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Verbitterung überwinden: So wirst du lebenslustiger

Verbitterung überwinden: So geht's
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Gekränkt für immer: Der Psychotherapeut Prof. Dr. Michael Linden über verbitterte Menschen – und unter welchen Umständen auch wir es werden können

BRIGITTE: Was unterscheidet einen verbitterten Menschen von einem, sagen wir mal, griesgrämigen?


PROF. DR. MICHAEL LINDEN: Missmut heißt nur, dass man schlechter Stimmung ist, vielleicht auch, dass man einen allgemeinen Hass auf die Welt hat. Verbitterung dagegen ist immer eine gezielte Reaktion auf eine ganz spezifische, tief empfundene Ungerechtigkeit, eine Herabwürdigung, einen Vertrauensbruch. Jeder von uns war schon mal verbittert: Uns ist etwas passiert, was uns zutiefst gekränkt hat, und nun brennen wir vor Emotionen und haben Rachegedanken. Aber meist geht es nach ein paar Tagen vorbei. Oder es bleibt zumindest themenspezifisch: Wenn Sie später jemand auf die Sache anspricht, ist das vielleicht immer noch ein roter Knopf für Sie. Aber sonst denken Sie gar nicht mehr dran.

Aber Sie beschäftigen sich beruflich ich eher mit den Menschen, deren Verbitterung dauerhaft ist.


Ja. Es gibt, analog zur posttraumatischen Belastungsstörung, eine posttraumatische Verbitterungsstörung. Das heißt, es gab entweder ein einmaliges, aber sehr einschneidendes Verbitterungserlebnis, oder aber eine Kette von Ereignissen, die alle in dieselbe Kerbe geschlagen haben. Danach sind die Leute schwer krank. Sie sind nicht mehr in der Lage, ihr Leben zu gestalten, weil alles nur noch um dieses Problem kreist und sie einfach nicht loslassen können. Sie reden immer wieder davon, sie entwerfen Morddrohungen an ihren Ex-Mann oder Ex-Arbeitgeber, sie geben ihr Vermögen aus, um vermeintlich Gerechtigkeit wiederherzustellen. Und jeder, der helfen möchte, wird gebissen: "Wie, ich soll das hinter mir lassen? Du findest das also nicht so schlimm, was mir angetan wurde?!"

Welche Leute neigen dazu, auf so einem Gefühl hängen zu bleiben?


Es gibt durchaus Menschen, die aufgrund ihrer Persönlichkeit zu einer erhöhten Kränkungsbereitschaft neigen. Aber letztendlich sind wir alle da gefährdet, wo wir stark sind. Bei dem, was uns wichtig ist, sind wir verletzlich. Wenn Sie sich zum Beispiel sehr stark mit Ihrem Beruf identifizieren, alles hinter Ihre Arbeit zurückstellen, und dann bekommen Sie eine versprochene Beförderung nicht, sondern jemand anderes mit guten Kontakten, und Sie werden auch noch öffentlich bloßgestellt – dann wären auch Sie wahrscheinlich dran.

Was kann da helfen?

Gelegentlich hilft es, den Hergang ganz sachlich mit Abstand zu den eigenen Emotionen zu schildern, und dann die Perspektive aufs Geschehen zu wechseln. Ich hatte einen konkreten Fall, wo eine Patientin über Jahre total verbittert war, weil sie – wie im schlechten Hollywoodfilm – kurz vor ihrer Hochzeit ihren Verlobten mit ihrer Trauzeugin und besten Freundin im Bett erwischt hatte. Wie die Patientin erzählte, haben ihr Fast-Ehemann und diese Freundin dann auch später geheiratet, sind aber längst wieder geschieden – weil er natürlich auch in dieser Beziehung weiter fremdgegangen ist. Wir haben die Patientin dann gefragt: Haben Sie Ihrer Freundin eigentlich mal ein Dankeskärtchen geschickt, dass sie Sie vor dem Elend mit diesem Mann bewahrt hat? Natürlich, so etwas funktioniert nicht sofort. Doch wenn man immer wieder andere Emotionen ins Spiel bringt, kann das nach und nach die Verbitterung ein Stück weit auflösen. 

Prof. Dr. Michael Linden leitet die Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Berliner Charité und schrieb gemeinsam mit Sigrid Engelbrecht das Buch: "Lass los! Es reicht – Wege aus der Verbitterung" (188 S., 24 Euro, Ecowin).

BRIGITTE 6 / 2018

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