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#neueoffenheit "Sexarbeit liegt mir"

#neueoffenheit: Josefa Nereus
"Es ist kein Naturgesetz, dass Liebe und Sex gekoppelt sind", sagt Josefa und plädiert für Beziehungsmodelle neben der Monogamie.
© Jewgeni Roppel
Josefa Nereus, 36, steht offen zu dem, was sie seit neun Jahren – zunächst heimlich – beruflich macht: Sie ist Sexarbeiterin.

Ursprünglich habe ich Mediengestaltung gelernt. Ich hatte einen 40-Stunden-Job, der mir einigermaßen Spaß machte, und am Wochenende hatte ich Sex mit meinem Freund, so wie viele andere auch. Nur hat mir das nicht gereicht.

Mein Bedürfnis nach Sexualität wurde in unserer Beziehung nicht gestillt. Aber wir haben es nicht eingesehen, uns zu trennen, nur weil der Sex nicht stimmte.

Wir fanden es viel logischer zu sagen: Okay, dann suche ich mir halt eine andere Möglichkeit, das auszuleben. Da kam das erste Mal der Gedanke an Prostitution ins Spiel. Ich habe ein paar Monate draufrumgedacht, bis ich mich entschlossen habe, mich bei einer Escort-Agentur zu melden, um es auszuprobieren.

Vor meinem ersten Date lagen meine Nerven blank. Aber das Treffen hat sich als etwas sehr Schönes entpuppt. Danach war mir klar, Sexarbeit liegt mir. Ich bin gut darin. Ich wusste aber erst nach meinem ersten Overnight-Date, dass ich damit auch mein Einkommen bestreiten kann. Da lag auf einmal so viel Geld vor mir, wie ich sonst in einem Monat als Mediengestalterin verdient habe, 1200 Euro.

Drei Jahre bin ich zweigleisig gefahren, weil ich nach außen noch etwas Anständiges und Bürgerliches haben wollte. Aber irgendwann hatte ich das Selbstbewusstsein, offen zu sagen: Ich bin Sexarbeiterin – Schluss, Aus, Ende.

Mich zu outen war eine Befreiung. Und trotzdem musste ich lernen, mit dem Stigma umzugehen. Wenn ich erzähle, was ich mache, ist die häufigste Reaktion Ablehnung. Manchmal klein und versteckt, manchmal offen mit Abscheu und Ekel. Und immer mal wieder werden Menschen aggressiv, weil sie es nicht aushalten können, dass ihre Denksysteme in Frage gestellt werden.

Ich muss mir dann anhören, ich würde das toxische Verhalten von Männern fördern. Oder mich jeden Tag vergewaltigen lassen. Dabei lebe ich meine Lust auf Körper, Sexualität und Menschen einfach nur frei, selbstbestimmt und schamlos aus. Ich würde mir wünschen, dass sich jeder einmal fragt, worum wir Sexualität immer so anders bewerten? Warum soll Sexarbeit anders sein, als jeder andere Job? Das will mir nicht in den Kopf.

Protokoll: Nele Justus Brigitte

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