grund und Boden. Ein Freund von mir erzählte, dass er in seinem Profil bei "Drei wichtige Dinge" eingetragen hatte: "1. Echte Freunde, 2. Nie den Humor verlieren und 3. Ordentliches Schuhwerk". Das mit dem Schuhwerk wurde öfter lobend erwähnt und hatte insofern geklappt, war es doch zum Einhaken in die Konversation gedacht. Aber wurde er für seinen Wortwitz belohnt? Nein. Stattdessen musste er in den Frauen-Profilen bei "Sachen, von denen ich mich nie trennen könnte" lesen: "Kinder und Katzen". Und dahinter: "Ach, das sind ja keine Sachen." Aua.

Manche Frauen überspringen auch gern die schriftliche Prüfung. Man trifft sich flott, geht gleich zum praktischen Teil über, und dann hört man: "Ich war schon vorher in dich verliebt." Danke für die Blumen, aber prallen hier nicht reichlich überzogene Erwartungen auf das wirkliche Leben? Vielleicht täusche ich mich, doch bei dieser Anbahnungsform im Internet scheinen die Hügel der Hoffnung höher zu sein als woanders. Aber es geht auch nüchterner. Manchmal sehr. Ein Date, ein Blick, ein paar Sätze, aus. Nicht sehr erhebend. Aber ehrlich - und am Ende sicher besser so.

Ehrlichkeit ist am Ende immer besser.

Trotzdem werden mir diese Treffen in angenehmer Erinnerung bleiben. Ich habe mich ja schließlich immer mit echt tollen Frauen getroffen! Ich traf mich mit einer, weil ihr "perfekter Tag" der ist, bei dem sie "etwas Nicht-Alltägliches erlebt hat, was nicht perfekt sein muss". Oder weil sie sich als "gut aussehend (aber nicht immer und schon gar nicht auf Fotos)" beschrieb. Oder weil sie als "zwei Sachen, von denen ich mich nie trennen könnte", "Unabhängigkeit und Optimismus" wählte. Nicht schlimm deshalb, wenn es über dieses eine Treffen nicht hinausging. Oder eine ganz andere Richtung nahm, wie im Falle der besten Freundin. Wir stellten schnell fest, dass Richtung Südpol nichts läuft, wir aber das, was wir bisher miteinander erlebt hatten, unbedingt erhalten wollten.

Bleibt also euch und mir gegenüber ehrlich. Auch im Falle eines ablehnenden Bescheids. Bitte dann nicht den Knopf drücken: "Ich bin frisch verliebt und wünsche allen anderen das gleiche Glück!", wenn man sich nachher noch monatelang auf der Plattform herumtreibt. Ist auch zwei-, dreimal geschehen. Und falls das Fazit jetzt cool und sachlich klingt: So ist es nicht. Ich war da drin, weil ich mich mal wieder richtig verknallen wollte. Ist bisher leider nicht geschehen (na ja, manchmal dachte ich . . . ). Aber das Leben und die Liebe lassen sich eben am Ende nicht in Matching-Punkte einteilen. Das Netz öffnet erst mal Türen, aber noch lange keine Herzen.

Bfriends-Forum: Und was haben Sie bei der Partnersuche im Netz erlebt?

11 Prozent der Männer legen besonders viel Wert auf eine schlanke Figur der Frau.
23 Prozent aller Befragten glauben, auch ohne Waschbrettbauch und Wespentaille eine Chance zu haben.
33 Prozent der Männer und Frauen geben an, regelmässig Sport zu treiben, um auf dem Single-Markt eine Chance zu haben. (Quelle: Mitgliederbefragung Parship.de)

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Text: Michael Lutter Fotos: Getty Images, Bernd Kusber Ein Artikel aus der BRIGITTE 19/09

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