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Verschwörungstheoretiker im Umfeld Was tun, wenn Argumente nicht mehr ankommen?

Verschwörungstheoretiker
© Oleg Golovnev / Shutterstock
Als ihre Freundin anfängt, Verschwörungstheorien zu verbreiten, glaubt Ute* noch, sie sachlich überzeugen zu können. Ein Irrtum.

Es muss zwei, drei Jahre her sein, da postete sie den Link zu einer Studie: "Anhänger von Verschwörungstheorien sind intelligenter!" Wer Medien wie Institutionen misstraue, hieß es darin, zeichne sich durch IQ und kreatives Denken aus. "Das ist für alle, die meine Weltsicht kritisieren!", schrieb Monika* mit Zwinker- Emoji. Ich fühlte mich angesprochen.

Aber von vorne. Sie und ich kennen uns seit Jahrzehnten. In verrauchten Bars redeten wir uns über Literatur, Gesellschaft und Beziehungen die Köpfe heiß. Ihr Leben war ganz anders verlaufen als meines. Doch politisch bewegten wir uns in einem ähnlichen Spektrum, dachte ich jedenfalls. Eher links, kritisch, sozial.

Im Netz eine andere Person

Vor ein paar Jahren dann legte sich Monika einen Social-Media-Account zu und zum ersten Mal dachte ich: Diese Frau im Netz, die kenne ich nicht. Manches erkannte ich noch wieder – etwa Sorgen um den Klimawandel –, anderes betrachtete ich verständnis- und hilflos bis bestürzt. Wie konnte sie die deutsche Regierung verdächtigen, sie unterstütze einen Krieg in der Ukraine? Oder einen Freund der "Reichsbürger" verteidigen: "Xavier Naidoo soll nicht beim Eurovision Song Contest singen? Das ist ja wie Auftrittsverbote in der DDR!"?

Ich hielt dagegen. Unsere Online-Diskussionen fraßen täglich mehr Zeit. Ich dachte: Ihr fehlt nur die richtige Einordnung. Es war ja nicht so, dass sie die Erde für eine Scheibe hielt oder Angela Merkel für einen Echsenmenschen. Schließlich lud ich sie zu Rotwein und Offline-Gespräch. Und merkte zum ersten Mal, was es bedeutet, mit Verschwörungstheoretiker*innen zu diskutieren: Es ist, als wollte man einen Fisch unter Wasser mit bloßen Händen fangen. Auf jedes Argument haben sie fünf Gegenargumente, angeblich aus Quellen, die "den Mächtigen" nicht passen. Der härteste Faktencheck nutzt nichts, wenn dein Gegenüber alles für gekauft und manipuliert hält, das nicht in sein Weltbild passt. Monika ist überzeugt, dass es jede Menge geheime Absprachen gibt, zwischen Staaten, Militär, Medien, Konzernen. Einen großen Plan.

Versuch Gehirnwäsche

Beim dritten Glas Rotwein ging mir auf: Auch sie hatte wohl gehofft, mich auf die richtige Spur zu bringen. Trotzdem verabschiedeten wir uns herzlich. Danach fühlte ich mich wie gehirngewaschen. Dennoch war ich entschlossen, unsere Freundschaft zu retten. Auch wenn wir nur noch über Reisen, Sport oder Bücher reden konnten.

Mittlerweile weiß ich, dass das nicht geht. Der Riss führte durch fast jedes Thema, der Elefant im Raum wurde zu groß. Verabredungen wurden seltener, auf Social Media hörten wir auf, einander zu kommentieren. Das merkt sich der Algorithmus, deshalb bekomme ich ihre Beiträge kaum noch angezeigt. Als es neulich doch mal passierte, las ich: "Masken nehmen unseren Kindern die Luft zum Atmen!" Einen Moment lang habe ich überlegt, sie zu entfreunden. Und es dann doch gelassen. Sie hat mir ja nichts getan. Aber die Hoffnung, ihr Weltbild ins Wanken zu bringen, habe ich aufgegeben.

*Namen geändert

Wie man mit Verschwörungstheoretiker*innen redet

Suchen Sie das Gespräch und hören Sie zu. Machen Sie sich nicht über Ihr Gegenüber lustig.

Bleiben Sie sachlich und bei den Fakten. Eine Anleitung gibt die Broschüre "Verschwörungs­ideologien und Fake News – erkennen und widerlegen" des Vereins "Der goldene Aluhut" (dergoldenealuhut.de).

Versuchen Sie herauszufinden, was hinter dem Glauben an eine Verschwörungstheorie steckt. Oft ist es ein Bedürfnis nach Kontrolle, ausgelöst durch Unsicherheit oder Angst. Nehmen Sie diese ernst und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen.

Wenn man mit Fakten nicht weiterkommt, rät der Rechtspsychologe Dr. Roland Imhof zu einer Metaebene: "Beide Seiten sollten sich fragen: Was könnte denn gegen meine Theorie sprechen?" So könne man Zweifel und selbstkritisches Hinterfragen anstoßen.

Oft sagen wir: Was kann ich schon tun? Doch es liegt mehr in unserer Macht, als wir denken.

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