Einfach mal allein in den Urlaub fahren, auf die Frage nach dem Befinden ehrlich antworten oder eine fremde Person darauf aufmerksam machen, dass ihre Hose offen ist – es gibt Dinge, die in der Gesellschaft nicht unbedingt verpönt sind, aber nur bedingt unterstützt werden. Warum eigentlich?
Die Gesellschaft setzt Normen und Werte fest, die unser Handeln beeinflussen und lenken. Das ist in manchen Fällen eine absolut tolle Idee – manche hält es nämlich davon ab, anderen Menschen allzu deutlich die Meinung zu sagen, weil sie wissen, dass das unschöne Konsequenzen haben könnte. Aber seien wir mal ehrlich: Manche Normen sind wirklich etwas überholt und schränken uns mehr ein, als dass sie Sinn ergeben.
Wir haben in der Redaktion nachgefragt und Dinge gesammelt, die von manchen Menschen noch immer als "unnormal" angesehen werden, die wir aber unbedingt normalisieren wollen. Denn sie schaden niemandem und manche machen sogar richtig Spaß – oder sind schon viel zu lange unter den Teppich gekehrt worden.
Was wir unbedingt normalisieren sollten
Nur weil etwas ungewöhnlich ist, ist es nicht automatisch schlecht. Im Gegenteil: Es lohnt sich für uns alle, die teils festgefahrenen Vorstellungen, Normen und Werte der Gesellschaft zu hinterfragen und die auferlegten Grenzen Stück für Stück zu erweitern. Oder manches Mal eben ganz zu durchbrechen. Nur so konnte sich unsere Gesellschaft über die letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte weiterentwickeln. Wo keine Veränderung, da kein Fortschritt – warum nicht bei den folgenden Dingen anfangen?
Es sollte "normal" sein, allein Dinge zu tun
Unsere Gesellschaft ist sehr pärchenfixiert. "Oh, du hast niemanden?" ist eine Frage an Singles, die auf mehreren Ebenen unschön ist.
- Zunächst einmal hast du im Zweifel viele Menschen in deinem Leben. Mit "niemand" ist eine sexuell-romantische Beziehung gemeint, die sowieso nicht das große Ziel von jedem einzelnen Menschen im Leben ist, denn …
- … vielleicht möchtest du niemandem auf dieser Ebene in deinem Leben?
- ... hast du nicht um einen Kommentar oder eine Bewertung deines Lebens gebeten.
Und selbst wenn du in einer Beziehung bist, heißt das noch lange nicht, dass ihr aneinanderkleben und alles, wirklich alles, gemeinsam machen müsst. Du hast Lust auf einen Kinofilm? Eine Feier? Einen Restaurantbesuch? Einen ganzen Urlaub? All diese Dinge muss niemand zwingend in Begleitung machen. Im Gegenteil: Mit sich allein zu sein, kann uns eine Menge über uns beibringen und es ist immer ein gutes Zeichen, mit sich selbst so im Reinen zu sein, dass man niemanden braucht, um sich abzulenken.
Eine Schwangerschaft sollte vor der 12. Woche angekündigt werden dürfen
"Ich weiß, es ist eigentlich noch nicht erlaubt, aber …" – solche und ähnliche Aussagen hören wir öfter, wenn es darum geht, dass jemand gerade ein "Verbot" ignoriert und – oh, Schreck! – es wagt, uns von der eigenen Schwangerschaft zu erzählen, bevor diese wirklich "sicher" ist. In den ersten zwölf Wochen ist die Gefahr, dass der Embryo nicht überlebt, am höchsten, weswegen sich etabliert hat, dass man erst nach Ablauf dieser Zeit von einer Schwangerschaft berichtet.
Und sicherlich, manche fühlen sich damit auch wohler – schließlich kann es Druck erzeugen, wenn viele Menschen von der Schwangerschaft wissen und dann doch etwas schiefgeht und man nun allen davon berichten muss. Vielleicht möchte man auch aus diesem Grund den Kreis möglichst klein halten.
Doch das sollte sich jeder Mensch selbst überlegen dürfen, denn auf der anderen Seite schließt man damit enge Freund:innen und die Familie von einer aufregenden Zeit aus.
Und: Sollte in den ersten Wochen tatsächlich etwas schiefgehen, dann bedeutet das oft, dass man mit dieser traurigen und für manche traumatischen Erfahrung ganz allein ist. Wieso sollte man nicht vorher nahestehende Menschen ins Boot holen, damit die für eine:n da sein können?
Es ist okay, keine Kinder zu wollen
Apropos Schwangerschaft: Wir leben in einer Zeit, in der Frauen alles sein können – warum schauen manche Menschen sie dann aber immer noch schräg an, wenn sie etwas nicht sein wollen?
Nicht jeder Mensch möchte Kinder. Bei Männern scheint diese Tatsache gesellschaftlich akzeptiert zu sein, Frauen (bzw. Menschen mit Uterus) müssen sich jedoch oftmals bis zu ihrer Menopause dafür rechtfertigen, keine Kinder zu bekommen. Besonders dann, wenn sie mit einer anderen Person zusammen sind.
Man muss Kinder nicht hassen, um selbst keine zu wollen. Jeder Mensch darf über den eigenen Körper entscheiden und eine Schwangerschaft ist ein enormer Eingriff. Ganz zu schweigen von der Verantwortung, die darauf folgt. Das für die eigene Lebensplanung nicht zu sehen, ist mehr als in Ordnung und sollte absolut "normal" sein.
Therapien sollten wie Besuche bei Ärzt:innen behandelt werden
Während Therapien mehr und mehr gesellschaftlich akzeptiert werden, scheint der Weg noch lang, bis wirklich jede:r eine Therapie genauso selbstverständlich betrachtet wie einen Besuch bei dem:der Hausarzt:ärztin. Niemand würde mit der Wimper zucken, wenn du mit einem verstauchten Handgelenk medizinische Hilfe aufsuchst – warum also nicht auch mit einer angeschlagenen Psyche?