Anzeige

Erektionsstörungen: "Da war nur noch die Angst, ob es klappt oder nicht"

Pusteblume hängt lasch herunter
© Barbro Bergfeldt / Shutterstock
Jahrelang litt Werner Zaefferer unter Erektionsstörungen - und mit ihm seine Frau. Mit BRIGITTE sprachen die beiden über Wut, Hoffnungslosigkeit und den langen Weg aus der schwersten Krise ihrer Ehe.

BRIGITTE: Manche Männer wachen nach einer Prostata-Operation auf, und nichts geht mehr. Wie war das bei Ihnen, Herr Zaefferer?

Werner Zaefferer: Meine Erektionsstörung hat sich über einen längeren Zeitraum entwickelt. Es begann vor zwölf Jahren mit einem Zustand, den ich zunächst einmal nicht richtig einordnen konnte. Es waren Depressionen. Später kamen dann die Potenzprobleme hinzu.

BRIGITTE: Haben Sie mit Ihrer Frau über Ihre Nöte geredet?

Er: Nein. Weder über die Depression noch über die Erektionsprobleme. Das hat ein paar Jahre gedauert.

BRIGITTE: Aber Ihrer Frau kann das doch kaum entgangen sein.

Sie: Ich wusste nur sehr wenig.

Er: Wir haben die Dinge nicht beim Namen genannt. Das mussten wir erst lernen. Die Depression begann 1997, im Frühjahr 2000 bin ich dann zum Arzt gegangen. Über die Erektionsprobleme habe ich erst viel später gesprochen.

Sie: Dabei kann man das nicht trennen. Wenn er depressiv war, ging gar nichts. Waren die Depressionen mal ein bisschen besser, und es klappte trotzdem nicht im Bett, dann wurden sie wieder schlimmer. Und selbst wenn es gutging, hatte ich ständig Angst, es könnte wieder nicht klappen. Weil er dann wieder depressiv wurde.

Er: Und ich hatte immer Angst, dass er wieder nicht stehen bleibt. Durch den Erwartungsdruck und die Versagensangst ging dann oft gar nichts mehr.

Sie: Das wurde immer dramatischer.

Wir mussten erst lernen, die Dinge beim Namen zu nennen

BRIGITTE: Inwiefern dramatisch?

Er: Ich hatte immer häufiger Selbstmordgedanken.

Sie: Und da ist er dann zu unserem Hausarzt gegangen. Der hat ihm Antidepressiva verschrieben.

Er: Mit den Medikamenten bin ich aber nicht gleich klargekommen. Durch das eine hat sich mein Blutbild verändert. Im Beipackzettel eines anderen las ich, dass es zu sexuellen Funktionsstörungen führen kann. Die hatte ich ja schon. Also habe ich es nicht genommen. Dadurch wurde alles wieder schlimmer. Schließlich nahm ich ein anderes Medikament und wurde fachärztlich und psychotherapeutisch betreut.

BRIGITTE: Was haben Sie währenddessen gegen die Erektionsstörungen unternommen?

Er: Nichts. Wir waren bei einer Beratungsstelle, da halfen uns ein Mann und eine Frau, überhaupt wieder miteinander ins Gespräch zu kommen.

Sie: Durch einen glücklichen Zufall fand ich Hilfe bei einem Gestalttherapeuten - und da konnte ich endlich reden. Über mich und meine Situation, darüber, wie ich mich fühlte im Zusammenhang mit unseren sexuellen Problemen.

BRIGITTE: Wie haben Sie sich denn gefühlt?

Sie: Hilflos, überfordert und verzweifelt. In meinen Gedanken und Empfindungen ging es nicht mehr um mich oder um unser gemeinsames Erleben. Es ging nur noch darum, ob es klappt oder nicht. Das war total frustrierend.

BRIGITTE: Haben Sie sich entwertet gefühlt, weil Sie mit Ihrer Lust allein waren?

Sie: Die spielte gar keine Rolle mehr. Da war nur noch die Angst, ob es klappt oder nicht. Außerdem dachte ich: Liegt es nicht doch an mir? Bin ich zu unattraktiv? Zu müde? Sind wir zu lang zusammen? Natürlich war er depressiv. Aber es reicht nicht zu sagen: Es liegt nicht an mir. Das ist alles miteinander verwoben.

Er: Ich war dann auch bei diesem Gestalttherapeuten, und allmählich haben sich die Depressionen stark zurückentwickelt. Die sexuellen Probleme haben wir dann schrittweise bewältigt.

BRIGITTE: Wie ist Ihnen das gelungen?

Er: Zunächst mit Viagra, das war in dieser Situation ein sinnvolles Medikament. Bei mir hat es in sehr kleinen Dosen gewirkt. Wenn es eine Zeit lang gut ging, habe ich es auch weggelassen. Vorausgesetzt, die Stimmung war so gut, dass ich es verkraftet hätte, wenn es nicht funktioniert hätte.

Sie: Dass es mal nicht klappt, ist ja nichts Ungewöhnliches, gerade wenn man älter wird. Das Entscheidende ist, es anders einzuschätzen. Und das hat sich insgesamt sehr verbessert.

Er: Man kann dann mal sagen: "Wir warten jetzt ein bisschen und probieren dann weiter." Das hätte ich mich früher nie getraut. Da habe ich sofort aufgegeben.

Sie: Durch die Krise und den späteren Kontakt mit anderen betroffenen Männern in der Selbsthilfegruppe hat sich mein Mann in seiner Persönlichkeit sehr verändert. Er ist selbstbewusster und offener geworden.

BRIGITTE: Wie haben Sie als Partnerin den Einsatz von Viagra erlebt?

Sie: Am Anfang fühlte ich mich ein bisschen unter Druck. Da habe ich mir Gedanken gemacht: Was, wenn ich gerade keine Lust habe - und er steht da. Aber wir lernten, damit umzugehen.

BRIGITTE: Wie war das denn mit Ihrer Lust - blieb die nicht auf der Strecke?

Er: Meine Lust war ungebrochen, außer in den schlimmsten Zeiten der Depression.

Sie: Meine Lust war schon mal weg. Bei so einem Stress geht die verloren. Hat die Auseinandersetzung mit Ihrer Sexualität Sie auch weitergebracht?

Er: Ja! Um dem Druck zu entgehen, eine Erektion haben zu müssen, haben wir anderes probiert und uns weiterentwickelt.

Sie: Beispielsweise haben wir mal gesagt: "Heute schlafen wir nicht miteinander, sondern kuscheln und streicheln uns."

Er: Über manche unserer Experimente konnten wir sogar lachen.

Sie: Und wir können jetzt über die Angst reden. Allerdings ist einem die Angst manchmal gar nicht bewusst. Man verdrängt sie - und die Möglichkeit, Sex zu haben. Man entwickelt Vermeidungsstrategien: keine Zeit, zu viel zu tun. Dafür planen wir den Sex jetzt eher ein. Wir überlassen ihn weniger dem Zufall und gehen bewusster damit um.

BRIGITTE: Und wie läuft es jetzt, acht Jahre nach dem Tiefpunkt?

Er: Viagra liegt in der Schublade, aber ich nehme es eigentlich nicht mehr. Ich habe das Gefühl, es ausbalancieren zu können.

Sie: Diese Angst, dass es nicht klappt, ist immer noch in mir drin. Auch nach so vielen Jahren. Und das nimmt mir oft die Unbeschwertheit.

Er: Ab und zu kommen immer noch depressive Phasen, die sich auf meine Potenz auswirken.

BRIGITTE: Wie gehen Sie damit um?

Sie: Gibt es Probleme beim Sex, dann versuche ich, verständnisvoll zu bleiben. Aber die Frustration verschiebt sich in andere Bereiche unseres Lebens. Manchmal streiten wir über irgendwelche Kleinigkeiten - und ich werde dann unverhältnismäßig ungeduldig und laut, knalle die Tür und schimpfe.

Er (flüstert): Aggressiv.

Sie: Wenn ich mich zurückgewiesen und nicht begehrenswert fühle, muss ich meine Wut einfach herauslassen. Danach geht es mir dann besser.

Ich war mir immer sicher, dass meine Frau zu keinem anderen Mann geht

BRIGITTE: Haben Sie in der schwierigen Zeit darüber nachgedacht, dass Ihre Frau zu einem anderen Mann gehen könnte?

Er: Ich hätte das nicht ausgehalten. Dann sieht sie ja, wie wunderbar das mit dem klappt - und was für ein Schlappschwanz ich bin. Aber ich war mir immer sicher, dass sie das nicht tun würde.

BRIGITTE: Das Thema Sex hat viel Gewicht in Ihrer Beziehung. Hängt es Ihnen manchmal zum Hals raus?

Sie: Mir schon!

Er: Mir nicht! Meine Sexualität ist mir weiterhin sehr wichtig und eine Bereicherung meines Lebens und unserer Beziehung. Ich setze mich auch fachlich mit dem Thema auseinander, denn seit vier Jahren arbeite ich in einer Selbsthilfegruppe mit. Da versuchen wir, Männern mit Erektionsstörungen zu helfen, indem wir uns austauschen - per Mail, Telefon oder auch vor Ort. Ich leite die Gruppe in Köln, es gibt sie allerdings auch in anderen Städten. Und so können die Männer lernen, über ihre Probleme zu sprechen - untereinander, mit dem Arzt und vor allem auch mit ihrer Partnerin.

BRIGITTE: Welche Männer kommen denn in die Selbsthilfegruppe?

Er: Die meisten sind über 50, und bei ihnen überwiegen die organischen Ursachen der Störungen, also etwa Diabetes, Herzerkrankungen oder Prostata-Operationen. Es kommen aber auch jüngere Männer zu uns, die Probleme mit der Erektion haben. Und es schreiben uns auch viele Frauen.

BRIGITTE: Was erhoffen sich die Frauen?

Er: Sie wollen wissen, wie sie mit der Erektionsstörung ihrer Männer umgehen können. Darunter leiden sie nämlich häufig gar nicht so sehr - sondern unter der Tatsache, dass die Männer darüber nicht reden und sich immer mehr zurückziehen. Da finden oft nicht mal mehr Zärtlichkeiten statt.

BRIGITTE: Was empfehlen Sie Hilfe suchenden Männern und Frauen?

Er: Vor allem: reden! Dann Therapeuten oder Ärzte. Und wir in der Gruppe er- klären, was man alles machen kann, von Viagra bis zur Penispumpe. Nach Prostata- Operationen sind oft die Nerven durchtrennt, so dass Viagra nicht wirken kann. Es gibt aber weitere Mittel und Methoden, die auch bei organisch bedingten Erektionsstörungen helfen. Aber wenn er nicht steht, legt sich das immer auf die Seele. Und der kann man nur helfen, indem man miteinander redet. In manchen Fällen wird auch professionelle Unterstützung nötig sein, die dem Mann und auch seiner Partnerin weiterhilft.

Sie: Man kann die gemeinsame Angst vor dem Versagen durch Reden verringern. Durch die Beschäftigung mit dem Thema Sex und Impotenz haben wir uns beide sehr verändert. Er ist offener geworden. Und ich tue mir öfter mal was Gutes. Aber wir haben auch andere Fundamente unserer Ehe ausgebaut. Wir bewegen uns deutlich mehr als früher, wir wandern. Und wir gehen gemeinsam tanzen. Das haben wir unseren Ängsten und unseren Unzulänglichkeiten zu verdanken.

Werner Zaefferer, 56, ist Hauptschullehrer im Ruhestand und leitet den Kölner Teil der Selbsthilfegruppe "Erektile Dysfunktion" (www.impotenz-selbsthilfe.de). Als Anlaufstelle für Betroffene empfiehlt er außerdem das Freiburger Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit (ISG, www.isg-info.de).

In der BRIGITTE Heft 24 haben wir auf eine sechstägige Therapie im Repotenz-Zentrum der Heinrich- Mann-Klinik in Bad Liebenstein hingewiesen. Leider wird diese Therapie in diesem Jahr und voraussichtlich auch im nächsten Jahr nicht angeboten.

Interview: Nataly Bleuel

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel