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Wenn der Sex fehlt, fehlt oft das Vertrauen - sagt der Paartherapeut

Wenn der Sex fehlt, fehlt oft das Vertrauen - sagt der Paartherapeut
© Photodisc/thinkstock
Paartherapeut Oskar Holzberg will die Liebe retten. Zum Beispiel, indem wir erkennen, worum es beim Sex wirklich geht.

Wir haben schon ein Jahr kaum miteinander geschlafen", sagt er. Sie nickt mit feuchten Augen. "Und als Sie noch Sex hatten, war er erfüllend?", frage ich. "Ja, es war toll", antwortet er. "Es war uns ganz wichtig, jedenfalls mir." Wieder nickt sie dazu. "Mir auch." Aber ES ist weg.

Der Sex kann noch so gut sein, auf Dauer scheinen Sexualität und eine langfristige Partnerschaft nicht zueinanderzupassen. Das Paar in meiner Praxis ist kein Einzelfall. Erstaunt bemerken wir, wie sich die Sexualität verabschiedet, ohne dass wir sie aufhalten können.

Dabei lieben wir Sex, wollen nicht ohne körperliche Leidenschaft leben. Und wenn wir nicht mit unserem Partner schlafen, fürchten wir, dass es ein anderer tut. Eine drastisch sinkende Koitus-Frequenz löst Beziehungsalarm aus.

Doch die Sexualität ist nicht der Patient. Sie ist ja durchaus lustvoll. Sie findet nur nicht statt. Sexuelle Unlust lässt sich nur lösen, wenn wir anerkennen, dass es beim Sex selten um Sex geht. Sondern um Nähe, Macht, Verlustangst oder mangelndes Selbstvertrauen.

Wenn wir "miteinander schlafen", wollen wir doch nicht nur den Akt, den Penis in der Vagina, den Orgasmus. Und wir suchen auch mehr als Körperkontakt, Ekstase und Sinnlichkeit. Obwohl das ja schon eine ganze Menge ist. Wir wollen Liebe machen. Das Englische sagt es treffend: "to make love".

Einander treffen. Einander wertschätzen. Einander begehren. Einander fühlen, nah sein wollen. Nie mehr getrennt sein wollen. Wir suchen mehr als das Rein-Raus-Spiel. Wir finden zueinander.

Nähe geht verloren

Oskar Holzberg ist seit über 30 Jahren verheiratet, seit mehr als 20 Jahren berät der Psychologe Paare. Dabei stellte er fest, dass einige Sätze für alle Beziehungen gelten. In jeder BRIGITTE stellt er einen davon vor.
Oskar Holzberg ist 60 Jahre, Psychologe und seit 30 Jahren verheiratet. Seit mehr als 20 Jahren berät er Paare und kennt die typischen Konflikte.
© Ilona Habben

"Während zufriedene Partner der Sexualität an ihrem Beziehungsglück nur einen Anteil von 15 bis 20 Prozent zuschreiben, glauben unglückliche Partner, dass ihr Beziehungsstress zu 50 bis 70 Prozent auf sexuellen Problemen beruht", schreibt die Paarforscherin Sue Johnson. Die dahinsiechende Sexualität spiegelt die verloren gegangene Nähe nur wider. Sie ist nicht die Ursache.

Da ist die Frau, die sich der Sexualität entzieht, weil sie ohnehin das Gefühl hat, von ihrem Mann völlig vereinnahmt zu werden. Der Mann, der sich nicht traut, seine Frau zu verführen, weil er sich ungeliebt fühlt und ihn die Angst vor weiterer Ablehnung lähmt. Oder der Mann, der sich verschlossen hält, weil er durch erlebte Untreue tiefer verletzt ist, als er sich eingesteht.

Weil es in der partnerschaftlichen Sexualität um so viel mehr als um Sex geht, helfen Spitzendessous und Porno-Abende eben auch nur bedingt. Wenn der Sex schwächelt, ist die Intimität gestört - die gesamte Partnerschaft muss zum Beziehungs-TÜV. Wo stehen wir wirklich? Was hält uns auf Distanz zueinander?

Konfrontierende Offenheit kann verlorenes Vertrauen wieder herstellen. Und durch eine liebevolle Zuwendung wiedergewonnenes Vertrauen kann Offenheit wieder ermöglichen. Die Lust zieht wieder ein, wenn beide fühlen können, dass es beim Sex selten um Sex geht.

Oskar Holzberg

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