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Sex und Erbsensuppe: Ein Besuch im Swingerclub

Sex und Erbsensuppe: Ein Besuch im Swingerclub
© Radius Images/Corbis
Was geht da in diesen Clubs, in denen's jeder mit jedem treibt? BRIGITTE-Autorin Steffi von Wolff hat aus Neugier einen Swingerclub besucht.

Nachdem ich mit meiner Freundin Bea mal spätabends bei einer Doku über Swingerclubs hängenblieb, kam ich ins Grübeln: War ein normales Sexleben, das zu Hause stattfand, mittlerweile pervers und das andere normal? Als ich endlich aus Recherche-Gründen einen Swingerclub aufsuchen konnte, dankte ich deshalb meinem Schöpfer.

Bea hyperventilierte: "Denk doch mal an die Doku! Das war doch nicht schön!" - "Vielleicht ist es ja ganz toll", sagte ich. "Was, wenn sich in edle Dessous gekleidete Leute dem gepflegten Gruppensex mit ohrenfreundlichem Stöhnen widmen und während einer Pause bei gedämpftem Licht über den Klimawandel oder Putin sprechen - und jeder nimmt was fürs Leben mit, wenn er geht? Das will ich wissen."


Ich meldete mich also in einem Club an, die Besitzerin Herta öffnete mir. "Tach, komm rein!" Im Bar-Bereich saß unter anderem eine recht übergewichtige Frau, und sie trug ein Netzhemd, das so tief in die Haut einschnitt, dass man den Netzstoff nicht mehr sah, sondern nur Speckwülste. Sie hieß Marion und begrüßte mich mit den Worten: "Ich geh mal nach oben ficken."

Herta fing an zu blasen

Eine andere Frau fragte: "Zum Dieter? Der macht's dir ja gut von hinten." Herta fing an, ihrem Mann hinter dem Tresen einen zu blasen, und ich fühlte mich kurz überfordert. Die Einrichtung hier glich einer Kellerbar aus den frühen 70er Jahren. Zwei Mittfünfziger in ausgeleierten weißen Frotteeschlüppern zischten Bier. "Unsere Frauen sind bi", sagten sie "die treiben's oben. Schnittchen?"

Ja, das Buffet. Aufschnitt, Brot, Butter und eine Suppe. "Heut gibt's Erbsensuppe", sagte Herta. Ich dachte, ich höre nicht richtig. "Äh, das ... riecht doch." - "Och, da gewöhnt man sich dran."

Ich ging ins obere Stockwerk, wo die Post abging. An einem Andreaskreuz hing ein Mann und wurde von einer Frau malträtiert, eine Frau hing kopfüber von der Decke und frönte dem Oralverkehr mit einem vor ihr stehenden Typen, in der "Hundehütte", in die man kriechen musste, wurde von vorn, von hinten, von der Seite, von oben, von unten gerammelt - und ich mittendrin und als Einzige angezogen kam mir ein bisschen blöd vor, auch hatte ich Angst vor den zu vielen Körperteilen.

Ihr Mann feuerte die Gruppe an

In einem anderen Raum fand ein Gang-Bang statt: Eine Frau lag auf dem Rücken, und nacheinander wurde sie von allen im Raum anwesenden Männern durchgenudelt, während ihr eigener Mann die Gruppe anfeuerte. Später saßen alle unten in der Bar. "Süppchen? Bierchen? Na, Evi, biste oft genug gekommen?" - "Och, hätte noch mehr sein können. Sag mal, wieso sind denn die Tomaten nicht geviertelt, Herta? Die kriegt man mit dem Buttermesser doch nicht klein."

Es gab Sex und Erbsensuppe

Herta schnitt die Tomaten und sagte: "Passt mal auf, dass ihr nicht immer so viel Kleenex verbraucht, Evi. Das geht ganz schön ins Geld." - "Nun ist aber gut, Herta", sagte Evis Mann, während an Evi wieder neue Männer rumfummelten. "Bis vor zwei Wochen gab's hier nicht mal 'ne Zapfanlage. Nur Flaschenbier." - "Ach, Ludwig, mecker nicht, verputz mir lieber einen, höhöhö." Alle lachten, tranken, aßen geviertelte Tomätchen, dann vögelte man weiter, diskutierte über Milchpreise, und die Frau mit dem Netzoberteil tanzte zu James Last.

Es war skurril. Es war, als befände man sich im Clubheim eines Kleingärtnervereins, in dem es neben Schnittchen und Erbsensuppe auch Sex gab.

Ich habe davor und danach nie wieder nur annähernd eine solch merkwürdige Situation erlebt, die fast spießig und banal war - und auf eine komische Art ernüchternd, eben weil ich etwas anderes, vielleicht Verruchteres, erwartet hatte. Irgendwie passte es nicht zusammen. Oder jedenfalls nicht zu mir. Aber es heißt ja in den Clubs immer: Alles kann, nichts muss. Ich muss nicht.

Text: Steffi von Wolff

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