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Beziehung Kann man als Paar darüber verhandeln, wie oft man Sex hat?

Ist die Häufigkeit von Sex verhandelbar?
© Foxys Forest Manufacture / Shutterstock
Liebe ist die Antwort auf alle Fragen? Nicht ganz. Sie stellt auch ziemlich viele. Diesmal kümmert sich Psychologe und Paartherapeut Oskar Holzberg darum, ob Partner:innen über die Häufigkeit von Sex verhandeln können.

Aber immer! Und immer wieder! Denn, Gegenfrage: Wieso sollte ausgerechnet Sex nicht verhandelbar sein?

Denn nicht nur Sex ist Verhandlungssache

Hier noch einmal in aller Klarheit: Unsere Beziehungen sind Verhandlungssache. In Gänze. Wir können unsere ganze Ehe im Rollenspiel "Herr:in und Sklav:in" verbringen, wir können nie ein lautes Wort aneinander richten oder 24/7 streiten. Wir können jede Form von Beziehung miteinander führen. Nichts ist vorgegeben. Wir können – ja, wir müssen – alles aushandeln. Dazu gehört natürlich auch unsere Sexualität.

Wir stellen die Verhandelbarkeit von Sexualität überhaupt nur infrage, weil wir sie eher wie eine Schicksalsmacht betrachten. Sex können wir als überwältigend und fast magisch erleben. Wir haben keine Kontrolle über unsere Erregung, sie gehorcht unserem Willen nicht. Was sollen wir also verhandeln, wenn unsere Sexualität doch macht, was sie will? Unser Verständnis von Sex ist vielmehr, dass uns die Lust überkommt und wir ihr dann nachgeben.

Porträt Oskar Holzberg
Oskar Holzberg berät seit mehr als 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und bekommt immer wieder Beziehungsfragen gestellt. Sein aktuelles Buch heißt: "Neue Schlüsselsätze der Liebe".
© Ilona Habben

Und außerdem wispert bei der Frage, wie man denn die Häufigkeit von Sex aushandeln soll, immer noch die Geschlechter-Märchentante im Hintergrund mit. Sie wispert, dass der Mann immer will, immer kann sowie – noch schlimmer – auch immer muss und unausstehlich wird, wenn er nicht darf. Weshalb, als die Geschlechter-Märchentante noch nicht als solche entlarvt war, Sexualität längst nicht immer verhandelt wurde. Der Pfarrer hob den Zeigefinger und mahnte die Einhaltung der ehelichen Pflichten an.

Wie der Journalist Daniel Bergner in seinem Buch "Die versteckte Lust der Frauen" schreibt, brauchte es Jahre, bis die Primatenforscher:innen, die jeden Tag eine Pavian-Herde beobachteten, endlich sahen, dass nicht die Männchen Sex initiieren, sondern die Weibchen. Vorher war ihnen das nicht aufgefallen, weil ihnen das Geschlechter-Märchen das Gehirn vernebelt hatte. Wissen wir von den Verhaltensforscher:innen nicht auch längst, dass ein Flirt bei uns Menschen auch von der Frau ausgeht? Aber wir verabschieden uns nur schwer davon, dass die Menschen-Männchen die dauergeile, sexgetriebene Hälfte der Welt sind.

Sex ist nicht nur verhandelbar. Sex ist immer Verhandlungssache. #MeToo ist das Ausrufezeichen dazu. Und in guten, längerfristigen Beziehungen gibt es immer eine Verhandlung um "Sex worth wanting" (Sex, den zu wollen sich lohnt).

Achtet auf eure Gefühle

Wir öffnen uns dabei für die erotischen Bedürfnisse unseres Gegenübers, solange unsere eigenen Bedürfnisse dabei respektiert bleiben. Wir können uns auf Sex einlassen, uns erregen und verführen lassen. Wir können uns bewusst entscheiden, Sex zu haben in der Hoffnung, dass wir einander darüber wieder näherkommen. Wir können sogar vereinbaren, dass wir immer Sex haben, sobald einer von uns Lust hat. Doch spätestens, wenn er uns drei Wochenenden hintereinander mit den Kindern sitzen lässt, wird dieser Deal platzen. Ja, Sex ist verhandelbar, auch in seiner Häufigkeit. Aber nicht, indem wir unsere iPads zücken und unsere Anwältin damit betrauen, schon mal einen Vertrag zu entwerfen. Sex wird emotional verhandelt. Denn Sexualität ist nicht von unseren Gefühlen zu trennen.

Und deshalb wird über Sex auch nicht verhandelt wie über das Urlaubsbudget, sondern auf ewig so wie beim ersten Kuss. Ihr erinnert euch?

Brigitte

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