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Verbrecherische Frauen: Darum werden Täterinnen oft verharmlost

Verbrecherische Frauen: Eine Frau posiert für Polizeifoto
© tomasworks / Shutterstock
Menschen zu Tode gequält, ein Junge zum Vergewaltigen verkauft: zwei Fälle, in denen sich Frauen schrecklicher Verbrechen schuldig gemacht haben. Kriminalpsychologin Lydia Benecke über die Macht des weiblichen Bösen.

Frauen begehen deutlich seltener Sexual- und Gewaltstraftaten als Männer. Tun sie es aber doch, sind Entsetzen und Erstaunen umso größer. Gerade weil Frauen grundsätzlich eher als mütterlich, hilfsbereit, mitfühlend und sanft eingeschätzt werden, erscheint es uns fast unvorstellbar, dass auch sie zu so grausamen Taten fähig sind. Doch genau diese weiblichen Rollenklischees helfen Täterinnen, länger unentdeckt zu bleiben.

Frauen in pflegenden Berufen können Gewalt bis hin zum Mord an Patienten im Rahmen ihrer Tätigkeit tarnen. Frauen ersticken oder vergiften Angehörige, um die sie sich vermeintlich liebevoll kümmern. Mütter, die vom Münchhausen-Stellvertretersyndrom betroffen sind, setzen jahrelang unter dem Deckmantel der Fürsorglichkeit ihre Kinder einer Odyssee unnötiger medizinischer Behandlungen aus.

Die Motive einer Frau sind anders als bei Männern

Frauen töten aus anderen Gründen als Männer. Wenn ein Streit unter Unbekannten eskaliert, etwa eine Prügelei unter Betrunkenen, sind Opfer wie Täter fast immer Männer. Männer töten auch häufiger als Frauen aus gekränktem Narzissmus heraus, weil sie das Scheitern einer Beziehung oder einer Familie als existenzielle Kränkung ihres Selbstwertes erleben. Wenn dagegen Frauen töten, sind die Opfer in den meisten Fällen Menschen aus ihrem nahen Umfeld, Kinder, Verwandte oder ein Partner. Häufig ist ihr Motiv der Wunsch, einen zur Last gewordenen Menschen aus dem eigenen Leben zu streichen und/oder sich durch dessen Tod zu bereichern.

Sexualstraftaten werden ebenfalls deutlich seltener von Frauen begangen - allerdings haben Frauen auch deutlich bessere Chancen als Männer, damit ungestraft davonzukommen. Und eine Gesellschaft, die bei männlichen Tätern zu Recht von "Missbrauch" spricht, während Übergriffe von Frauen immer wieder als "Verführung" verharmlost werden, trägt unfreiwillig das ihre dazu bei.

Frauen, die Kinder missbrauchen, relativieren dies oft vor sich selbst. Aus Kuscheln und Pflege wird dann zunehmend sexuell übergriffiges Verhalten. Ist die Mutter die Täterin, redet sie sich meist ein, dies sei nur eine "besonders innige" Form der Mutterliebe. Wenn Frauen den Missbrauch ihres Kindes durch den Partner dulden, ist das zentrale Motiv häufig die Angst, ihn zu verlieren. Manchmal verdrängen sie die Tat auch.

Ein so liebevoller Partner und Vater kann doch so etwas nicht tun.

Dann werden verdächtige Momente umgedeutet, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Besonders stark persönlichkeitsauffällige Täterinnen, welche bemerkenswert wenig Mitgefühl, Schuldgefühl oder Angst aufweisen und gleichzeitig extrem egozentrisch, bedürfnisorientiert und manipulativ handeln, sind glücklicherweise tatsächlich selten. Sie nutzen häufig emotionale Erpressung und Grausamkeit, um ihren Willen durchzusetzen und ihre Aggressionen auszuleben.

Nicht jede Frau, die etwas Schreckliches getan hat, weist eine solch gewissenlose Persönlichkeit auf. Manchmal sind es - wie ja auch häufig angenommen - besonders selbstunsichere Frauen, die zu Abhängigkeit in Beziehungen neigen und sich von einem Partner dazu drängen lassen, mit ihm gemeinsam oder für ihn Straftaten zu begehen. Wenn sie glauben, ohne den Partner nicht mehr leben zu können, lassen sie sich zu den unvorstellbarsten Taten drängen.

Täterinnen nutzen den Partner aus

Aber es gibt auch Frauen, die in einer Partnerschaft mit einem Mittäter endlich die Möglichkeit finden, die bereits in ihnen aufgestauten Aggressionen und Machtfantasien auszuleben. Diese Täterinnen versuchen dann häufig vor Gericht, sich selbst als abhängige Opfer ihres Partners und Tatgenossen darzustellen. Sie sind zunächst nur schwer von den Täterinnen zu unterscheiden, die ihrem Partner tatsächlich zum Tatzeitpunkt hörig waren. Und positive Vorurteile gegenüber Frauen spielen ihnen häufig in die Hände. Aber grundsätzlich gilt nun einmal: Frauen sind nicht automatisch die besseren Menschen.

Lydia Benecke,35, arbeitet in Köln unter anderem in einer sozialtherapeutischen Anstalt mit Gewalt­ und Sexualstraftätern. Sie hält Vorträge und hat bereits mehrere populär­wissenschaftliche Bücher geschrieben, zuletzt „Psychopathinnen: Die Psychologie des weiblichen Bösen“ (432 S., 18 Euro, Bastei Lübbe).

BRIGITTE 22/2018

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