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Selbstsabotage: So bekämpfst du deinen inneren Feind

Selbstsabotage: So bekämpfst du deinen inneren Feind: Frau schaut nachdenklich aus dem Fenster
© Shymanska Yunnona / Shutterstock
Es ist erstaunlich, wie wir uns durch Erwartungen oder unschönes Kopfkino selbst blockieren. Und das meistens unbewusst und vor allem: ohne Not. BRIGITTE-Autorin Melanie Wolfers weiß, wie man diese Selbst-Sabotage beendet.

Wie schnell ich auch fahre, ich entkomme mir selber nicht: Ich denke über den Geburtstag eines Freundes nach, bei dem ich sehr gern dabei wäre, den ich aber aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht mitfeiern kann. Auf einmal wird mir bewusst, dass ich mit dem Rad schon viel weiter gefahren bin als geplant. Als ob ein Autopilot den Lenker übernommen hätte. In meinem Gedankenkarussell gefangen habe ich die Schönheit der Landschaft ungesehen an mir vorüberziehen lassen.

Wie Gedanken einem das Leben schwerer machen können

Es passiert von selbst, dass die Gedanken auf Wanderschaft gehen. Man grübelt über alles Mögliche und malt sich lebhaft aus, was man befürchtet oder gerne hätte. Das Dumme an diesem Gedankenkino: Mit ihm lassen sich treffsicher schmerzhafte Erfahrungen verstärken und in ein hartnäckiges Dauer-Leiden verwandeln.

Die Fähigkeit, mit der Menschen sich selbst das Leben schwerer machen, als es ohnehin schon manchmal ist, lässt sich in vier Aspekte auffächern.

Erstens: Wir leiden, weil wir das nicht haben, was wir wollen. Dieses Leiden ist sehr weit verbreitet. Manche verbringen freudlos einen Großteil ihrer Zeit damit, sich nach Dingen oder Eigenschaften zu sehnen, die sie nicht ihr eigen nennen: Sonnenschein statt einer verregneten Urlaubswoche; den erhofften Job, den jemand anders bekommen hat; oder eben das Fest, das man gerne mitgefeiert hätte. Und selbst, wenn gerade alles passt: Schöner wär’s, wenn’s schöner wäre. Oder?!

Zweitens: Wir leiden, weil wir etwas haben, was wir nicht wollen. Diese Dialoge kann man innerlich den ganzen Tag führen: "Ach, wenn die Kollegin kündigen würde … oder wenigstens in einem anderen Büro säße! – Oh je, wie sehe ich denn aus, ich werde alt, schon wieder ein graues Haar! – Jetzt redet sie schon wieder, kann sie nicht wenigstens heute einmal den Mund halten..." – und schon beginnt die Abwärtsspirale. Neben den äußeren Umständen mutet auch das eigene Innere Unwillkommenes zu: Charaktereigenschaften, körperliche und geistige Grenzen, seelische Narben … Wie oft wünschen Menschen sich, eine andere oder ein anderer zu sein.

Erwartungen vs. Realität

Bei beiden genannten Aspekten vergleicht man die Realität mit den eigenen Idealbildern. Das ist ein normaler und wichtiger Vorgang. Problematisch wird es, wenn man sich der Realität verweigert und stattdessen an seine Vorstellungen klammert, wie das Wetter, der Partner, der Job, wir selbst „eigentlich“ sein sollten. Denn dann kann das Leben nur verlieren. Dann können wir nur verlieren.

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Meine Erwartungen und Vorstellungen können wie dunkel getönte Brillen wirken, die den Blick auf die Realität mit einem Negativschleier überziehen. Auf diese Weise werde ich mit meinem Kopfkino zur Urheberin der eigenen Unzufriedenheit. Ein innerer Film läuft ab, der zwangsläufig auf ein Unhappy End zuläuft.

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Angst vor der Zukunft

Aber es gibt auch die Fortgeschrittenen-Version, wie wir uns allein durch Gedanken selbst leiden lassen.

Drittens: Wir leiden, weil wir genau das haben, was wir wollen. Ja, richtig gelesen! Ich spreche von Momenten, in denen wir uns eigentlich glücklich fühlen könnten, es vielleicht auch sind. Doch gerade in einem solchen Augenblick kommt die Furcht, dass er sich nicht festhalten lässt. Dass er vorübergehen wird oder zerbrechlich ist. Wir leiden, dass uns das Schöne einmal genommen sein könnte.

Ähnlich gelagert ist viertens: Wir leiden, weil wir nicht haben, was wir auch unter keinen Umständen haben wollen. Angenommen, eine Person läuft gern und kann auch lange Strecken ohne große Beschwerden joggen. Nur gelegentlich ziept es im linken Knie. Doch der Gedanke, dass das Gelenk in einigen Jahren nicht mehr mitspielen könnte, um Marathon zu laufen, macht ihr zunehmend Sorgen. Er vermiest ihr die Freude am Training, das sie in diesem Augenblick schmerzfrei absolviert.

Bei den beiden letzten Punkten spielen die Angst vor der Zukunft und die eigene Verwundbarkeit die Hauptrolle. Die Angst, dass ich die Zukunft nicht im Griff habe und Unerwünschtes, ja Schlimmes, passieren könnte. Solche Gedanken können unser Jetzt in Beschlag nehmen und das Glück der Gegenwart rauben.

Was du gegen Selbst-Sabotage tun kannst

Bleibt die Frage: Was hilft gegen das ungesunde Gedankenkino?

Es einfach gewaltsam abstellen zu wollen, funktioniert nicht. Dann melden sich Vorstellungen, Erwartungen und Befürchtungen nur noch lauter zu Wort. Wohl aber lässt sich darauf achten, dass man sich nicht von seinen Gedanken und den damit verbundenen Gefühlen mitreißen lässt. Das Beste wäre, ihnen keine weitere Bedeutung beizumessen, ähnlich wie bei Spam-Mails oder Pop-up-Anzeigen.

Gleichzeitig kann man versuchen, aufbauenden Vorstellungen mehr Raum zu geben: Gedanken, die Freude und Vertrauen, Kreativität und Wohlwollen stärken. Auf die eigene Gedankenkultur zu achten, funktioniert ähnlich wie die Pflege von Blumen: Jene Gedanken und Gefühle werden wachsen und sich fortpflanzen, die Aufmerksamkeit und Raum bekommen. Und umgekehrt werden die Gedanken, um die wir uns nicht kümmern, mit der Zeit eingehen.

Der Weg zum inneren Frieden

Natürlich bleibt das Unangenehme unangenehm und das Fürchterliche fürchterlich. Doch der springende Punkt ist: Wer sich auf Dauer an Unausweichlichem reibt, wird wund. Wer hingegen seine Erwartungen verändert und akzeptiert, dass auch Enttäuschung und Schmerz zum Leben dazugehören, den werden diese Erfahrungen nicht mehr ganz so stark quälen. Trotz Not kehrt irgendwie ein innerer Frieden ein.

Unvergesslich sind für mich jene Gespräche, die ich bei unterschiedlichen Gelegenheiten mit Frauen und Männern geführt habe – alle verheiratet. Fünf, zehn oder vierzig Jahre lang. Wir sprachen darüber, was "glücklich verheiratet" meint, und darüber, dass es in jeder Partnerschaft immer auch unerfüllte Bereiche gibt. Irgendwann fragte ich: "Stell dir eine Skala von 0 bis 100 Prozent vor. 100 Prozent meint, du kannst alles, was dir wichtig ist, mit deinem Partner beziehungsweise deiner Partnerin teilen. Null Prozent meint, dass es keinerlei gemeinsame Lebensfelder und Interessen gibt. Wie viel Prozent braucht es deiner Erfahrung nach für eine glückliche Ehe?" – Die allermeisten antworteten spontan und ohne von den anderen Einschätzungen zu wissen: 60 Prozent.

Mich haben diese Antworten verblüfft: Reichen 60 Prozent? So wenig? Oder vielleicht doch gar nicht wenig, sondern nur ziemlich realistisch?!?

Wer vom Leben ein möglichst perfektes Glück erwartet, hat sein Unglück schon programmiert. Je realistischer hingegen die eigenen Erwartungen sind, umso eher können wir mit einem "unvollkommenen Glück" zufrieden sein.

Im Hier und Jetzt leben

Wer entdeckt, dass Unglücksfantasien oder Verlustängste das Glück des Augenblicks schmälern, kann sich beglückwünschen! Denn in dem Maß, in dem uns das Gedankenkino bewusst wird, können wir ihm gegenüber eine distanzierte Haltung einnehmen. Wir schauen von außen auf den Kinosaal und können fragen: "Wem will ich mehr Glauben schenken: meiner Angst vor morgen, die mir das Heute stiehlt? Oder meinem dankbaren Vertrauen, dass sich mir hier und jetzt das Leben in seiner Schönheit zeigt?"

Wie sich eine lebensbejahende Gedankenkultur stärken lässt, sieht bei jeder anders aus. Wichtig wäre, nach den eigenen Quellen zu suchen – und dann regelmäßig aus ihnen zu schöpfen. Ich persönlich nehme gerne eine geeignete Lektüre zur Hand. Ich spreche mit vertrauten Menschen. Vor allem helfen mir Zeiten der Stille und der Meditation, in denen ich einfach da bin. Hier entwirrt sich mein Inneres manchmal wie von selbst.

Als mir beim Radfahren aufging, wohin ich mich in Gedanken gerade vergaloppiert hatte, bin ich abgestiegen. Und dann langsam nach Hause gefahren – mit aufmerksamem Blick für den plätschernden Bach entlang des Weges. Eigentlich ganz schön, dieser Augenblick.

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